(LVII.)

Das gefallne Schoßkind.

[192] Aloysius Novarinus (de occultis DEI beneficiis c. 35.) zehlet unter die verborgne Wolthaten[192] Gottes /»wann ein Mensch im niederigen Stand mit allerhand Anfechtungen heimgesuchet wird; weil solche den weg zum Himmel bereiten / die Demut befördern /den Stoltz unterbrechē / unn der Probstein sind unsrer Christlichen Tugenden. Hingegen aber hat ein hoher Ehrenstand freyen Zaum zu sündigen / grosse verantwortung gegen Gott / grossen Neid und Feindschafft bey dem Nechsten / und scheinet / wie jener gesagt /Gott habe solche Leute vergessen / daß er sie von einer Sünde / blindlingsweis / in die andre fallen lässet / biß sie endlich ein Ende nehmen mit schrecken. «

2. Dessen ist unter vielen ein merkwürdiges Exempel der Hertzog von Bucquinkam / zweyer Könige in Engelland Schoßkind (mignon) nemlich König Jacobs deß VI. und jüngst regierenden König Carls deß I. dieses Namens. Ob ich nun wol mir vorgenommen der privatpersonen ihre Geschichte zuschreiben / und die Begebenheit mit Fürsten und Herren andern zu überlassen; habe ich doch nicht umgehen sollen dieses allein zu gedenken / weil sich sein Fall begeben /als ich mich in Engelland hab aufgehalten / und alle umstände so meines wissens in keinem Teutschen Buch zu finden / aus sicheren Bericht und theils Augenschein fleissigst beobachtet.

3. Dieser Hertzog von Bucquinkam ist von Ankunfft ein Edelmann / der in Franckreich die Sprachen / Ritterliche übungen / und sonderlich das Dantzen wol gelernet / daß er durch seine Höfligkeit / und wolständige Geberden deß Königs Gnade gewonnen / ja ihn gar / wie etliche gewolt / bezaubert / und zu unziemlichen Sachen gedienet haben sol. Nach und nach hat er es dahin gebracht / daß er Hertzog worden /und alle Regierungs Handel durch seine Hände gehen müssen.

4. Im Jahre 1623. hat er den alten König beschwätzet / daß er den Printzen von Galles seinen einigen Sohn / durch Frankreich in Hispanien mit ihm ziehen / und selbsten ümb die Spanische Jafantie[193] anwerben lassen / auf welcher Raise er über die dreymal hundert tausend Ducaten Beschenkung vergeudet / und ist so bald nicht wieder in Engeland angelanget / daß er verstehen müssen / wie alle Heuratshandlung sich wiederum zerschlagen / und hochbesagter Printz hernach das Frantzösische Fräulein Henrietta Maria jhme vermählen lassen.

5. Dieser Bucquinkam hasste von Jugend auf die Frantzosen / und schaffete in deß Königs Namen die Päbstischen Diener der Königin / zu raht gepflogner Heuratshandlugen / von Hof; brachte es auch dahin daß beede Kronen Franckreich und Engeland mit einander gebrochen und führet selbst ein mächtiges Schiff Heer / die Statt Rochelle / welche damals belägert / zu entsetzen / wurde aber auf der Insel de Ré spötlich geschlagen / mit verlust 6500. tapferer Soldaten. Dieser Schiffbruch kostete über 3. millionen Kronen / und wurde die Schuld alle diesem Admiral /oder Meer Herrn (wie man sagt Feld-Herrn) wegen Fahrlässigkeit beygemessen.

6. Das Parlament beklagte ferners diesen Hertzog bey dem König / daß er / wieder wolhergebrachte Freyheit das Volck mit Schatzungen beschwerte /Werbungen und Musterplätze anstellte / und fremde Besatzungen / oder ja derselben Befehlhabere / in die Schiffhäfen verordnete / und daß er so wol zu Friedens- als Kriegszeiten alles nach seinem Kopf richtete / ohne des Königs wissen und willen. Er wurde auch angeklagt wegen der begangenen groben Fehler für Rochella / dahin er allen Vorraht auß den Englischen Festungen bringen / und theils Pulver üm geringes Geld verkauffen lassen / welches hernach üm doppelten Wehrt wieder geschaffet werden müssen.

7. Uber daß wurde ihm die Schuld begemessen /daß er alle Handelschafft / durch die Meerrauber /welchen er Einhalt thun sollen / zu Grund richte / daß er die Edelleute von ihren Hofdiensten ab / und Unedle so ihme zu gethan / einsetze. Der Verlust der Schiffe / welche durch ihn verlohren /[194] und zu nicht worden / ist überhoch geschätzet / und für einen unwiderbringlichen Schaden gehalten worden; zu geschweigen deß Vorrahts / der Kauffmannschafften / Schiffer und Soldaten die darauf gewesen / und zwar in solcher Anzahl / daß Engeland von seiner tapfern Mannschafft grossen Abgang befunden.

8. Dessen allen unerachtet / hat der König in Engeland / unter diesem Hertzog einen neuen Entsatz nach Rochelle zu senden verwilliget / weil er hoch geschworen zu sterben oder in die belägerte Statt zu kommen. Als nun zu dieser Fahrt von neuem gerüstet / und eben die Gesandten von Rochelle von ihm angehöret wurden / ist ihme ein Leutenamt eines Schiffes entgegen gekommen / und hat ihn mit einem spitzigen Messer die Lungen und das Hertz durchstochen / daß er fallend geschrien: Der Hund (rock) bringt mich umb das Leben / da dann das Blut also bald aus der Wunden und dem Munde in so grosser Anzahl geschossen / daß es ihn erstöcket / und ist ein solches Geschrey entstanden / daß die Frantzosen / welche bey ihme waren / wegen dieses Mords verdächtig /fast alle von den Engeländern weren erschlagen worden.

9. Felton / der Thäter / inzwischen war durch das Gedräng entkommen / und gange in den Garten / welcher an dem Hause ware spatziren; als er aber höret /daß man die Frantzosen wegen dieses Mords angeklagt / gehet er in die Kuchen und schreyet überlaut: Es hat kein Frantzos / sondern ein Schottländer / den Bucquinkam ümgebracht / und der bin ich; das Messer hab ich besonder darzu machen lassen / und wird man in meinem Hut (welchen ich fallen lassen) einen Zettel finden / darauf mein Namen und die Ursache dieser That geschrieben. Wegen solcher Bekäntnis ist er gefänglich angenommen worden.

10. Dieser Todsfall ist von dem Volck nicht beweinet worden / sondern hat vielmehr in allen Städten /ausser Londen wo der König gewesen / Freuden-Feuere verursachet. Felton bekennet daß er[195] dieses gethan / weil der Hertzog zweymals andre zu der Haubtmanns Stelle / welche ihm gebühret / befördert / und wäre ihme 800. Pfund Sterlins schuldig. Dieses aber hette ihn nicht allein zu diesem Mord veranlasst; sondern die Antlage des Parlaments und deß gantzen Königreichs Nutzen / dessen Feind er gewesen / daß er seinen Landsleuten mit dieser Helden That / einen guten Dienst laisten und sein Leben gerne wieder für sein Vaterland aufopfern wollen.

11. Kurtz vor seinem Tod hatte dieser Hertzog in seiner Kutschen / einen Stoß mit einem Stecken bekommen / und als der Thäter deßwegen gefangen /und von dem König zum Tod verurtheilt worden / hat Bucquinkam für sein Leben gebetten. Er hatte auch mit dem König und etlichen andern Herrn gekugelt und gesagt / E. Majest. sehen / ich habe sehr wol geschossen. Darauf ihm der Narr den Hut vom Haubt genommen / etliche Haare außgerissen / und gesagt: solt du schlechter Gesell mit den König reden / und den Hut auf dem Haubte haben? Als er aber mit diesen Worten entloffen / hat ihme der Hertzog nach geeilet / biß ihm der König zu rucke gerufen / und gesagt: Er ist ein Narr / und ist truncken. Bald hernach ist dieser wiederkommen / sagend: ich bin jetzt noch närrisch noch voll / sondern ein Schottischer Edelmann / der nicht leiden kan daß Bucquinkam E.M. nicht schuldige Ehre erweiset. Hat also dieses Schoßkind für diesem Schotten zu fallen angefangen / wie Hamman fur Mardochai. Felton sol wegen des Volkes in der Gefängnis seyn hingerichtet worden.

12. Diesem Hertzog hat man folgende Grabschrifft gemacht.


SONNET.


Der Verstorbene redet.


Das wunderreiche Glück hat meiner Hand vertraut

mehr als ich nie gewünscht; in dem ich hab stoltziret[196]

und zweyer König' Hertz nach meinem Sinn regieret /

ja mich an ihrer Stell' in höchster Macht geschaut

Auf Reich thum / Ehr und Ruhm / hab ich Gewalt gebaut /

Zu Wasser und zu Land hab ich den Krieg geführet /

und dieses Königreich auf manche weiß vexiret /

deß Glückes süsse Trifft hat auf mich fast getaut.

Damit ich aber auch was löblichs möchte richten /

hab ich der Frantzen Kron getrachtet zu vernichten /

da mir das Wiederspiel den Rucken zu gewendt /

daß meine Lorbeerkron verwandelt in Cypressen /

und meines Namens Schand verbleibet unvergessen.

Ein böser Lebens, Lauff giebt selten gutes End!

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 192-197.
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