(XVI.)

Der verzweiffelte Buler.

[52] Die Armut wird mit dem Recht der Tugend beschwerliche Schwester genennet / und einem Stein verglichen der den Himmel anfliegenden Sinn auf der Erden anhält: dessen ist ein Exempel gewesen Nicanor / welches höfliche Sitten / Verstand und Tapferkeit eines gleichmässigen Reichthums wehrt gewesen / und sonderlich der schönen Calepode / welche ihn auch liebte / und wol wüste / daß besser were ein Mann ohne Reichthum / als Reichthum ohne Mann und ohne Verstand denselben zu handhaben.

2. Ihre Freund aber waren anders Sinnes / und wolten ihr zu diesen armen Gesellen nicht rahten / ihre Eltern aber gantz und gar nicht darein willigen / deßwegen sie zu rucke halten / und die Sache verzögern müste.

3. Callepode tröstete Nicanor / daß ihre Beständigkeit[52] endlich ihrer Eltern Willen überwinden würd / er hingegen vermahnte sie zu treuer Liebe / und versprache ihr gleichfals / daß er sie / biß in den Tod / lieben wolte. »Buler versprechen schreibt man in den Sand /und wird solches das weibliche Geschlecht beschuldiget / welche sich mehrmals auch bey den Mannspersonen befindet.«

4. Nicanor fällt die Nachwart zu lang und kan er die Liebste noch zu heimlicher Verehlichung / noch zur Flucht bereden: entschleusst sich deßwegen die Welt zu besehen / und weil er keine Mittel grosse Reisen zu verrichten / ziehet er an einen Einsidels Rock / und der Freyheit / aller Orten das Brod zu betteln. In dieser Bekleidung kommt er in Welschland nach Genua / die schöne Statt / wo der Winter verjagt / und da die drey Jahrszeiten einen Frůling machen. Alldar findet er zween Einsidel in der Graffschafft Leon / dem Hertzog Daria zuständig / und wird von ihnen zu einem Gesellschaffter angenommen / und zwar nicht reichlich / doch ersättlich bewirtet. Sein Beruff kame nicht von der Höhe / das Ungewitter hatte ihn in diesen Hafen geworffen / und nicht ein heiliger Vorsatz.

5. Nach verlauff zweyer Jahre verlangt ihn zu wissen wie es zu Hause stunde / und ob Calipode Eltern ihr Leben geendet / oder ihren Willen geändert. Er begegnet einem Landsmann aus Langendak / der ihn versichert / daß Calipode etliche gute Heuraten abgeschlagen / wiewol sie nicht wissen können / ob er todt / oder im Leben. Diese Zeitung erneurte seine Flammen / und verursachte ihn / ein Brieflein an Calipode abzugeben / welche sich darüber höchlich erfreuet /und in Gegenwart ihre stets beharrliche Treue vergewissert / mit Bitte / daß er wiederkommen / und sie darvon führen solte / wie er mehrmals vorgeschlagen zu thun. Dieses alles lase Nicanor mit erkalten Hertzen / und liese sich noch Jahr und Tage bey den Einsidlen aufhalten.

6. Endlich verstirbt Cerill Calipode Vater /[53] Alphea aber die Mutter / wolte dem Nicanor ihre Tochter nicht lassen / daß sich endlich Calipode entschleusst lieber in ein Kloster zu gehen / als einen andern zu heuraten / und weil Nicanor wieder zukommen verzeucht / geht sie ohn vorwissen und Einwilligung ihrer Mutter zu den Nonnen ihren Gespielen / und bringt mit ihr ein ehrliches Heuratgut / welches einer ihrer Brüder voraus bezahlte.

7. Alphea verspricht in ihrer Verheyratung zu willigen wann Nicanor wiederkäme / sie solte nur aus dem Kloster wieder zu ihr kehren. Sie aber bittet ihre Mutter / sie wolle sie ausser der Welt / welcher sie gute Nacht gesagt / verbleiben lassen.

8. Dieser Verlauff wird dem Nicanor durch seiner Freunde einen wissend gemacht: er kehret wieder /findet aber der Calipode Wort und Briefe so ungleich / als Tag und Nacht. Er beklagt Calipode / und grůndet sich auf seine Briefe / welche so viel Ehe versprechen waren / wird aber mit seinem begehren abgewiesen / und Calipode freyes Willens gelassen.

9. Nicanor gehet mit seinen Freunden mehrmals umb das Kloster / und Calipode Brüder bestellen die Wacht / ihn todt oder lebendig in das Gefängnis zu bringen. Als sie solchem Befehl nach zu kommen bereit / setzet sich Nicanor mit den seinen zur Gegenwehr / und wird verwundet / einer auch von den seinen erschossen. Nicanars Wunden waren zwar ohne Gefahr / er wolte aber kein Pflaster oder Gebände darüber leiden / und verkürtzte ihm also selbst das Leben / daß er verzweiffelt dahin gestorben.

10. Elende Leute / welche ihre Begierden nicht beherrschen können. Zwisen Niederland und Engelland /werden Fische gefangen / welche man Petermännigen nennet / wer sie anrühret / der kommt von Sinnen: Diese Fische vergleichen sich mit bösen Begierden /und wer sie heget der verlieret seinen Verstand / von dem er den Namen eines Menschen hat.[54]


11. Tritreimen.


Die Augenlust: die Lieb: stets müssig Zeit vertreiben

Verblende: fůhle nicht: laß niemals von dir schreiben

Die Faulheit: Völlerey: sich halten als ein Schwein:

Vermeide: hüte dich: sol ferne von dir seyn.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 52-55.
Lizenz:
Kategorien: