(XXIV.)

Das Zeugnis deß Geblůts.

[76] Was von baarrecht zuhalten / haben wir in unsren CCXXVI. Gesprächspiel par. 44. ümständig angeführet. Hier folget ein Exempel / zu welchem wir uns sonder Eingang wenden wollen / weil wir die kurtze lieben / und Geschichte schreiben / nachdenkliche Fragen in unsren Trauerspiegel erörtert / und noch ferners zu behandlen gedenken.

2. Auf einer Hohen Schul in Flandern hat ein junger Student / von Geldern würdig / die Gesetze studiren / und ein Rechtsgelehrter werden sollen / in dem Alter welches den Gesetzen nicht wil unterworffen seyn / und keinem Recht statt geben. Dieser Apion verliebte sich in Amee / seiner Wirtin Tochter / und weil er der Jungfrauen Willen nach und nach gewonnen / sich auch mit einem Ehe versprochen / daß künfftig zu vollziehen / vernehmen lassen / hat er gegenwertig erhalten / was beede lang hernach zu spat bereuet. Es war ihnen leicht ihrer Mutter Augen zu blenden / welche ihrer Tochter getrauet / und ihrem Haußhalten abgewartet. Beede waren unter einer Bedachung / und machten es wie die Karten / wann sie bey Tags lang mit einander gestritten / deß Nachts beysammen liegen.

3. Corride ihre Magd verweist der Amee ihre ungebůhr / mit bedrauen sie zu verrahten. Was kan aber das Silber nicht? Apion verehrte sie so reichlich[76] / daß sie ihnen zu ihrem bößlichen Leben hůlffliche Hand bietet / so stark sie ist.

4. Dieses Gewerb liesse sich nicht lange ohne Gewinn treiben / und gabe Apion der Amee so viel zu trinken / daß sie die Jungfräuliche Wassersucht bekommet / und swanger wurde. O du Närrin / die du dich auf deines Bulen schweren verlassen / und vermeinest da eine glückliche Heurat zu suchen / wo du den Tod mit Schand und Spott finden wirst.

6. Apion / so bald er vermerckt daß diese Sache einen gefährlichen Außbruch nehmen möchte / zieht er heimlich darvon / und vergisset alles gethanen versprechens / welches gleich gewesen einen »Steinmetzens Gerist / daß er wieder abbricht wann die Schwinbogen außgemauret ist.« Apion kommt nach Hause und lesset es mit Amee gehen wie es kan.

7. Was diese verlassne Ariadna für Klagen geführet / ist leichtlich zu erachten. Sie hette sich ihren Augen gerne verborgen / Gifft genommen / und sich in einen Brunnen gestürtzet / wann ihre Magd Caride solches nicht verhůtet hette / welche sich getröstet daß Apion wiederkommen / und sie nicht in Schanden lassen würde.

8. Die Mutter konte ihr aus Apions Flucht / und ihrer Mutter Traurigkeit leichtlich die Rechnung machen / wie es unter ihnen zugegangen / und kommet in Erfahrung / daß ihre Beysorge leyder wahr / und viel zu spat eingewendet. Caride verspricht sie wolle Apion sein Kind bringen / man sol es nur verschwiegen halten / welches wieder ein kleiner Trost fůr Amee.

9. Sie kommt darnieder / bringet eine Tochter in die Welt / und hatte Amee und Caride die Abrede genommen / daß Kind zu erstecken / und in dem Garten / unter einen Baum ein zu graben / wie dann auch geschehen. Die Mutter wuste nicht anderst / als daß Apion das Kind ziehen liesse / und wieder kommen würde / die Geschwächte zu freyen. Apion aber war in Teutschland verreiset.

10. Nach zwey gantzen Jahren / ziehet diese[77] Mutter mit ihrer Tochter aus dem Hause / und ein andrer bestehet es / der den Garten lässet umb arbeiten / und wird der Amee Kind gefunden / so frisch und unverwesen / als wann es vor zweyen oder dreyen Tagen begraben worden were. Es wird Amee mit ihrer Tochter in das Hauß beruffen / und so bald sie deß Kindleins ansichtig wird / fängt sie an zu plassen / ihr Hertz zu beben und alle Glieder zu zittern; der kleine Leichnam aber / durch die Nasen / Augen und dem Munde zu bluten.

11. Der Obrigkeit konte dieses nicht verborgen seyn / und war die gantze Nachbarschafft bey nicht angestelltem baarrecht zu gegen. Hierüber wird die Mutter und Tochter in verhafft genommen / und nach entdeckung dieses Meuchel- und Kindermords die Caride auch eingezogen / und diesen beeden die Häubter für die Füsse gelegt / die Mutter aber / weil sie ihrer Tochter nicht besser gehütet / der Statt verwiesen.

12. »Es ist nichts so klein gesponnen / es kommet doch endlich an die Sonnen. Wer ist der Frevler der die Göttliche Gerechtigkeit zu betriegen verhofft? Die Sünde und die Straffe / sind wie der Schatten und der Leib: der in der Sonne stehet. Fliehestu die Straffe /so folgt sie dir nach / und kan solche der Ort und die Zeit verzögern / aber nicht aufheben. Wol dem der reines Hertzen ist / und nicht wandelt auf dem Wege der Sünder: Dann gewißlich Gottes Hand ist nicht verkürtzt / und wann gleich unsre Missethat für den Menschen bedecket ist / so ist uns darumb die Sünde noch nicht vergeben. Wolte Gott daß junge Leute durch dergleichen Exempel weiß würden / und das Ende bedächten / so würden sie nimmermehr sůndigen.«


13. Das Gewissen.


Dein Zeug und Kläger ruht in dir:

Dein Richter ist dem selbst Gewissen:

Er schläffet / doch nicht für und für /

Er wachet auch zu deim verdrüssen.[78]

Wer wil und kan sein Hertz betrügen?

Wer eine böse That gethan /

Dem zeuget sein Gewissen an /

Daß sich Gott niemals lässt belügen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 76-79.
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