(VIII.)

Der falsche Freund.

[27] Die Falschheit ist für Gott und den Menschen ein Greuel und mit vielen Lastern verknüpffet. Daher sagt David im 54. Psalm von Achitophel / wann mich mein Feind schändete / wolt ichs leiden / und wann mich mein Hasser pochet / wolt ich mich für ihm verbergen / du aber (Achitophel)[27] bist mein Gesell / mein Pfleger und mein Verwandter / die wir freundlich mit einander warē etc. und bald hernach folget: Aber GOtt du wirst sie hinunter stossen in die tieffe Gruben / die Blutgierigen und Falschen werden ihr Leben nicht zur helffte bringen / massen auch an Achitophel erfolgt /daß er sein Leben ihm selbst mit dem Strang abgekürtzet. Von so meůchellistiger Falschheit handelt auch folgende Geschichte.

2. Cratis und Politian / Frantzösische von Adel waren zween mit Kundschafft genau verbundne Freunde / biß das blinde Liebeskind mit seinem Brand beeder Hertzen zertheilete / und die Treue in Untreu und Falschheit verwandelt. Sie waren beede in blůhender Jugend / und in solchem Alter in welchem man die Dienstbarkeit deß Ehstands zu freyen pfleget.

3. Politian wirfft seine Augen auf Phebe eine Jung frau / die mitgrossen Reichthum / und noch grösserer Schönheit begabet / welches beedes zur Liebneigung die Jugend zu vermögen mehr als genugsam ist. Ihr Vormund hatte Verlangen sich dieser Pflegtochter zu entschlagen / und schaffte zu gleich auch etlicher mühsamer Rechtfertigung / welche er in ihren Namen führen musste / abzukommen.

4. Die Jungfrau anderseits wolte lieber einen Mann / als einen Vormund haben / und sahe Polician / dem es an Höfligkeit / und schönen Worten nicht mangelte / gerne in ihrer Gesellschafft / und wartete seinem Gesprächen fleissig ab / aus welchen die Gewogenheit /Vertrauligkeit / Freundschafft / Liebe und Ehliche Verbündnis folgen solte. Als nun Politian umb Phebe anwerben liesse / weil sie / ohne ihrer Befreunden Einwilligung / nichts versprechen wolte / waren selbe gantz strittiger Meinung / und in dem Gedancken Politian suchte mehr das Gut als die Person zu besitzen.

5. Politian hielte sich der Jungfrau beständiger[28] Gegenliebe versichert / wenn man sich einer Sache versichern kan / die so beweglich ist / als das Laub an den Bäumen. Die Freunde nun auf seine seiten zu bringen / gebrauchte er sich seines treuvermeinten Freundes Cratis / welcher ihm anfangs aufrichtig gedienet.

6. Nach dem ihm aber die Liebe die Augen eröffnet / betrachtet er Phebe / als eine reiche Jungfrau / die ihm auch nicht ůbel solte anstehen / und daß er ihm die nechste Treu schuldig: mit diesen Gedancken behandelt er seines Freundes Werbung dergestalt / daß der Jungfrauen Verwandte mehr und mehr in ihrem nein gestärckt wurden. Inzwischen bittet er seine Dienste der Phebe an / und führet ihr zu Gemüte / was für ein langer Kauff were wann man Männer wolte einkramen / die niemand / als der Tod / wieder nehmen könte: daß darbey viel zu bedenken / und daß Politian eine alte unleidliche und zankische Mutter hette / die keiner Schnur das Hauß Regiment lassen würde.

7. Phebe lässet sich beschwätzen / und betrachtet daß dieses die Warheit / und Politian mit guten Ursachen / wiewol sie beede viel einander versprochen / zu rucke zu weisen. Nun hatte Cratis halb gewonnen /und weil er seinem Freund den Vorkauff abgeloffen /war die Waar mehr als halb sein. Kurtz zu sagen / der Werber führet die Braut heim. Cratis wuste auf der andern seiten / wie ein zweyschneidiges Messer / dem Politian so viel ungleiche nachtheilige Sachen von der Phebe vorzutragen / daß er mit guten Willen alle Hoffnung fahren lassen.

8. »Es ist aber mit dem Betrug wie mit Weiberschminke beschaffen / beedes dauret kurtze Zeit / und giebt ein böses End.« Nach dem Cratis eine Zeitlang in dem Ehestand / verhält er seinem Weib nicht / mit was List er sie erworben / und vermeinet wegen sei nes klugen Verstandes Lob und Ehr davon zu haben. Aber weit gefehlt. Klüglich heist nicht glücklich handeln.

9. Kurtze Zeit hernach begiebt sich unter beeden[29] ein kleiner Haußstreit. Phebe ruckt ihren Mann für /daß er sie betrogen / und nicht mit Ehren / ihren Freunden und Politian abgeschwetzet. Dieses verdreusst Cratis so sehr / daß er ihr im Zorn einen harten Backenstreich versetzet / und Phebe bedacht ist /sich an ihren Mann zu rächen: Suchet deßwegen Politian und erneuert die alte Liebe durch einen schändlichen Ehebruch.

10. »Die Sünde hat diese Eigenschafft / daß sie sie nur anfangs mit Furcht / nachmals aber mit Frevel begangen wird / und gleichsam den Namen ohne Scheue verleurt.« Als nun die Phebe diesen Freunden gemein war / ergreifft Cratis Politian auf handfester ehebrecherischer That / und Politian gewinnt so viel Zeit /daß er einen Dolchen / welchen er auf solchen Fall unter dem Hauptküß hatte / seinem gewesenen Freund in die Brust stösset. Politian und Phebe werden von den Schergen / die Crates mit sich genommen ergriffen / und musten beede eines schmählichen Todes sterben.

11. Die Tugendfreundschafft / sagt Villeroy / »sol seyn gleich einem Wasser / welches die ungestalten Flecken in dem Angesicht weiset / und die Mittel er theilt solche abzuwischen: wann aber dieses Wasser trüb ist / wird es vielmehr Unflat anschmitzen / als abnehmen. Der Soldaten Freundschafft bestehet in der Gefahr. Der Rauff- und Handelsleute Freundschafft in dem Gewinn. Der Hoffleute Freundschafft in Fressen und Sauffen und andrer üppigkeit. Die Tugend-Freundschafft aber hat kein anders absehen / als die Christliche Liebe / welche Gott und Menschen gefällig ist.«

12. Buchstabwechsel.

Freunde: Freuden.

Wie sind die Freunde wol nennen?

Ein Freudenschatz / den Gott beschert.

Ein solcher Hertzens Freund ist wehrt /

Der sich macht in der Noht erkennen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 27-30.
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