(XXII.)

Die unglůckliche Hinterlist.

[70] Daß war sey / wann der Apostel sagt: Die Weißheit deß Fleisches würket den Tod / wird aus nachgehender Geschicht zu erlernen seyn.

2. Policrates ein Landsherr in Aquitania sahe seinen Sohn Almain mit Liebe verhafftet gegen Aristeam / eine Jungfrau von armen Adel / und hette ihn gerne andrer Orten vermählt gesehen. Dieser Aristea hat zuvor Cyrus ein Edelman in ihrer Nachbarschaft aufgewartet / und ist auch von ihr geliebet worden / daß man sie für Heuratsleute gehalten / biß sich Almain angemeldet / und diesen schlechten Gesellen aus dem Sattel gehoben.

3. Dieses verdreusst Cyrum aus der massen / daß sich Aristea durch Ehrgeitz verblenden / und von seiner Liebe wendig machen lassen. Aber was wil er thun. Er beschuldigt eine Weibsperson daß sie eine »Weibsperson / das ist / unbeständig / und wankelbar« ist. Seine klägliche Seufftzer führet der Wind hinweg / und Aristea achtete sich für eine irrdische Göttin / weil ihr ein so grosser Herr diente / stoltziret auch in solcher Hoheit daher / daß sie geringe Leute /wie Cyrus / nicht anzusehen würdigte.

4. Almain hette sich mit dieser hochmütigen Aristea trauen lassen / wann solches sein H. Vater nicht listig unterkommen / und die Sache einen gantz unerwarten Ausschlag gewonnen hette. Er führet seinen Sohn mit sich nach Hofe / lässet ihn die Welt sehen /und hoffet es solten seine Gedanken geändert / und auf eine höhere Person gerichtet werden. Aber umsonst. Sein Hertz wendete sich wie der Magnet / nur zu einem Stern. Der Vater hatte zu Hofe zu verrichten / der Sohn eilte wieder nach Hause / und wolte sich nicht halten lassen.

5. Der Vater entsinnet diese List. Seines[71] Sohns Schrifft lässet er durch einen dieser Sachen wol erfahrnen eigentlich nachmahlen / und einen Brief an Aristeam schreiben / deß Inhalts / daß er gezwungen worden / wieder seinen Willen eine seinem Stand gemässe Jungfrau zu heuraten / und daß er ümb Verzeihung bitte / daß er ihr gelobte Treu nicht halten können / wolle sie aber ehren die Zeit seines Lebens / etc.

6. Diesen Brief bringt Cyrus der Aristea angestellter massen / und wurde Vorsehung gethan / daß Almain / noch an sie / noch Aristea an ihn etwas abgeben kunte / welches nicht dem Vater in die Hand kommen müssen. Dieses wuste ihm Cyrus dergestalt zu nutz zu machen / daß ihm Aristea von ihren Eltern versprochen wurde / und er vermeinet gewonnē zu haben.

7. Aristea aber als sie vermeint sie were von dem Glücksrad hoch abgefallen / wolte an diesen geringen Stab nicht wieder aufstehen / und Almain / oder keinen Mann haben / und als man sie zu dieser Heurat zwingen wollen / ist sie in ein Kloster der Benedictinerin entflohen / deß Vorsatzes / ihr Leben darinnen zuzubringen.

8. Almain kommet dieses zu Ohren / und er nimmt so bald Post umb die Warheit zu erfahren. Als er nun in das Kloster kommt wird der Betrug eröffnet / und Cyrus / welcher den Brieff gebracht desselben beschuldiget. Nun solche Schandflecken wollen sich nicht anderst als mit Blut abwaschen lassen: er fordert Cyrum und wird von ihm zweymal durchstochen / daß er nach dreyen Tagen seinen Geist aufgeben müssen /und Cyrus flüchtig gehen.

9. Also sind der Menschen Anschläge / sonder Gott eine eitele Thorheit / und gehet das wolgemeinte mehrmals übel aus / wie hier diesem Vater / der vermeint seinen Sohn von seiner unbedachtsamen Liebe wendig zu machen / und hat dadurch wiewol ohne Schuld / verursachet / daß er üm das Leben gebracht worden. Job saget zu seinen Freunden: Ihr richtet mich wie GOtt / daß ist ihr wolt mir in das Hertze sehen / und wissen wie ich es meine /[72] welches allein Gott zustehet. Der Ausgang und eusserliche Schein ist sehr betrüglich / und haben deß Holoferni Soldaten ein solches falsches Urtheil von der Judith gefället /wie die Gottlosen von den Frommen / welche in Buch der Weißheit am 5. und 3. sagen: Das ist die / welche wir für ein Spott hatten / und für ein hönisches Beyspiel: darumb so haben wir deß rechten Wegs (in unserm Urtheil) verfehlet / und das Liecht der Gerechtigkeit hat uns nicht geschienen.

10. Lügen gleichet einem Feuer von Stroh /

Welches brennet kurtze Zeite hohe loh:

Wann der Lügen Flammen hoch gestiegen /

Müssen sie in einem schnellen nun erliegen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 70-73.
Lizenz:
Kategorien: