(XX.)

Der Undanckbare Jungfrauen Rauber.

[65] Ein Kauffmann in Provantz Eupelome / hatte einen Pflegsohn Arcesilas benamt / welchen er mit Väterlicher Vorsorge auferzogen / und ihm fast seinen gantzen Handel anvertrauet. Sein Gewerb erstreckte sich in Hispanien und sonderlich nach Barcelona / da sein Mann war Philonde / ein Kauffmann von guten Mitteln in besagter Statt.

2. Eupelome sahe seinen Vettern bey dem Verstand / seinem vermögen selbsten vorzustehen / und suchte ihm eine feine Heurat / nemlich Marinam / auch[65] eines Handelsmanns Tochter / welcher ihm mit einer ehrlichen Aussteur an die Handzugehen versprochen.

3. Zu Valentz in Hispanien hatte Arcesilas auch zu verrichten / und kehret ein bey Inigo seines Vettern Mann / da er sich verliebt in Crateam seine Tochter /welcher dieser weise Frantzoß baß gefiel als die Morenfarbe Hispanier. Er hatte in willens ůmb sie anzuwerben / fande aber zwo hinternissen: erstlich daß er nicht reich genug und zum andern / daß sich Idelphonso / ein andrer aus selber Statt bürdig / angemeldet / welchem sie der Vater halb und halb versprochen.

4. Cratea war den Frembden viel geneigter / als dem Einheimischen / suchte deßwegen die Sache zu verzögern / und der Zeit zu befehlen was sie nicht vermitteln kunte: bliebe also beständig / in dem Arcesilas wieder nach Hause verreiset. Ja als Arcesilas Urlaub genommen / hat sie jhm geschworen getreu zu verbleiben / biß in den Todt / dergleichen er sich auch gegen ihr verlobt.

5. Als er heimkommet lässet er sich bereden zu einem Verlöbnis mit Marina / und weil er Zeitung von der Cratea hatte / daß sie seiner warten wolte / verzögert er seine Verheuratung mit Marina und reisete /wie er jährlich zu thun pflegte in Hispanien: verhoffte also die reiche Crateam / oder wann es nicht seyn wolte / als dann die schöne Marinam zu nehmen.

6. Als er nun wieder nach Valentz kommet / und die beharrliche Liebe der Cratea verspüret / erkühnt er sich sie von ihrem Vater zu begehren / und sie eröffnet ihres Hertzens Gedancken / daß sie keinen oder diesen zu einem Mann haben wolte. Der Vater war ein kluger Kopff / muhtmasste daß die Sache schon weit kommen und wolte sich mit dem Nein Wort nit also bald wiedersetzen: sondern sagte allein / wie ihm leid were / daß er seine Tochter versprochen / und wüsste er nicht von solchen loß zukommen / wann aber Idelphone so abstehen solte / so were den Sachen noch zu helffen.[66]

7. Diese Antwort war gleichsam ein öhl durch welches der beeden verliebten Flammen erhitzt wurden /daß sie verhofften sie wolten leichtlich Verzeihung erlangen / wann sie durch die Flucht / oder heimliches Verlöbnis einen Fehler begehen wurden. In diesem vertrauen nimmt Cratea ihren kostbaren Schmuck zu sich / und fähret auf einem darzu gedingtem Schif davon. Sie vollziehen auf dem Wasser gelobtes Eheversprechen / nicht sonder Deutung der Unbeständigkeit. Der Wind aber ist ihnen entgegen / und wirfft sie wiederum zu rucke.

8. Der Vater sendet zu Wasser und Land den flüchtigen nach: so bald er solches erfahrē / werden sie beede durch die Schergen ergriffen / und als man sie wil zu rucke bringen / erkaufft sie die Schergen / daß sie Arcesilas loß lassen / und sie verhoffte bey ihrem Vatern leichtlich Gnad zu erlangen.

9. Arcesilas der leichtfertige Ehr- und Dankvergessene Gesell / hatte so viel Lieb und Treue von Cratea empfangen / als einer der jemals geliebet worden: vergisset aber seines gethanen versprechens / und eilet in Franckreich Marinam zu heuraten. Doch mochte dieses so schnell nicht geschehen / daß nicht Eupoleme zuvor deß gantzen Handels Bericht von Inigo / durch schreiben erlanget.

10. Eupoleme hatte hierob ein schmertzliches mißfallen / und wil / benebens der Marina Freunden nicht geschehen lassen / daß dieser leichtsinnige Gesell zwey Weiber ehlichte. Hingegen bietet ihm Zeiger ein grosses Heuratgut an / wann er wieder kommen und seine geschände Tochter zu Ehren bringen würde /welches er auch zu thun gewillt / und den verborgnen Angel nicht vermerket.

11. Cratea hatte ursach diesen undankbaren von sich zu stossen / weil er sie geschwächt / und eine andre zu ehlichen begehret. Aber die Liebe bedecket alle Fehler / und eilet sie diesen zu empfahen / als einen verlornen und wiedergefundnen Schatz. Der Vater lässet auch geschehen / daß Arcesilas seine Tochter freyet / zur Kirchen führt / und giebt er zu[67] diesen fahrenden Haab noch eine stattliche Summa Gelds.

12. Eine böse That hat doch keinen guten Außgang. Zu Abends / als er sich zu Bette zu gehen freuete / wurde er in eine Gefangnis geführet / und ist daraus nicht entkommen / biß ihm ein Rechtstag angesetzet / und das Haubt herab geschlagen worden.

13. Cratea konte solches daß es von Idelphonso herkommen / nicht unwissend seyn / welcher sie als eine Wittib deß enthaubten heuraten wolte. Sie bejahte was ihr Hertz beneinte / und suchte hierdurch Gelegenheit an diesem Eindringling Rache zu üben / welches auch geschehen in dem sie ein Brod der gestalt vergifftet / und auch darvon gekostet / daß ihr Braut Bett zu einem Grabstein worden.

14. Was verwundern wir alhier mehr die grosse Untreue und Undankbarkeit Arcesilas / oder die treue Liebe der Cratea. Die alzu brünstige Liebe ist ein Strick deß Satans / der zur Verzweiflung reitzet. »Daher nennt Epictetus den Todt der Verliebten Abgott / welchen diese blinde anruffen / und in allen Nöthen anschreien.« »Die Alten pflegen zusagen / daß der glückseelig welcher seines Muts ein Herr« / und seine Begierden regire: Wer es aber nicht kan / der wird in seinen Sünden fortfahren / biß er endlich nach diesem Leben in die ewige Hölle stürtzet.


14. Undank. Haue den Fleiß zur Bank.

Giebt aus Lethefluß Getrank.

Gleicht dem Schweffel Mordgestank.

Macht der Diener Treue krank.

Und erlocket manchen Zank.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 65-68.
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