(CLXXXIII.)

Der merkwürdige Tod.

[658] In der Welt sind drey Spatziergänge und damit hat die gantze Welt ein Ende. 1. Der Eingang.[658] 2. der Fortgang. 3. Der Außgang. Wann ein Mensch in den Eingang kommet / so sitzt ein Schneider bey der Thür der würfft ihm ein Kleid zu. Auf der Schwelle sitzt ein Engel / der wigt ihm seinen Antheil Glücks und Unglücks. Zu nechst darbey misset der Tod seines Lebens Faden an seiner Sensen.

2. Im Fortgang sitzt ein Kalendermacher der sagt ihm aus seiner Geburtsstunde / daß Schmertzen und Arbeit sol seyn seine Speiß und sein Getrank. Bloß in das Hauß und bloß wieder hinaus / sein Vermögen sol seyn Eitelkeit und nichtigkeit / welches er für Herrligkeit und Wichtigkeit halten wird.

3. Diesem in der Welt spatzirenden Menschen ruft die Warheit in die Ohren: Geschwind und eile dich /der Tod erjaget dich. Wann er dann zu dem Ausgang kommet / da sitzen ein hauffen Abnehmer: Einer nimmet ihm sein Geld und Gut / der andre Ehr und Muht / der dritte Fleisch und Blut. Ob er nun viel Irr- und Abwege in der Welt gehen können / so führen sie doch alle zu einem Ausgang / den endlich alle und jede finden můssen.

4. Verflucht ist / er solchen Weg abkürtzend / ihm selbsten den Ausgang machet / und das Leben nimmet. Das Gebott du solt nicht tödten / erstrecket sich auch auf sich selbst / in dem ein jeder ihme die nechste Treue schüldig ist / und ein Bürger aus diesem Weltreich hinweg zu raffen nicht befugt ist. Welche aber vermeinen / daß sie dardurch zeitlich Unheil entfliehen wollen / die werden in das ewige fallen. Es ist kein guter Soldat sagt Seneca / der nicht so lang wil auf der Schildwacht stehen / so lang ihme sein Feldherr befohlen hat.

5. Dieses hette auch beobachten und sich besser für sehen sollen Wilhelm Nesenus ein hochgelehrter und dem Ansehen nach Gottsfürchtiger Mann. Er war einer von den vornemsten Lehrern zu Wittenberg /und wolte einsten über die Elbe spatzieren fahren /wie er vielmals lustswegen zu thun pflegte. Das Schiff aber ist an einen Stein oder einen verborgnen Stock in dem Wasser angeprellet /[659] umgestürtzet / und hat also diesen gelehrten Mann ersäufft.

6. Dieses ist Abents beschehen. Vormittags / als er ein wenig geschlummert / hat er getraumet / daß er in einem Fischer-Schiffe wäre / und in das Wasser fiele. Dieses erzehlte er Philip Melanchton seinem vertrauten Freunde / und lachet darzu / sagend / daß er nichts auf die Träume halte / und die solches thun nach dem Schatten grieffen / etc.

7. Nach seinem Tod hat Melanchton und Camerarius oder Cammermeister diesen Traum betrachtet /und bey seinem Leichnam nicht wenig Threnen vergossen. Kurtz zuvor hatten diese drey eine Raise in Hessen verrichtet / und als sie in einem kleinen Stättlein Trese übernachtet / und Morgens die Pferde tränken lassen wolten / hat Nesenus drey Raben schreien oder kracken hören / und gefragt / was dieses bedeuten möchte?

8. Melanchton sagte darauf / daß einer von ihnen dreyen bald sterben würde. Hierüber war Camerarius bestürtzt: Nasenus aber hat das Haubt geschüttelt /und haben also ihren Weg fortgesetzet. Camerarius wolte die Ursache dieser Antwort fragen / weil er aber der ältste und schwächste / hat er von andern Sachen zu reden angefangen / und haben diese drey nichts auf das Vogelgeschrey gehalten: doch begeben sich vielmals Sachen / welche sich nach dem Ausgang beurtheilen lassen. Buchholtzer in seinem Zeitbuch im Jahr 1524.

9. Dergleichen hat sich auch mit Grimani einem Genuesischen Edelmann begeben. Diesem war Chio eine Statt in dem Genuesischen anvertraut / und war seinem Vaterland ein getreuer Diener / doch mit den Italiänischen Lastern / welche die Gewonheit gemein /und für keine Sünde achten machet / behafftet / daß ihn vielleicht Gott deßwegen gestraffet.

10. Dieser traumte gegen dem Morgen / daß ihn eine grosse Schlange mit feurigen Augen und erschröcklichen Rachen verschlingen wollen. Hierüber erwachte er mit Furcht und Zittern / erzehlet auch den[660] Traum seinen guten Freunden / welche ihm einstimmig rahten / er solte von dem Kriege ablassen und in Sicherheit begeben / weil er gewißlich sonsten eines jämmerlichen Todes sterben möchte. Er bedankte sich deß Rahts / und gedachte sich dem Krieg zu entziehen.

11. Bevor er nun solches werkstellig machen kan /wird er von den Frantzosen angegriffen / daß er seinen Soldaten einen Ausfall thun liesse: er aber hat sich hinter einer dicken Mauren versichert gehalten /und keines weges an der Gefahr theil haben wollen /damit ihme der Traum nicht wahr werden möchte: massen ihme solcher beharrlich in dem Sinne lage /und nicht wenig betrübte.

12. Als er aber durch das Schußloch sehen wollen /wie es mit seinen Soldaten ablauffe / kommet eine Kugel aus einer Feldschlangen geflogen / und nimmet diesem Grimani das Haubt hinweg / als ob es durch den Scharffrichter von dem Leibe abgesondert worden were. Alle seine Freunde haben gesagt / daß ihm geschehen wie er geglaubet. P. Bizarro in den Jahrbücher der Genueser am 187. und 788. Blat. Also sind wie gedacht zweyerley Traume: übernatürliche und natürliche davon diese Verßlein zubehalten.


Träume sind offtmals Propheten /

weisend was geschehen kan:

Träume sind auch wol Poeten /

bildend / was man hat gethan.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 658-661.
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