(CC.)

Der Vater Mörder.

[719] Es fragte ein Schulmeister seiner Lehrling einen / was ein Christ wissen sol? Der Knab sagte:[719] Herr Lehrmeister ich wil euch zuvor was fragen: Was ist tieffer als das Meer. Was ist breiter als die Welt? Was ist höher als der Himmel. Der Meister sagte: Gott. Nein sagte der Knab / dann diesen habt ihr nie gesehen / und könnet deßwegen solches nicht wissen: aber die Güte deß HErrn ist es / der geniessen wir alle Tage und sehen sie mit unsren Augen. Ferners fragte der Knab: was ist schwerer als die Erde. Der Lehrer sagte: Der Menschen Sünde. Der Knab sagte Nein / sondern der Zorn Gottes über der Menschen Sünde / etc.

2. Unter vielen schweren Sünden / ja die schwerste unter den Ubertretungen der andern Tafel / ist die Sůnde wieder das vierte Gebot / welches die Verheissung hat alles Wolergehens / und den Ubertretern /alles Unheil andrauet. Daher jener recht gesagt / daß der Liebe Gottes Wiederhall sey die Liebe deß Nechsten / und der erste Buchstaben derselben / die Liebe der Eltern. Solches hätte betrachten sollen Samuel Bossecker und seine Mutter Margaret / welche jüngst verwichener Zeit / alhier / wegen einer so abscheulichen That zum Tod verurtheilt und gerichtet worden. Weilen nun merkwürdige Umstände in solche Begebenheit einlauffen / wollen wir zu Beschluß dieses Theils den gantzen Handel erzehlen / und von der hinsinkenden Vergessenheit retten.

3. Dieses Bosseckers Vater war ein Viehhändler /ein gottloser Mann / der wie man gesagt / eine schlimme Dirne zum Anhang gehabt / und als ihrer müd worden / sie ermordet und begraben. Seine Kinder hat er noch zu der Schul noch zu der Kirchen gehalten /sondern sie der Säue hüten lassen / daß sie von den Zehen Geboten / dem Vater Unser etc. und andren Haubtstücken Christlicher Lehre nichts gewust / und ein Leben geführet / wie das thumme Vieh.

4. Mit seinem Weibe hatte er einen alltäglichen Haußkrieg / daß sie Anlaß genommen ihm mit Gifft zu vergeben / welches aber nicht ist angegangen / und hat der Sohn / als er Bier geholet / das Gifft-Pulver[720] darein werffen sollen: er aber hat gezweiffelt / was es seyn möchte / und es einem Hund in einer Milch vorgesetzet / der alsobalden darvon gestorben. Sie ist auch ihrem Sohn angelegen / er sol den Vater helffen aus dem Weg raumen / so wolte sie ihm gute Tage schaffen.

5. Als sie nun 2. Meile von Bamberg Vieh treiben helffen / hat diese Margaret eine Hupfenstangen in drey Theil geschnitten / das obere Theil dem Vater /das untere dem Sohn gegeben / und das mitlere Stůck fůr sich behalten / in deme sie nun in einen Holweg kommen / und der Vater vorangegangen / hat sie den Sohn nochmals angefrischt / er sol den alten Hund erwürgen / welches er zu thun beginnt / und ihn mit einen Streich auf das Haubt / zu Boden geschlagen /darauf ist sie zugelauffen / und hat ihn mit vielen Streichen gar hingerichtet / das Geld / welches er aus Viehe erlöset abgenommen / und mit dem Sohn getheilet.

6. Der jüngere Bruder / welcher vorgetrieben / sahe von ferne was geschahe / weinte und schrie: sie aber betrauten ihn / er solte schweigen / oder sie wolten es ihm nicht besser machen: gaben ihm auch vom Geld /damit er sie nicht verrahten solte. Es ist aber einen als den andern Weg diese Sache ruchbar worden / und dieser Samuel aller Orten / als ein Vatermörder fluchtig gegangen / und sich an keinem gewissen Ort aufgehalten: sonders zweiffel von seinem bösen Gewissen geplaget und verfolget.

7. Nach geraumer Zeit hat diese Margaret eine Klage alhier zu Nürnberg / in welcher Statt Schutz sie sasse / anzubringen / und meldet zugleich mit an / daß ihr Sohn seinen leiblichen Vater und ihren Mann erschlagen / deßwegen auch sich in frembder Herrschafft aufhalte. Bald hernach sind etliche Schergen in der Pfaltz / und ersehen aldar diesen Vatermörder /zeigen es an / und erlangen Steckbriefe / daß sie ihn heben / und endlich mit vielen Unkosten in Verhafft gebracht.[721]

8. In dem Gefängnis ist er geständig seiner Missethat / erzehlet aber / daß er solches aus Antrieb seiner gottlosen Mutter gethan / und daß auch sie Hand mit angeleget. Die Mutter wird gleichsfals in Band und Eisen geschlossen / will aber nichts bekennen / als daß sie einsten ein Kind / wider ihren Willen mit dem Deckbett ersticket / und beruffe sich auf Zeugschafft /welche aussagen solten / daß sie sich damals / als diese That geschehen / in einem Bambergischen Dorff aufgehalten / und gar nicht dabey gewesen. Die Zeugen geben dieses auch für: doch hat sie vor und darnach in dem Dorff / welches unferne von der Walstatt aldar können gewesen seyn.

9. Der jüngere Bruder (welcher von dieser Sache in dem Schlaff geredet) bleibt nicht beständig in seiner Aussage / und wird deßwegen peinlich gefraget / da er bekennet / wie oben erzehlet. Samuel der Thäter stimmet mit ihm / und ohne die Marter über ein / stirbet auch darauf / und bekennet vor seinem Ende / daß sie ihn an dieses Ort bringe / und ihn mit ermorden helffen. Er wurde lebendig gerädert und hat sich Christlich zum Tod bereitet.

10. Diese Margaet aber wolte auf keine weise der That geständig seyn. An der peinlichen Frage bekennet sie alles / so bald man sie aber erlassen / sagte sie / daß sie unschuldig / und daß ihre Kinder ihr solches aus Feindschafft nachsagen / sie were nicht dabey gewesen. So offt man sie an die Marter führte / sagte sie / daß sie unschuldig aber alles gerne bekennen wolte /was sie nicht gethan / man solte sie nur nicht peinigen. Endlich lässet man ihr die Haare von dem Haubt abscheren / und spannet sie noch einmal an die peinliche Frage: da bekante sie wieder / und bliebe etliche Tage beständig / biß sie ihr Urtheil anhören solte / da ist sie wieder umgestanden / und ihre Unschuld vorgeschůtzet.

11. Auf fleissiges Zusprechen der Herren Geistlichen hat sie sich sehr unbußfertig erwiesen / nicht betten wollen / und gesagt / daß sie ihre Seele schon versorgt habe: beharrlich aber ist sie in diese[722] Wort ausgebrochen: Ein Kind bringet Vater und Mutter üm Leib und Leben. In dieser Unbußfertigkeit ist sie in den Tod gegangen / und ist ihr von dem Henker das Haubt / und die rechte Hand zugleich abgehauet / hernach aber ihr Leichnam auf einem Scheiderhauffen verbrennet worden.

12. Viel haben vermeint / daß dieses Weib mit dem bösen Feind eine Verständnis gehabt / und daß sie sich auf seine Hülfe verlassen / welche ihr aber nicht erschienen. Gewißlich / hette sie den Tod unschuldig erlitten / so würde sie mehr Standhafftigkeit und mehr Gedult / wegen ihres guten Gewissens / haben blicken lassen: weil sie aber in der Unbußfertigkeit dahin gestorben / ist nicht zu zweiffeln / daß sie vermeint / ihr Leben mit ablaugnen zu verlängern.


Wie solte doch deß Höchsten Gnad

ob dem der sie verspottet hat /

in seinem gantzen Leben /

im sterben ob ihm schweben?


Ende des VIII. Theils und CC. der jämmerlichen Mordgeschichte.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 719-723.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Jürg Jenatsch. Eine Bündnergeschichte

Jürg Jenatsch. Eine Bündnergeschichte

Der historische Roman aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges erzählt die Geschichte des protestantischen Pastors Jürg Jenatsch, der sich gegen die Spanier erhebt und nach dem Mord an seiner Frau von Hass und Rache getrieben Oberst des Heeres wird.

188 Seiten, 6.40 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon