(CXXVIII.)

Die Betrůbten Verliebten.

[439] Wie Treu und Glauben zwischen den Unterthanen ein Band ist ihrer Einigkeit / und beharrlichen Wolstands: Also ist auch die Ehliche Pflicht die Verbindnis aller Glückseligkeit / wann Mann und Weib sich wol begehen: so aber eines Bundbrüchtig wird / so hat Heil und Segen ein End. Dieses beglaubt die tägliche Erfahrung / und ist sonderlich merckwürdig / daß Gott eine Freude über der Ehleute Einigkeit / Sirach 25. 2. Der böse Feind aber freuet sich über ihrer Uneinigkeit / und führet die widerigen Ehegatten so lang an seinen Stricken / biß er sie endlich in seine Gruben stürtzet.

2. Dieses hat auch erfahren Emilia und Camillo bürdig von Areza einer Statt in dē Florentinischen gelegen. Diese beede waren als Kinder mit einander[439] auferwachsen / wiewol Camillo gar schlechtes Herkommens / und wegen seiner Armut von der Emilia Vater aus erbarmen / in sein Hauß genommen und erzogen worden. Daß die Lieb ein Kind / hat sich auch bey diesen Kindern / in voller Unschuld erwiesen. Nach deme sie nun die Jahr geschieden / und Camillo zu einem Organisten in die Kost gedinget worden / hat sich dieser beeden Liebsneigung / mit aller Beschei denheit je mehr und mehr verbunden / da doch Camillo wegen seiner schlechten Ankunfft keine Hoffnung Emiliam zu heuraten schöpfen mögen.

3. Als nun die Emilia die vogtbaren Jahre erlanget /ist sie von ihren Eltern einem alten und sehr reichen Kaufmann vermählet und beygeleget worden: jedoch wider ihren Willen / und hatte sie ihren Camillo / welcher ihr an Jahren und Schönheit gleicher / als Cornelio / in dem Hertzen und den Alten in den Armen. Gezwungener Eid ist Gott leid: gezwungene Ehe bringt stetigs weh / und erlischet offt die gröste Liebesflamme der jungen Eheleute / zugeschweigen / daß solche unter den außgebrannten Aschen / der alten Greisen lang solte können erhalten werden.

4. Kurtz zu sagen / Emilia liebte Camillo / und wurde von ihm wiederumb geliebt / daß er Gelegenheit gesuchet in ihrem Hause zu übernachten / und seine Ehebrecherische Gedancken werckstellig zu machen. Nach dem solcher etlichmals geschehen / fügte sich daß Camillo in dem Hause als ein Dieb ergriffen / und von der Wacht in das Gefängnis geführet würd. Er bekennte daß er habe stehlen wollen / sey aber an solchem Vorhaben gehindert worden. Der Bischoff deß Orts / unter welches Bottmässigkeit er / als ein Organist / war / gabe ihm einen Verweiß / und bedraute ihn / daß er nicht solte wieder kommen: weil er wegen eines andern Diebstals verdächtig war.

5. Diese Verliebte Betrübten liessen aber nicht nach / in ihren sündlichen Leben / und musten endlich / weil sie die Gefahr geliebt / darinnen umkommen /wie folgen wird.[440]

6. Als auf eine Zeit die schöne Emilia auf ihrem Landgut / einem Dorf unferne Arezo gelegen / sich aufhielte / und Cornelio ihr Mann / wegen seiner Handlung nach Florentz verraisen musste / kam der Organist dahin / und besuchte seine Emiliam. Weil aber der Mann etliche Wächter bestellet / unter den Schein sie wegen eines feindlichen / oder vielmehr freundlichen Einfalls zu versichern / hat sie ihnen einen Ohm Wein zu vertrincken gegeben / und also ihren Camillo bey der Nacht den Weg gebahnt / daß er unverhindert sich bey ihr einfinden mögen.

7. Als nun Cornelio zu Florentz in seinem Gewerb den Gewinn / in seinem Hauß aber die neuangeschossnen Hörner behaubtet / sagt ihm seiner Freunde einer / daß er Camillo nicht auf der Orgel spielen hören / und daß er vermutlich sich auf einem andern Werck üben würde. Hierüber erstaunete Cornelio /setzet sich so bald auf sein Pferd und eilt nach Hause / sich seines Argwahns zu versichern.

8. So bald er nun auf seinem Landgut ankommet und von dem Pferd abgestiegen / eilte er zu seiner Schlafkammer / und findet selbe versperrt. Emilia und Camillo wurden in ihrer Arbeit verstöret / und verbarge sie ihren Bulen nach genommenen kurtzen Bedencken / hinter etliche Bretter / nechst bey dem Gemach / da man den Abtritt zu nehmen pflegte. Nach diesem stehet sie auf / eröfnet die Thůr ihrer Kammer / und stellet sich als ob sie aus tiefem Schlaff erwachet. Der Mann sahe sich üm: er suchet hin und her und giebt zu erkennen / ein sondre Empfindlichkeit und Beschwernis / wegen ihme aufgesetzter Oxenkron.

9. Emilia konte ihr die Warheit leichtlich einbilden / fängt deßwegen an ihrem Hanrey ein Lobspruch zu singen / und nennet ihn durch das gantze A b c etc. einen Albern / Blöden / Caspar / einen Dölpel / Esel /Flegel / einen Gaugen / Hasen / Juden / der nur seiner Schinderey nach jage / und seine arme Frau zu Hauß in der Eimsamkeit lasse etc. In dem nun der Mann einen Abtritt nehmen will / ersihet er Camillo[441] zwischen zweyen Brettern / lässet sich aber solches nicht mercken / sondern versperrt die Kammer und eilet seiner Frauen Freunde / welche eben damals auf die Kirchweye in das Dorf kommen / zuholen / sie zu Schanden zu machen / sich wegen deß Ehebruchs /von ihr scheiden zu lassen.

10. Sobald nun der Hanrey hinweg / berahtschlaget sich diese beede / wie sie aus der Angst zu retten. Der Entschluß ist / Camillo sol sich an dem Leilach von dem Fenster hinunter lassen / welches er auch glücklich gethan. Als nun die Befreunden kommen / und keine Mannsperson in der Emilia Kammer finden können / haben sie den Alten beschwätzt / daß er durch die falsche Brüllen seiner Eifersucht gesehen /was nicht seye: daß er also üm Verzeihung bitten müssen. Camillo aber wolte dem Landfrieden nicht mehr trauen / sondern machte sich nach Florentz /weil er befürchtet / daß er das dritte mahl die alten Schulden würde zahlen müssen.

11. Als nun Emilia vermeint / sie were der Menschen Strafurtheil durch ihre Klugheit entwischet /schickte Gott eine Seuche in ihr Hauß / daß sie geling rasend und von ihren Camillo fablend / ohne Bereuung ihrer Sünden dahin gestorben / und Cornelio samt allem seinen Haußgesinde gleichfals von der Pest hingerafft worden.

12. Camillo hörte diese traurige Zeitung / betrübet sich so sehr darüber / daß er gleichsam von Sinnen kommt / in den Wald laufft / und weil man nichts ferner von ihm gehöret / sich vielleicht selbsten üm das Leben gebracht: massen der böse Geist welcher solche Leute geistlicher weise besitzet / nicht nachlässet / biß er sich ihrer solcher Gestalt versichert.


Ein verruchtes böses Leben

kan kein gutes Ende geben:

der verachtet Gottes Gnad /

büsset / aber viel zu spat.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 439-442.
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