(XV.)

Die beraubten Rauber.

[49] Nach der Ordnung folget in dem Frantzösischen eine schlechte Erzehlung unter dem Titul: Deß Vaters Fluch. Wie nemlich sich eine Jungfrau wieder ihres Vaters Willen verheuratet / und in dem Ehestand ein todtes Kind zur Welt geboren / etc. An dessen statt wollen wir eine andre wahre Geschicht setzen / welche sich vor kurtzen Jahren begeben.[49]

2. Pullin und Gellican / (also wollen wir dieser Edelleute Namen verhüllen) Holsteinische Herren vornehmes Geschlechts / reisen nach Gewonheit deß Landes in Franckreich / aldar die Sprachen und Ritterlichen übungen / beneben Höfligkeit / und allen anständigen Sitten zu erlernen / von dar in Spanien /und fahren nach verrichter Reise von Barcelona nach Genua / willens ihren Weg durch Mailand auf Rom zu nehmen.

3. Weil sie aber zu Genua verstehen / daß die Pestin in dem Mailandischen überhand genommen / und die Pässe gesperret: warten sie aldar auf Gelegenheit nach Liborno abzufahren.

4. In dem Wirtshauß / wo sie zu Genua gelegen /waren etliche Frantzosen / unter welchen sich einer für einen Freyherrn außgegeben / und weil sie erkůndiget / daß diese Teutsche viel baares Gelts bey einem Genuesischen Kauffmann durch wechsel empfangen /machen sie einen Anschlag darauf / und begeben sich in ihre Gesellschafft / dingen ein kleines Schiff / und fahren nach Genua ab auf Liborno.

5. So bald sie nun von dem Lande entfernet /schiessen / stechen und schlagen sie diese beede Teutsche halb todt / und besuchen sie aller Orten / damit sie ja nichts zurucke liessen / und werffen sie / alsdann / nach dem sie das Gelt alles gefunden / in das Meer. Der Schiffer einer wolte solche Mordthat hintern / wurde aber also bald von dem einen erschossen / und die andern betraut / daß keiner Hand anzulegen sich gelůsten lassen solte.

6. Pullin / ist noch so starck / als sie ihn über Port werffen / daß er sich anhält / und fast das gantze Schiff umgestürtzt hette / wann nicht einer ihn mit dem Degen auf die Hand gehaut / und der ander ihn mit dem Ruder auf das Haubt geschlagen / daß er gleich Gallican untersincken und tödlich verwundet unschuldiger weise ersauffen müssen.

7. Nach dieser Mordthat nöhten die Frantzosen die Schiffer / daß sie unfern Pisa / an einem unbekanten Ufer anfahren / und sie samt der Beut außsetzen[50] müssen / welches auch geschehen. Die Schiffer setzen so bald ihre Reise fort / und melden zu Liborno an / wie es ergangen / wo und welcher gestalt diese Gesellen zu betreten.

8. In Welschland ist zu Versicherung der Strassen gute Anstellung / und sonderlich in den Florentinischen / daß also nach eingelangtem Bericht der Schiffer ein Postillion nach Pisa / und andre ümliegende Ort / ab gefertiget wird / den Mördern aller Orten nachzustellen / wie dann auch eiligst erfolget.

9. Ablatius einer unter den räuberischen Frantzosen war deß Lands und Sprache wol kündig / der befůrchtet sich / daß sie wůrden verraten und außgekundschaffet werden. Als sie nun auf einem Dorf übernachten / beraubt er die Rauber / stiehlet ihnen das Geld / welches sie den Teutschen abgenommen / und gehet damit durch. Was geschicht?

10. Die außgesandten Schergen treffen diesen an /und wollen ihn / als eine verdächtige Person / nach Pisa senden: Er aber bekennet also balden daß er der rechten einer seye / und das Gelt alles seinen Gesellen entwendet / welches er mit ihnen gerne theilen wolle /wann sie ihn loß lassen / und seine Gesellen / welche nechst darbey in einem Dorffe anzutreffen / an seine stat zu verhafft bringen.

11. Die Schergen / weil sie ihr Gelt an den andern verdienen konten / und sonsten an den Raub keinen Theil hatten / lassen Ablatium von dannen / nach dem er ihnen von 500. Cronen 300. eingehändiget / und finden seine Gesellen verratner massen an welchen sie das Fang gelt absonderlich verdienen.

12. In dem nun Ablatius sein Leben / als eine Außbeute darvon bringt / und sich nach Venedig begiebt /werden die andren Mörder wegen der schändlichen That gerädert / und empfahen also ihren wolverdienten Lohn.

13. Diese Geschicht hab ich von Ablatio auf der Fahrt nach Padua solcher Gestalt erzehlen hören / und die Edelleute zu Orleans gekant: dann ob er[51] zwar nicht sagte / daß er die Rauber beraubt / so hab ich es doch leichtlich aus allen Umbständen / welche er sonst nicht wissen können / abgemercket / und ist dieser mörderische Raub / zu meiner Zeit 1627. Statt und Landkündig gewesen.

14. Was für eine traurige Zeitung der beeden Adelichen Freundschafft in Holstein hinterbracht worden /ist unschwer zu ermessen / und hieraus eines theils zu ersehen / was grosser Gefahr die Reisenden unterworffen: anders theils auch / wie Gott das böse nicht ungestrafft lässet / sondern zu solchem Ende der Obrigkeit das Schwert in die Hand gegeben / daß sie die Frommen darmit sichern / und die Bösen züchtigen soll.


15. Wer in der Welt kein Richter hat /

Büsst in der Höll die Missethat.

Doch besser ist in diesem Leben /

Als sich der Höllen Straff ergeben.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 49-52.
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