(LXII.)

Der gefährte Pfandmann.

[211] Die Treue / oder der Glauben ist das Pfand menschlicher Gemeinschaft und eine verborgene Wolthat Gottes / von deme gerühmet wird / daß er Glauben halte /und thue / was er verspreche. Der Satan hingegen wird ein Lügner genennet von Anfang / der ein Geist ist in dem Munde der falschen / und regieret die Zunge der Affterreder. Solche Treue nun zu versichern giebt man über die Handtreue Siegel und Briefe / ja auch Geißler oder Pfandmänner / wie wir aus nachgehender Erzehlung ein sonderliches Beyspiel zu ersehen haben werden.

2. Als zu Zeit Heinrich dieses Namens deß dritten Königs in Franckreich das Königreich durch Unfriede zerspalten und sich selbsten aufgefressen / haben sich zween Edelleute zweyer starken / und unfern von einander gelegner Plätze bemächtiget / deren einer an einem Haubtfluß gelegen / einer grossen Statt die Zufuhr gesperret: der andre aber auf einem Berghauß gelegen / und mit rauben und plündern grossen Schaden gethan.

3. Vor Jahren hat man unterschieden deß Feindes Haab / welches frey gewesen / und dessen Haab der sich bey dem Feind aufhalten muß: als da sind Bürger und Bauren / welche nichts mit dem Krieg zu schaffen / wann sie nicht darzu genöhtiget werden. Dieser Unterscheid ist bey den einheimischen Kriegen aufgehoben / und muß alles Freund oder Feind seyn / ja die Schutzherren seyn sollen / »machen sich zu Nutzherren / und fischen in trüben Wassern«.

4. Andagar und Pepin welchen diese beede Plätze anvertraut / namen aller Orten die Geldanlagen ein /mit Vorwand / sie zu schirmen / welches[211] auch geschehen / daß kein Pferd / Ox oder Kuh mehr in dem Land geblieben / weil der Bauersmannn beeden heilen zu steuren nicht vermochte. Die Statt / deren vorgedacht worden / schickte auf diese beede Schlösser / und lässet derselben Gebieter ersuchen / den Krieg also zu führen / daß der arme Landsmann bey dem seinen verbleiben / und das gantze Gebiet nicht veröden lassen müsse. Sie lassen sich vernehmen / daß sie in dem dritten Ort zusammen kommen / und deßwegen Abrede mit einander pflegen wolten / und solche ihre Personen zu versichern / wurde ein Wechsel etlicher Pfandmänner verglichen.

5. Andegar / welcher von der Liga oder Bundsgenossen seiten war / gabe seinen Sohn Varle und einen Haubtmann genannt Baron: Pepin hingegen versprache seinen Bruder Tophan und Nicar einen Rittmeister / zu übersenden. Der Tag dieses Wechsels war angesetzt: Tophan und Nicar waren wol bekleidet /und nahmen Geld mit zu spielen / kamen auch in deß Andegar Schloß zu rechter zeit / und wurden mit aller Höfligkeit empfangen / und wol gehalten.

6. Es begabe sich aber daß etliche Schnapphaanen Varle und Baron in einen Busch führten / und ihnen den Todt antrauten / welches ein Fußgänger von ihnen hörte / und zu Andegar hinterbrachte / daß diese Geisel verrähterischer weise (weil diese Rauber allezeit Feinde derer die was zu verlieren haben / sind / was Volck sie auch antreffen /) ermordet weren / und daß solches von Pepin angestifftet. Diese falsche Zeitung war für war gehalten / und wolte Andegar seine Geißler also balden niedermachen lassen / wurde aber doch zuvor Rahts / auf Pepins Schloß zu senden / und zu vernehmen / ob sein Sohn und Baron aldar angekommen? Pepin sagte / daß sie aldar noch nicht angekommen / und solte ihnen sicheres Gleid gehalten werden / etc.

7. Als solches der Trompeter zu ruke bringet / hielte Andegar seinen Sohn für verrähterischer weise getödtet / und liesse ohne fernere Nachfrage[212] auch seine beede Pfandmänner erwürgen. »Was gethan / lässet sich nicht ändern / deßwegen es lang zu betrachten /und nicht so gar unbesonnen zu verfahren; sonderlich gegen solche Personen / welche auch bey den Heyden für heilig und schutzwürdig gehalten worden.«

8. Varle und Baron wurden inzwischen gantz außgezogen / beraubt / und lang in die Nacht wieder erlassen. In diesem Zustande haben sie sich in Pepins Schloß eingestellet / und wurden aldar wieder mit aller Nohtdurfft versehen. Es war kaum der Tag angebrochen / so kame das Geschrey Andegar hette seine Geisselmänner erwürgen lassen. Pepin erschracke ob seines Bruders Tod / und hatte in Willens dergleichen auch gegen die seinen zu verüben. Er wolte aber hierinnen sich nicht übereilen / und die Sachen gründlich erkündigen; massen er solches hernach / noch zu allerzeit thun könte.

9. Andegar höret / wie es hergegangen / erkennet zwar sein Vnrecht / weiß aber nicht wie geschehene Sachen zu hintertreiben: sendet deßwegen zu Pepin /und bittet ümb seines unschuldigen Sohnes Leben /für welches er auch das seine zulassen erbietig. Pepin betrachtet / daß dessen Tod seinem Bruder das Leben nicht wiedergeben würde / und begehret für das Löse Geld / Andegars Sohn / welchen er hinzurichten betrauete / die überantwortung der Festung / welche Andegar auch geraumt / und sich in eine Ligische Statt /mit wenig von seinen Soldaten begeben.

10. Andegar wird beklagt / daß er seines Sohns Leben / dem gemeinen Nutzen vorgezogen / und ergehet das Urtheil / daß er durch deß Henckers Hand enthaubtet / zu vor aber aller Ehren entsetzet werden solte. Sein Sohn aber ist auf deß Königs seiten getretten / und hat seines Vatern Tod an selbiger Statt vielfältig gerächet.

11. Die Rache eines Zornigen wird füglich gebildet mit einer Hand / welche auf einen Igel schlägt mit der überschrift:[213]


Du schlägest dich!

62. Der gefährte Pfandmann

Man schaut gleich in einem Spiegel

daß der stachelreiche Iegel

durch den Schlag nicht wird verletzt:

Wer die Rach erzörnet übet /

niemand als sich selbst betrübet /

und in das Verderben setzt.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 211-214.
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