(V.)

Das elende End.

[17] Wer stehet der sehe daß er nicht falle. Die Jäger erkennen das Wild an der Spuhr / und ihren Fuß tritten: und das Leben muß man aus dem Tod / oder desselben Außtritt erlernen. Die schöne Tage muß man Abents loben / und die heitere Zeit / ist auff dem Meer ein Vorbott deß Ungewitters. Hier werden wir finden ein elendes End / eines erfreulichen Anfangs.

2. Parmenon / ein Kind von geringer Ankunfft /aber hohen Verstands / hatte theils durch Wolthätigkeit frommer Leute / theils durch seine gelaiste Dienste / seine Geschickligkeit so weit gebracht / daß er Hofmeister bey eines vornemen HErrns Sohn / welchem eine Landschafft / oder Provintz in Franckreich anvertraut war. Sein untergebener solte ein Geistlicher werden / und weil er sehr fähig / fassete er Parmenonis Anweisung so glücklich / daß der Herr Vater über seinen jungen Hern grosse Freude hatte / und mit den Lehrmeister wol zu frieden.

3. Nach diesem wird in der Provintz eine Abbtey ledig / und Parmeno damit versehen / welcher auch sich in allen verhalten / wie einem Geistlichen wol anstehet / und war der junge Herr seiner Zucht damals entwachsen.

4. Wie aber ein schwaches Hirn den Wein nicht wol vertragen kan / also kan ein geringer Gesell kein grosses Glück lange behalten. Parmeno vergisset seiner außgestandnen Armut / und aller empfangen Wolthaten / ja seiner selbsten / und beschweret das Hertz mit fressen und sauffen / welches ihm verleitete in Kammern und Unzucht.

5. Den Kirchenthurn sihet man in einer »Statt von ferne / wann er auffrecht stehet: Den[17] Prediger muß ein jeder in seinem Leben und Wandel erkennen / wann er nicht aus seiner Ambtsgebühr entfället / und den Sturmwinden seiner bösen Begierden Widerstand thut.«

6. Was Parmeno den Hugenotten / welche in selber Abbtey gewonet / für Ergernis gegeben / ist nicht außzusprechen / und weil ihm niemand Einhalt gethan /fuhr er fort / als einer der mit Blindheit geschlagen in allerhand Sünden und Lastern / ohne Scham und Scheue.

7. Unter vielen gefällt ihm eine Jungfrau / benamt Sara / die in ihm so eine brünstige Liebe erweckte /daß er vermeint er könte ohne sie nicht leben. Die Jungfrau hingegen wil von ihm ein Ehliches Verlöbnis (welches seinen Würden ohne Verlust des fetten Kirchendiensts unthunlich) nichts wissen oder hören. Sie suchte ihn zu betriegen: er suchte sie zu betrGeistlichben / vorgebend / daß die Menschensatzung den Geistlichen die Ehe verbieten / welche auch in Griechenland beweibt wären.

8. Parmeno verspricht dieser Sara die Ehe / jedoch mit der Bescheidenheit / daß sie solches die Zeit ihres Lebens nicht offenbaren solte / weil er sonsten in Schand und grosse Armut gesetzet werden würde /und setzt hinzu / daß dergleichen bey ihnen gebräuchlich / und heimlich Ehweiber zu haben von dem Papst zugelassen werde.

9. Sara / welche wol wuste daß die Kirchendiener verheuratet / und von keiner andern Religion / als der ihrigen jemals reden hören / stellet dem Herrn Abbt vollen Glauben zu. Berichtet solches ihre Mutter und Schwester / welche dieses wegen ihrer Armut / für eine anständige Gelegenheit hielten / und wird also eine Heurats Abred von einem vertrauten Notario zu Papier gesetzt / und war der Sara Außsteuer ihre Schönheit / und die Reue die Morgengab.

10. Die Warheit ist eine Tochter der Zeit / und wird auch nach und nach aus dem tieffsten Brunnen geschöpfet. Sara wird schwanger / und[18] vermeint daß alles ehrlich und wol zu gegangen / in dem sie etliche schertzweiß die Frau Abbtisin genennet / und sie ihr solches für eine grosse Ehre gehalten. Nach dem sie vermerkt / daß man ihrer gespott / und weiters nachgefragt / hat sie sich mit grosser Verwunderung betrogen gefunden.

11. Es war aber ein vornemer Mann in selbiger Gegend wonhafft / der seinen Sohn gerne diese Abbtey zugeschantzt hätte / und bedient sich dieser Unthat den Frembdling und Einkömmling außzustossen: zu diesem Ende lässet er den gantzen Handel schrifftlich / in glaubwirdiger Form verabfassen / und bringt seine Klage / im Namen der gantzen Gemeine bey den Bischoff vor / der den Abbt darüber vernimmt / und nach etlichen nichtigen Entschuldigung / in das Gefängnis setzen lässt / in welcher er sich zu der Reformirten Religion bekennet / und nach dem er aus solchem Grab der Lebendigen entkommen / lässet er ihm Saram trauen / weil er sahe / daß er nunmehr aller seiner Einkommen beraubt und ein Frommerer an seine Stelle verordnet worden.

12. Wie armselig er sich hierdurch gemacht / ist unschwer zu ermessen: Die feiste Küchen war versperrt / Weib und Kind wolte zu essen haben: Graben wolt er nicht / so schämte er sich zu bettelen. Er verbarge sich und hasset die Evam / welche ihn in das Elend gestürtzet / und erweisset sich wie ein Löw /mit fluchen / rauffen und schlagen / daß Sara nie vermeint / daß das Joch deß Ehestands so gar schwer seyn solte.

13. Portian der Sara Bruder ein wehrhaffter Soldat der neulich aus dem Krieg wiederkommen / nimmt sich seiner Schwester an / und bedraut den Schwager /daß er ihm wolle die Hand aufflegen / und einen weltlich geistlichen aus ihm machen / wann er seiner Schwester mehr ein unschönes Wort geben würde. Parmeno unterlässt nicht sein Weib übel zu halten /wird aber von Portian jämmerlich gebrügelt / daß er die Denkmahle lange Zeit auff den Rücken tragen müssen.[19]

14. Parmeno gedenket sich zu rächen / und erscheusst seinen Schwager mit einem Pistoll / bey der Nacht / als er sich keiner Feindseligkeit versehen /darüber er gefangen / und / und zum Strang verurtheilt worden / nimmet also ein elendes End mit Schrecken / wie von dem Gottlosen die Schrifft redet.

15. Hieraus folgt eine Lehre / wie alle Laster gleichsam in einer Ketten an einander hangen / und durch den überfluß verursachet werden. Das erste Glied an solcher Ketten war ein unordentliches Leben / das zweyte Hurerey / das dritte der Betrug / das vierte Verlaugnung seiner Religion aus Furcht der Straffe / das fůnffte der Zorn / das sechste der Todschlag: »Daher Bernhardus Gott gebetten er sol ihm seine erste Sünde zu erkennen geben / damit er sich vor den andern hüten könne / und nicht als ein Blinder darinnen fortfahre.«


16. Laster wird von Last genennt /

Deren Bürde spat erkennt /

Und wann man sie mit behagen lang getragen /

Kan sie niemand werffen ab /

Biß sie letzt mit Schen und Reu

Ihres Trägers Rucken drucken in das Grab.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 17-20.
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