(LVIII.)

Das frevle Beginnen.

[197] Wann dorten Job sagt (15. v. 16.) Der Mensch lebt stetig im streit / ist solches absonderlich war von den Ehrsüchtigen Frantzosen / welche aus Mangel der Feinde / mit ihren Freunden zufechten haben müssen /und hat jener recht gesagt / »$daß in den Hörnern der Ehre kein Mark der Freuden wachse / welche die Jungen Leute herabstossen / in dem sie solche fast aufzusetzen vermeinen.«

2. Dieses hat auch erfahren Speusippus / als er vermeint er habe den Sieg und die Außbeute in Händen. Er war ein Edelmann aus Aquitania bürtig / und hatte mit Liberat einem seiner Landsleute und Spießgesellen so verträuliche Freundschafft gemachet / daß sie nur einander Brüder zu nennen pflegten. Nach deme nun durch König Heinrich den IV. dieses Namens /der Friede durch gantz Franreich wiederbracht / hat sich ein jeder wieder unter seinen Weinstock und Feigenbaum begeben / und die Degen in Pflugscharen verwandelt.[197]

3. Diese beede hatten ihre Wohnungen nahe beyeinander / und kamen oft zusammen / als vertraute Nachbaren und einige Freunde. Liberat verheuratet sich mit Mela einer sehr schönen und Tugendreichen Jungfrauen. Speusippus bezeugte hierüber grosse Freude / und nennte Melam seine Schwester / weil ihr Mann sein Bruder / und sie hingegen ihn aus Höfligkeit ihren Bruder. Dieses war anfangs ungefärbter Schertz / endlich aber auf Speusippi seiten brünstige Meuchel Liebe.

4. Wie dort Jonathan von den verbottnen Honig gekostet sind seine Augen hell worden: Speusippi Augen aber wurden aufgethan weil er von dem verbottnen Honig nicht kosten können: und Mela seiner Thorheit mit verständiger Reuschheit begegnet. Sie führte ihme zu Gemüte / wie er seinen besten Freund durch so frevles Beginnen beleidigte: wie sie ein Hertz und einen Leib / den sie ihrem Liberat vertrauet / und nicht mehr in ihren Mächten hätte / daß ihre Schuldigkeit gegen GOTT und ihrem Mann seinem sündlichen Anmuten wiederstrebte / und als er nicht ablassen wolte / betraute sie / solches ihrem Manne anzuzeigen.

5. Wol / sagte der verliebte Speusippus: Euer Mann kan mir das Leben nehmen / so wol als auch ich ihn erwůrgen kan: aber doch kan er mich der Liebe gegen euch nicht berauben / und wird hierdurch uns beeden nicht geholffen seyn. Mela fürchtet einen traurigen Ausgang / und hatte grosse Gedult mit diesem beschwerlichen Aufwarter. Endlich als er nicht ablassen wil / sagte sie Liberat was ihr dieser Bruder unbrüderlich es zumutet / und bittet ihme das Hauß zuverbieten / welches er / wie wol mit viel zu gelinden Worten gethan.

6. Speusippum konte auch die Abwesenheit von Mela nicht heilen / sondern bedachte sich durch einen listigen Weg / zu seinem vorhaben zu kommen. Er verstellte sein Angesicht durch Abschneidung der Haare und des Barts / veränderte seine Kleider[198] und nimmt eine Schachtel mit schönen Spitzen zu sich /als er wuste daß Liberat verraiset / und füget sich also zu Mela / als ein Genuesischer Spitzen Krämer. Sie kauffet ihme unterschiedliche Stücke sehr wolfeil ab /und hält sich so lange bey ihme auf / daß er die Thür verrigelt / sich zu erkennen giebt / und noch eine andre Vergüngstigung für seine Spitzen erheischet. Auf beharrliche Verweigerung der Mela entblösset er den Dolchen / und bedrauet sie zu erwürgen / wann sie seinen viehischen Begierden nicht stat geben würde.

7. Was in dergleichen Zustand einer ehrlichen Weibspersonen zu thun obliegt / haben wir in der LXXXIII. Erzehlung §.12 deß grossen Schauplatzes Lust- und Lehrreicher Gedichte angemeldet. Mela hat in solcher Angst / zu Gott / und ihren Haußgenossen geschrien / daß zu allem Glück ihre Magd zu einer andern Thüre hinein geloffen / und ein solches Geschrey in dem gantzen Hause angefangen / daß die Stalknechte zugelauffen / den Speusippum von ihrer Frauen gerissen / sich seiner person / nach dem er einen von ihnen / mit dem Dolchen todt gestochen gehabt / bemächtiget / und in eine Kammer / biß zu ihres Herren Wiederkunfft verschlossen.

8. Liberat höret was dieser Frevler zum andernmahl beginnt / lässet ihn aber doch der alten Freundschafft geniessen / und gegen einen Verweis frey außgehen / der Hoffnung er werde nun von seiner Thorheit ablassen / und ihn und seine Gemahlin nicht ferners betrüben: weil er sonderlich in den Arm / wie wol nicht gefährlich verwundet worden. In diesem gleichte der gute Mann der Geise in der Fabel / welche den jungen Wolff ernehret / der sie als er groß worden / gefressen.

9. So bald Speusippus geheilet / befedete er Liberat / mit ihme ům Mela (welche doch sein Weib / daß er sich wol entschuldigen können) zu fechten: und nach den Gesetzen die Wittib ihres Mannes Mörder nicht freyen kan. Liberat aber wolte dieses Frevlers Undanckbarkeit endlich straffen /[199] und fande sich auf bestimten Platz / mit stinem Degen und Dolchen. Also gehen diese nach etlichen Scheltworten zusammen /und zersprang Lieberats Degen-Klingen / daß ihn sein alter Freund und neuer Feind nöhtigen wollen / ihme seine Melam zu überlassen / oder sich zu sterben entschliessen. Beedes war Lieberat nicht zu Sinn / sagend: daß er wol das Leben / aber nicht die Ehre sein und seines Weibes verlieren werde: begiebt sich also /in dem Speusippus auf ihn bringt / in die Flucht / und in dem ihme sein Gegner nach eilet / fället er / und Speisippus aus blinden Eifer über ihn / daß sie also beede zur Erden liegend / und weil dieser das Haubt hart aufgeschlagen / ermannet sich Lieberat / und stösset ihm seinen Dolchen durch den Wanst daß er die boßhaffte Seele aufgeben müsste.


10. Freundschafft ist deß Lebens Sonne /

Freundschafft macht in Nöthen Wonne /

Freundschafft ist das wehrtste Gut /

Freundschafft gibt in ängsten Mut.

Freundschafft bringt dem Hertzen Trost

Freundschafft gleicht dem süssen Most.

Freundschafft macht auf dieser Erden /

aus dem Himmel Hölle werden.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 197-200.
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