(LXIII.)

Die gefährliche Nachahmung.

[214] Wann wir den Poeten glauben / so ist es Phaeton übel bekommen / daß er dem Dädalo nachfliegen / dem Marsie / daß er dem Phöbo wollen nachsingen / und der Araine / daß sie der Minerva in den Spiennen gleich oder nachahmen wollen. Wer nicht so starck ist als Milo / der zerbreche keinen grossen Baum und trage keinen Oxen / wann er nicht darüber zu schanden werden will / ja sich in Verderben stürtzen / wie nach folgende ehrsüchtige Memme.

2. Zu Paris fanden sich zween tapfere Edelleute /welche wegen deß Spiels sich entzweyt / und deßwegen einander befedet. Andre Verständige so darbey gewesen / verhinderten diese / daß sie nicht zusammen kamen / weil die Ursach schlecht / und man wol wuste / daß es ihnen beederseits an Kühnheit (oder vielmehr Verwegenheit) nie ermangelt.[214]

3. Dieses machte beeden grossen Nachruhm / daß sie gleichwol nicht ablassen wolten / biß etliche vornehme Herren die Sache vergliechen / und wurden zween andre schlechte Gesellen / die vielmehr mit messen und wägen / als mit den Degen ümzugehen gewust / bewegt / daß sie / weil sie gute Freunde waren / sich stellen wolten / ob hetten sie sich wegen einer Dirne entzweiet / und weren mit einander zu rauffen gesinnet / damit ihre Freunde sie von einander bringen / und ihnen gleichen Nachruhm gedeyen möchte.

4. Sie lassen das Geschrey erschallen / daß sie zu bestimmter Zeit und Ort einander vor der Klingen sehen wolten. Die Leute lieffen zu / wie zu geschehen pfleget / und sonderlich ihre Bekanten / deren theils sie von einander bringen wolten / etliche andre aber wusten / daß ihrer keiner so viel Hertz im Leib / als eine Nachtigal einen Tag über essen kan / und sagten / man solte sie machen lassen / es würde keiner dem andern schaden / weil es nicht Ernst.

5. Sie hatten die Wamser außgezogen / die Degen gemessen und die Sache so weit gebracht / daß sie gewolt man verbinderte sie inständiger / oder sie hetten es bleiben lassen. Sie musten auf einander zu gehen /und wurde der eine also bald tödtlich verwundet. Er wird zu dem Wundartzt getragen / in dem der andre die Flucht genommen / und weil er etliche Tage hernach erst gestorben / hatte er zeit seine Sünde zu beichten / und unter andern auch diese Thorheit / ohne ursach / wegen eitler Ehre scheinbarlich üm Leib und Leben zu fechten / bekennet. Damit einer die Ehre hat / daß er ein guter Springer / sol er sich in keinen Abgrund stürtzen.

6. Also hatten zween Spaniolen einen Streit wegen etlicher Prügel / die einer auf deß andern Rucken hatte fallen lassen / daß alle so darum wusten sagten / daß die Sache müsse mit dem Degen außgetragen werden. Als sie nun beede wieder ihren willen auf den Platz kamen / sagte der so die Stösse bekommen / daß ihn der andre wol gar erwürgen[215] möchte / welches noch viel ärger / sagte deßwegen: Du kommst hier mich wegen bewuster Sache zu vergnügen: Wol / halte darfür du seyst von mir verwundet worden / so wil ich zu frieden seyn. Der andre bedanckte sich der Höfligkeit / und sagt daß er mit solchem beding ihn vergnügen wolle / und den Arm 24. Stunden in der Binden tragen / gegen den 24. Streichen so er dem andern würcklich überantwortet.


Der Wahn.

7. Nichts ist in dieser Welt das mehr gilt als der Wahn

der was verachtet ist / hochschetzbar machen kan.

Den Thoren macht er klug / bereichert manchen Armen:

Er macht das Midas Volck gelehrt / Gott möchts erbarmen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 214-216.
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