(LIX.)

Die Gottesvergessne Eifersucht.

[200] Alles was die Poeten von den Höllen Göttinen oder Furien gedichtet / findet sich würklich bey den Eifersüchtigen und rachgierigen Personen. Sie sind selbsten ihre Henker und Gewältiger / martern sich Tag und Nacht / entbrennen in ihrem Grimm und haben ein unruhiges Gewissen: daß von solchen wahr / was dorten Sirach am 21. v. 5. saget: Wann ein solcher des Nachts auf seinem Bette ruhet / fallen ihme mancherley Gedancken für:[200] wann er gleich ein wenig ruhet / so ists doch nichts / denn er erschrickt im Traum / als sehe er seinen Feind kommen. etc. Hierzu schlegt mehrmals falscher Wahn / daß solche Leute in deme / was nicht ist / Adlers Augen haben / und in der Warheit so blind sind als die Maulwürffe.

2. Solches hat mit seinem Exempel beglaubt Muson / ein vornemer Mann zu Ravenna / als er Lucretiam / eine arme und schöne Jungfrau / welche Germin einen jungen Edelmann geliebet / gefreyet hatte. Keine Metallen sind so vermischt / daß sie nicht durch das Scheidwasser gesondert / und aufgelöset solten werden können: »Also ist keine Verbindnis so wol geschlossen / welche nicht das Gold und der Eigennutz solte zertrennen können.« Dieser Alte vermeinte daß ihn sein Geld wieder jung / und der Jungfrauen so annehmlich / als ihme der Reichthum / machen würde: da er doch den Jahren nach ihr Vater seyn mögen / und erwachsne Kinder hatte / die ihme von der Keuschheit hetten predigen sollen.

3. Lucretia folgte zwar ihrer Freunde willen / welche allein dieses Bild hochachteten / weil es ein güldnes Fußgestell hatte / wünschte aber in ihrem Hertzen daß Germin dessen Stelle in Ehren vertretten möchte. Muson vermeinte er hette kein Weib / sondern eine leibeigne Knechtin gekauffet / die er in einer Gefängnis gleichsam verwahret daß er auch mit den Mucken / welche üm sie herflogen / geeifert / und gefragt: Ob sie Männlein oder Fräulein. Alle seine Haußgenossen solten seines Weibes heimliche Verrähter seyn / und unter selben Celestina eine alte Magd / so er zu Lucretia Diensten verordnet.

4. Diese Alte hatte zwar sondere Bestallung als eine Kundschafferin / sie war aber sehr gering / weil sie von einer sehr geißigen Hand herkommen musste: Hingegen stellte sich Germin freygebiger ein / und übersilberte dieser Celestina die Hände so reichlich /daß sie Brief und Bottschafften an Lucretiam zu überbringen / gewonnen war. Lucretia war in[201] diesem Zustande lebendig todt / und ihre Behausung gleich einem finstern Leichengrab. Die Briefe wolte sie von Germin erstlich nicht annehmen / in Hoffnung aber /daß ihr Alter sterben / und sie mit ihme noch verehlichet werden könte / lässet sie sich von der Alten zu Eröffnung solcher Schreiben bereden / beantwortet aber derselben keines.

5. Germin konte nicht unterlassen üm Mussons Hause zu spatziren / ob er etwan Lucretiam an den Fenstern sehen möchte / und dieses wird von dem aufgestelten Kundschafftern Muson also balden zugetragen / der ihm selbsten begegnet / und daher seine Lucretiam in verdacht deß Ehebruchs / ohne fernern Beweiß ziehet: setzet ihr deßwegen den Dolch an die Gurgel / und will sie sol den Ehebruch / welchen sie nicht begangen / bekennen. Sie bittet Zeit zu beichten und entschleusst sich hernach / in ihrer Unschuld /willig zu sterben.

6. Muson führet ihr einen alten Mönchen zu / der übel hörte / daß man gar laut schreiend mit ihme reden müssen und verbirgt sich in ein Kämmerlein an dem Zimmer / daß er alle Wörter der Beichte verstehen kunte / nicht zweifflend sich solcher massen in seinem Wahn zu sichern. Als nun Lucretia auf das sechste Gebot kommet / bekennet sie gegen Gott und diesem Beichtvater / als eine Person die sterben solte /daß sie Germin vor dessen / in gebührliche Keuschheit / geliebet: Er aber habe mit ihr in ihrem Ehestand nie geredet / als durch etliche Briefe / so sie Celestina / fast zu erbrechen genöthiget: welche alle dahin gehen / daß sie ihme ihre Gewogenheit / biß zu Mussons Absterben erhalten solte. Darauf habe sie sich aber niemals mit einiger Gegen Antwort vernehmen lassen.

7. Als dieses Muson hörte wendete er seinen Grimm von der Lucretia auf die betrügliche Celestinam / und stösset ihr den Stillet durch die Brust / deßwegen er von andern seinen Hanßgenossen / welche dergleichen befürchten mussten / verrahten / in das Gefängnis geworffen / und nach deme wegen[202] der Beicht die Sache eröffnet / zum Tode verurtheilet worden. Nach Mussons Tod hat Lucretia Germins nach wart mit ehlicher Trauung vergnüglich belohnet.

8. Fast dergleichen lieset man auch von einem Kauffmann in Calabrois / welcher zu Osterlicher Zeit / sich als ein Geistlicher verkappt und seines Weibs Beicht angehöret / dardurch er dann versichert worden daß sie mit andern zugehalten. Uber dieser Bekäntnis auch so sehr ergrimmt / daß er sie als sie aus der Kirchen gegangen / auf freyer Gassen / mit dem Dolchen erstochen / und deßwegen auch durch deß Henkers Hand sterben müssen.

9. Weil nun solche Eiferrach eine ungedultige Begierd / wollen wir diese Erzehlung mit lauffenden und springenden Versen beschlüssen.

Ohn ursach ergalte stets grimmige Rach

hört eiligst deß Gegenhalls klägliches Ach!

Die sothane schnelle Begierden erfreuen

erfahren im ende spat schmertzlich es reuen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 200-203.
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