(XIX.)

Der Freyer in allen Gassen.

[62] Den Fluß welchen der König in Persien außtrocknen wollen / hat er in viel kleine Armen zertheilet: bedeutend / daß ein Verstand / welcher vielen zugleich obliegt / seine Kräfften auf nichts gewisses wenden kan. Wer nach zween Hasen zugleich jaget wird keinen fangen.

2. Zween grosse Herren wollen ihre vertraute Freundschafft durch Verehlichung ihrer Kinder fortsetzen.

Gorgias Agatharcide Sohn solte Mongine Cremons Töchter freyen. Diese junge Kinder spielten mehrmals mit einander: die Liebe aber kunte bey ihnen nicht statt finden / weil das Holtz noch grůn / daß es nicht brennen mochte.

3. Gorgias wird in zuwachsenden Jünglings Jahren nach Paris gesendet / zu Erlernung der ritterlichen übungen. Sein Sinn war sehr flüchtig / fande zwar eine Begierde zu lieben / aber ja nicht eine Person allein: sondern viel zu gleich / daß er ihrer dreyen einmahl aufgewartet / wegen dreyen unterschiedlichen Ursachen / der Ehre / Gelt und Wollustswegen / nach welchen alle Menschen ihr thun und lassen zu richten pflegen.[62]

4. Sibylla eine Base einer Fürstin diente er Ehren wegen / und vermeinte daß sein grosse Glückseeligkeit seyn würde / wann er in eine so hohe Freundschafft würde heuraten. Juliana eine reiche Wittib von zwantzig Jahren / welcher ein alter Mann grosses Gut hinterlassen / war die zweyte / welche seine Dienste wol belohnen solte und könte. Die dritte war Charlotte / eine von den schönsten Jungfrauen in gantz Paris /aber von geringer Ankunfft und noch viel geringerem vermögen. Diese liebte er / weil er auch wieder von ihr geliebet wurde: Die andren aber gaben ihme Anlaß seine Höfligkeit zu mustern.

5. Sibylla hoffte eine bessere Heurat / als mit Gorgia zu treffen. Juliana wolte keinen Frembden / und hatte keine Neigung zu diesem Edelmann. Er aber besuchte bald eine bald die andre / mit solchen Worten /als ober alle drey zu gleich freyen solte. Seine Eltern schreiben ihm / daß sie ihn mit Mongine verloben wolten er solte nach Hause eilen: weil sie verstanden /daß er sonsten anderweit verfänglich handlen möchte. Er aber antwortet nicht weil ihm die Gegenwertigen mehr beliebten / als die Abwesende.

6. Man sendet ihm der Mongine Bildnis / welches er gegen der Charlotte für abscheulich achtet. Man führt ihm zu Gemůt ihr vermögen / und die reiche Erbschafft / welche sie zu erwarten / diese hielte er für einen Thand / gegen den Gütern seiner Juliana. Man schreibt ihm von dem Ehrenstand der Mongine Eltern / darauf sagte er / daß sie doch nicht auß Fürstlichen Geblüt / wie Sibylla. Solchem nach stellete er sein Vaterland in Vergessenheit / als ob er von der Frucht Lotes gekostet hette.

7. Gorgias Eltern verfahren in zwischen / und schliessen die Heurat / der Hoffnung / es werde ihr Sohn ihnen gehorsamen / und so bald er verrast /ihnen darumb danken. Als ihm nun die Heurats Nottul zu vnterschreiben zugesendet wird / antwortet so verächtlich / daß der Jungfrau Eltern / ihr Wort zu rucke[63] nehmen / und verschworen diesem undanckbaren Gast ihre Tochter nimmermehr zugeben.

8. Dieses gute Bißlein bliebe nicht in der Schüssel / sondern es melden sich / so bald solcher Verlauff ruchbar wird / unterschiedliche an / und wird Lisimachus heraus gewehlt / welcher mit Mongine solte vermählet werden.

9. In dem dieses vorgehet spottet Sibylla dieses Freyers in allen Gassen und weil er den Schertz nicht verstehen wolte / gabe sie ihm mit gar deutlichen Worten Urlaub. Juliana hatte eine ihr anstädigere Gelegenheit angetroffen / und verehlichte sich / wieder seinen Willen. Charlotte wolte zwar mit ihm kauffen /sie war aber ihren Verwandten nicht feil ümb das Geld: welche ihn baten / er solte dieser Jungfrauen müssig gehen / damit sie nicht etwan in ein böses Geschrey komme.

10. Als er nun besagter massen bekorbisiret / und seine Eltern den verlag zu seinem Wolleben nicht mehr herschiessen wolten / kehret er nach Hauß / als eben Listmachus mit der Mongine Hochzeit machen solte / und liesse sich bedunken / daß er in erst ermelter Hochzeiterin finde / was er bey allen dreyen zu Paris hinterlassen / und bereuet / daß er diese Gelegenheit unbedachtsam verachtet. Es war die Sache zu weit gekommen / und wust er kein Mittel / als daß er den Bräutigam forderte durch ein Fedbriefflein (Cartel.) Listmachus spottete seiner / und wolte diesen Jüngling nicht würdigen / daß er mit ihm fechten solte.

11. Ein Gascon war einem Picart eine Summa Gelds schuldig / als er solche fordert / wil er ihm mit dem Degen bezahlen. Der Gascon schickt jhm die Schergen über den Halß / welche ihn in das Gefängnis setzten / und ließ ihm sagen: Wann du mich bezahlt hast / so wollen wir hernach vom rauffen reden. Also sagt Listmachus auch: Wann ich mein Liebste habe nach Hauß geführet / wil ich deinen Frevel straffen /ietzund ist nicht Zeit / daß ich meine Hände in deinem Blute wasche.[64]

12. Also wurde die Hochzeit volzogen / und weil die Obrigkeit von deß Gorgia Ausfodern vernommen /stellet man ihm nach / daß er flüchtig gehen muste. Er kommt wieder nach Paris / und findet Charlotte auch verheuratet / an einen sehr reichen Edelmann. Als er nun flehet daß er aller Orten zu kurtz kommet ziehet er in Flandern / und giebt einen Soldaten / in welchem Stand er bald hernach sein Leben eingebüsset.

13. Der Ungehorsam der Kinder gegen die Eltern bleibt nicht ungestrafft / und vermeinen diese Frischling / sie verstehen und wissen besser / was ihnen nutzet: sehen aber endlich zu spat daß sie weit gefehlet haben. Es erhellet auch eine grosse Thorheit in dem man die Liebe / welche einen freyen Willen haben wil / zu erzwingen vermeinet / welches aus falscher selbst Liebe entstehet / so bey der Jugend ein gar gemeines Laster ist.


14. Die Jugend brůstet sich / mit unbedachten Wortē:

Sie drenget sich herfür wil nechst den Ersten seyn:

Man höret ihr Gespräch' und Wort an allen Orten /

Ein Alter lacht unn schaut der dollen Narren Schein.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 62-65.
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