(CXCVI.)

Das vorsetzliche Unglůck

[703] Ein frommer Mann sahe in einem Gesicht / wie die Engel Lazarum in Abrahams Schose trugen / und demselben die Gedult / der Glaube / die Beständigkeit und andre Tugenden folgten. Als er nun fragte: was solches bedeutet? Hörte er eine stimme sagen: Seine Werke folgen ihme nach. Er sahe auch den reichen Mann zu Grabe tragen / da der Geitz / der Wucher /die Unbarmhertzigkeit /[703] der Stoltz und viel andre Laster hinter der Baar giengen. Der fromme Mann fragte wieder: Wer sind diese? / Die Stimme wiederholte besagte Wort / sagend: Seine Werke folgen ihme nach.

2. Dieses solten wol behertzigen alle frevle und vorsetzliche Sünder / welchen offenbar sind die Werke deß Fleisches / Hurerey / Ehebruch / fressen /sauffen / etc. und daß alle die solches thun / das Reich Gottes nicht ererben können. Ihre Werke werden ihnen nachfolgen / wann sie aus diesem Leben abscheiden / sie sind gut oder böß. Solches hette bedenken sollen Pia / Nolo eines Edelmanns bey Siena Eheweib / und sich nicht / durch ihre böse Lüste / in zeitliches und vielleicht auch ewiges Unheil verleiten lassen.

3. Besagter Edelmann hatte einen adelichen Sitz unferne von der schönen Statt Siena / da hielte er sich mit seinem gantzen Haußwesen / und weil er ein alter und unvermöglich Mann / sein Weib aber jung und frisch / wolte er sie wie die schönen Gemähle fast nicht in die Lufft kommen lassen / aus Furcht / daß solches vernachtheilet werden möchte. Pia war in ihrem Ehestand eine Wittib / die lebendig todt zu nennen / weil ihr Mann an Liebes und Leibes Kräfften natürlicher weise abgestorben war.

4. Nolo hatte unter andern seinen grossen Vermögen auch eine Rechtfertigung / welche zu Siena anhängig / und seine Gegenwart erheischte / deßwegen er sich mit seinem Haußwesen in die Statt erhebt /willens / den Winter über seinen Sachen obzuliegen /und solche zu Ende zu bringen Pia erfreute sich hierůber / weil sie mehr Gelegenheit hatte ihr üm einen Leutenamt ihres Bettes ümzusehen / als auf dem einsamen Dorf.

5. Unter andern ersahe Pia einen wolgestalten tapfern Jüngling / welchen sie durch ihrer Augen Sprache / so in Welschland sehr gemein ist / verständigte / wie sie sich gegen ihm treuhertzig erweisen wolle / er solle nur alle Zagheit hintan setzen / und gleiche Gegenliebe erwiedern. Der Jüngling / Namens[704] Ambrosius / wolte sich versichern / daß er ihre Gemüts Meinung recht verstanden / und schriebe üm verliebte Ge danken auf ein Sendbrieflein / daß er ihr durch eine alte Kuplerin einhändigen liesse.

6. Der Kauff wurde wegen so feyler Waare / leichtlich geschlossen / und ermangelte nur die Gelegenheit frisch auszuzahlen: solche begabe sich in dem Nolo seinen Rechtshandel bey einer Zusammenkunfft der berühmsten Juristen bedenken / inzwischen aber Getreid auf den Boden tragen lassen / und darzu etliche Schröter oder Sackträger bestellet / unter welchen sich auch Ambrosius / als eine solche Person bekleidet /eingefunden.

7. Was diese beede mit einander verůbet / ist leichtlich zu gedenken / und wurde unter ihnen die Abrede genommen / daß der Sacktrager / als eine Weibsperson bekleidet / bald wiederkommen solte. Zu solchem Ende beschwatzte Pia eine von ihren Kammermägden / welche anfangs gar nicht darzu verstehen wollen / und ihrer Frauen beweglichst zu Gemüt geführet / daß diese Sünde deß Ehebruchs sie in ein vorsetzliches Unglück stürtzen würde.

8. Pia wolte sich durch keine Ermahnung zu rucke halten lassen / und vermeinte mit ihrer Klugheit Nolo Hörner zu verhüllen / daß es niemand sehen solte. Nach langem Wortstreit muste die Kammer-Magd schweren / ihr in ihrem Handel behülfflich und verschwiegen zu seyn: welches sie getreulich / wie wol fast wieder ihren Willen gelaistet.

9. Nach deme nun dieses Spiel viel Monaten getrieben worden / fasste einer von Nolo Knechten / der sonderlich wol dienen wollen / einen Wahn / daß Ambrosius welcher in Weibskleidern zu Pia kommen /mehr als ein Weib bey ihr zu verrichten / und verkundschaffte solches seinem Herrn. Nolo hatte die Brillen der Eifersucht bereit auff dem Ohr / und steckte sie nun auf die Nasen: doch gedachte er recht hinter den Handel zukommen / und alsdann sich zu rächen /mochte aber nicht darzu gelangen.[705]

10. Der Argwahn war ihme ein sattsamer Beweiß /doch verlangte ihn zu wissen / wem er diese Oxen-Kron zudanken hette: solches zu erfahren / verraiset er wieder mit seinem gantzen Haußwesen auf sein Land-Gut Mammerta / und nimmet etliche Soldaten mit /die üm das Geld seiner Rache Werkzeug seyn sollen: wie geschehen.

11. Die Kammerdienerin fragen sie mit dem Daumenstock und andren peinlichen Zwangsmitteln: nach deme sie ihre Standhafftigkeit erwiesen / hat sie sich durch empfindlichsten Schmertzen endlich ůberwinden lassen / und den gantzen Handel mit allen ümständen erzehlet / sich aber darbey entschuldiget / daß sie als eine gehorsame Dienerin / nach vielen vergeblichen Erinnerungen darzu helffen und stillschweigen müssen. Nolo / befahle sie dieser Ausreden ungehindert zu erstechen.

12. Nach diesem liesse er Pia den Tod ankündigen / und ihr sagen / daß sie sich darzu solte gefasst machen. Diese unerwarte Zeitung hörte sie mit erstaunen an / und bate Gott und ihren Mann hertzlich ům Verzeihung / welcher darzu nicht verstehen wolte / als nach ihrem Tode. Nach wenig Stunden lässet Nolo die Meuchelmörder hinein tretten / und sie niederstechen. Pia hinterliesse viel Freunde zu Siena / welche diese That erfuhren / und Nolo gleichfals zu würgen drauten / daß er also nicht aus seinem Schloß kühnlich gehen dorffte / und hat also sein Leben in elender Einsamkeit geendiget.


Unrecht bleibt nicht ungerochen:

der die Ehe einmal gebrochen /

und deß Nechsten Bett befleckt /

hat die Straffe schon erweckt /

die ihn mit viel mißbehagen /

unerwartet kommt zu plagen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 703-706.
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