(LXXII.)

Die unkeusche Mutter.

[238] Ob wol Socrates das Alter unter andern auch deßwegen gelobt / weil es ihn von der Liebesbrunst befreye; so findet sich doch solches Feuer bey den dürren Holtz so wol / als bey dem grünen / und hat der[238] Kirchenlehrer Hieronymus aus Erfahrung geredet / wenn er gesagt: Der Streit wider die Unkeuschheit ist gemein / aber der Obsieg selten. Dieses werden wir auch aus nach gehender Erzehlung zu ersehen haben / in welcher die unziemliche Begierde übergrosses Unheil angerichtet.

2. Rodopia / eines vornehmen Frantzösischen Herren hinterlassene Wittib / hatte fünff Kinder erzeuget /drey Söhne und zwo Töchter / welche sie zu allen Tugenden kostbarlich erziehen lassen / der Töchter eine in ein Kloster zu bringen vermeint / und Venustam die ältste zu verheuraten; massen ihre Schönheit mit zuwachsenden Jahren ihr viel aufwarten erworben /unter welchen Diodor und Porphir am besten angesehen und alle andere aus dem Sattel gehoben. Unter ihnen beeden war kein geringer Eifer / in dem jeder verhoffte Haan in dem Korb zu seyn / daß Porphir sich in dem zu rächen vermeinet / wann er Venustam darvon bringen / und Diodor das nach sehen lassen könte.

3. Diodor wuste wol wie viel an der Eltern Neigung gelegen / und spricht der Mutter freundlich zu /wird auch mit solcher Höfligkeit empfangen / daß die Tochter mit ihrer Mutter zu eifern ursache nahme /weil dieser alte Brand viel mehr mit Liebe angeflammet / als der noch ungefällte Safftreiche Stämmer. Zu Beschleunigung ihres Vorhabens verbote Rodopia ihrer Tochter mit Diodor Sprache zu halten / und riete ihr zu Porphir / welcher / wegen seines Reichthums /ihr anständiger seyn würde: Es war aber viel zu spat /und das Band zwischen Diodor und Venusta schon verknipfet / und ihre Liebe mit ehlicher Treugebung versichert.

4. Diodor hörte von Venusta daß ihre Mutter ihr gebotten seiner müssig zu gehen / und konte sich doch in ihre Freundligkeit nicht schicken / biß sie endlich mit Erröhten ihre Gemütsmeinung entdecket /und weil sie ihre Spiegel beredet / daß sie ungestalt /und von der Zeit nicht verschonet worden / wil sie diesen Abgang mit Geld / und güldnen[239] versprechen ersetzen. Diodor erstaunte erstlich ob diesem Vertrag / antwortet aber mit wenigen / daß er solcher Ehre unwürdig / und solches Erbietens nicht fähig; bedeckte also den Korb mit Höfligkeit / daß ihn Rodopia / aus blinder Liebe nicht sehen mögen.

5. Nach deme nun Rodopia ihrer Tochter Liebsten wegnehmen / er sich aber nicht wil nehmen lassen /entbrandte sie in eiferigem Grimm / sperret ihre Tochter ein / schläget und schändet sie / mit Bedrauung sie an dem Leben zu straffen / wenn sie mit Diodor mehr ein Wort wechslen werde. Venusta war so klug / daß sie sich ihrer Mutter nicht wiedersetzte / und ihr in allem zugehorsamen versprache: inzwischen aber schleusst sie mit ihren Brüdern einen Raht diese Heurat zu hindern / weil solche ohne Nachtheil ihres Vermögens keinen Fortgang werde gewinnen können.

6. Diese Kinder nahmen ihre Freunde zu hülffe /und verwiesen Rodopia ungebührliches Beginnen /daß sie so bald sich unbedachtsam zu rächen gedachte. Ich sage unbedachtsam / weil es Diodors Leben kosten solte / welcher sie / nach ihrem Wahn verachtete. Solches nun werkstellig zu machen / verspricht sie Porphir ihre Tochter / wann er Diodor erwurgen würde. Porphir liesse sich hierzu nicht bitten / weil er ein Soldat gewesen / und offtermals willens diesen Diodor für die Klinge zu fordern.

7. Also finden sich diese beede auf den Platz / und weil Diodor eine falsche Ehre und wahre Liebe in dem Sinne / hält er sich so tapfer / daß Porphir / der ihn gefordert / hat aber mit dem Leben allen Zorn verlohren. Rodopia betraurte diesen Außgang / stellet doch bald hernach / einen andern Evode genant an / er solte Diodor niedermachen / und versprache ihm zu Belohnung deß Obsiegs / Venustam ihre Tochter. Diesem gelingt es / daß er Diodor fället / und verhoffet die schöne Außbeute darvon zu bringen.

8. Venusta wolte den Todschläger ihres verstorbnen Liebsten weder wissen noch hören; sondern hatte vielmehr Ursach ihn auch für ihren Feind zu[240] halten: ja lieber zu sterben ohne Mann / als diesen zu heuraten.

9. Rodopia hingegen beginnet diesen Evode / welchen die Tochter abgewiesen / zu freyen / und ob er wol keine Liebe gegen ihr / aber wol grosse Neigung zu ihrem Geld / will er lieber eine ungestalte reiche /als eine arme und schöne Frau haben. Die Söhne aber wollen diese anderweite Verheuratung ihrer Mutter nicht angenehm halten / konten es doch nicht hindern / und mussten auch geschehen lassen / daß ihr Stieffvater kostbare Beschenkung darvon brachte.

10. Nach Verfliessung eines Monats begegnet der jüngste Sohn Evode / und nach wenig Worten stösset er ihn zu boden / daß ihme also mit der Maase gemessen worden / mit welcher er Diodore gemessen. Rodopia beklagt über diesen Mord alle ihre Kinder / als aus welcher Anstifftung ihr Mann getödtet worden. Als sie aber viel Unkosten aufgewendet / und nichts erhalten / weil der Thäter entflohen / und sie auf die andern nichts erweisen kunte / ist sie mit ihrer Klage zu Schanden worden / aus Traurigkeit in eine tödliche Kranckheit gefallen / und bey allen Bekanten ein böses Gerücht / wegen ihrer Unkeuschheit und Rachgier hinterlassen.


11. Die den geilen Geisen gleichen

werden mit deß Satans Rott /

zu den lincken müssen weichen /

und nicht sehen ihren Gott.

der will daß die Fleisches Lust /

sey den Frommen unbewust.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 238-241.
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