(VII.)

Die eröffnte Beicht.

[24] Es ist die Verschwiegenheit ein köstlicher Schatzkasten / und das in dem Munde erfaulte Geheimnis ein lieblicher Geruch / wie Boccalini redet. Fürsten und Herrn Geheimnis sol man verschweigen / und sonderlich ist der Geistliche pflichtig / was ihm in der Beicht vertraut wird / in höchster Verschwiegenheit mit sich sterben zulassen: im fall aber ja die Beicht verschwetzet wird / kan solches Verbrechen von der Obrigkeit nicht an dem Thäter gestrafft[24] werden / sondern an den Beichtvater / weil solche Fälle der Göttlichen Allwissenheit und Gerechtigkeit überlassen werden / wie aus folgenden Ausspruch deß Parlaments zu Tholuse mit mehrern erhellen wird.

2. Ein Burger in erstbenanter Stadt Namens Adrian kauffte von Nabor einem Wirt ein Faß Wein / welches er ihm aus einem grossen Stück abziehen liesse. Als es beschehen / und Adrian der Wein nicht mehr schmecken wolte / wie in dem Keller / fügte er sich zu Nabor und bespricht ihn darüber. Nabor führt ihn wiederumb in den Keller unn läst ihn aus dem grossen Stůck eben den Trunck kosten / er wil aber Adrian nicht munden / sondern beschuldiget den Wirt er hette einen geringen Wein in das Faß gezogen und ihn betrogen. Der Wirt bejahet / daß es der erste Trunk den er ihn verkaufft / und von dem Gewächs und kein andrer.

3. Hierüber wechslen sie das ja und nein / biß Adrian ergrimmet / und den Nabor / weil er ihn widersprechend / Lügen straffte / einen starcken Backenstreich versetzte. Der Wirt war solcher Müntze nicht gewohnet / und gabe wieder was er empfangen / daß sie mit einander ringend zu boden fallen und sich mehrmals überwerffen. Adrian ist dem Nabor zu starck / und weil sie beede nur mit Fäusten handelnten / ergreifft Nabor das Bidnermesser und schlägt es dem Adrian auf das Haubt / daß er plötzlich zur Erden gefallen und den Geist auffgegeben.

4. Nabor ist der Mord von Hertzen leid / und ob er wol eine von Natur und allen Rechten zugelassene Noht- und Schutzwehr gethan / fürchtet er sich doch die That zu offenbaren / und ziehet den todten Leichnam in ein kleines Kellerlein / wirfft ihn in eine Gruben / vnd verscharret ihn / sampt den Kleidern / stellt auch alte Fässer darauff / daß niemand / als er ümb die That wissen können.

5. Adrians Weib und Kinder fragen nach Adrian /und erfahren / daß er bey Nabor gewesen / besprechen jhn auch wegen ihres Vaters / und Nabor[25] antwortet mit bebenden Hertzen / daß er wieder von ihm weggegangen / und daß er nicht könne Rechenschafft geben / von denen die bey ihm / als in einem offnen Wirtshause aus und eingehen.

6. In zwischen nun Adrian nirgendwoh zu betretten / nahet die österliche Zeit herbey in welcher Nabor sein Gewissen zu entlasten / sich in den Beichtstuel einfindet / und den Geistlichen / welchen wir Celsum nennen wollen / diese erzehlte Mordthat ümständig beichtet.

7. Celsus war ein verständiger Mann / konte aber übel schweigen / und weil er mit Adrians Wittib bekant / sagt er / sie solte ihres Manns nicht ferner warten / dann er wüste / daß er nimmer wiederkommen könte. Als er nun bittlich angelangt wurde / seinen Aufenthalt anzuzeigen / läst er sich vernehmen / daß er solches noch thun könte / noch tragenden Amts wegen thun dörffte.

8. Adrians älster Sohn fasset dieses zu Ohren / und blendet Celsum in geheim mit Goldpulver / verspricht ihm endlich höchste Verschwiegenheit / und noch eine anzehliche Summa / wann er Gewißheit / wegen seines Vaters erlangen würde. Hierdurch verblendet er Celsum / daß er heraus bricht / und die Beicht / so ihm vertrauet / eröffnet.

9. Der Sohn beklagt Nabor / es wird der Leichnam befunden / und die That von dem Wirt nicht abgeleugnet / mit dem Anhang / daß es niemand / als Gott und sein Beichtvater wüste. Diese Aussage giebt den Schöpfen Ursach / den Sohn auch in Verhafft zu bringen / und zu vernehmen / wer ihm von seines Vatern Tod die Zeitung gebracht? Der Sohn sperrt sich / und wil mit der Sprache nicht heraus / bis er mit der Volter bedrauet wird / daß er aus Furcht bekennet Celsus / Adrians Beichtvater / hette jhm solche Nachricht ertheilt.

10. Celsus hörte von ferne daß Adrian in Verhafft kommen / und wil den Fuß weiter setzen / wird aber in der Flucht ergrieffen und handfest gemacht. Er kan nicht abläugnen daß dieser Mord durch ihn[26] außkommen / und entschuldiget sich so gut er mochte: setzte auch darzu Adrians Sohn hätte ihn den Dolch an die Gurgel gesetzet / und ihn bekennen machen / was er nicht hette sagen sollen.

11. Das Parlament / für welchem diese Sache vorgangen / verdamt Celsum / an statt Nabors / zum Strang / und daß sein Leichnam mit Feuer zu Aschen solte verbrennet werden / wie dann auch geschehen. Nabor aber ist aller Straffe erlassen / wieder auf freyen Fuß gestellt worden / weil er von solcher Sünde entbunden / und fernere Bestraffung verborgener Fehler dem Allwissenden GOtt ůberlassen werden sollen.

12. Hieraus ist zu mercken / daß wie in dem Ehestand der Mensch nicht scheiden kan / was GOtt zusammen gefüget / also in der Beicht der Beichtiger nicht eröffnen kan / was Gott verborgen haben wollen / und daß die Priester / welche das Siegel der Beicht erbrechen / das Leben verlohren haben: massen in dergleichem Fall aus dem Geistlichen Recht zu Venedig auch geurtheilet worden.


13. Wol reden ist die schönste Kunst /

So bey den Fürsten bringet Gunst /

Doch muß die Kunst dem Schweigen weichen /

Das kan verborgnem Golde gleichen.

Uns lehret beeds zu rechter Zeit

Bescheidenheit.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 24-27.
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