(CXXXIV.)

Die Rache Gottes.

[460] Nachdenklich sagt David / daß er ein Wolgefallen habe an den Rechten Gottes in dem 119. Psalm /seine Rechte sind warhafftig / saget er in dem 19. Psalm / und ferners / HErr du bist gerecht / und deine Rechte sind gerecht etc. deßwegen wil auch Er Rache verüben / und wann solche die weltliche Obrigkeit /die Gottes Dienerin ist unterlässet / so ist deßwegen der Ubelthäter für seinem Richterstul nicht gerechtfertiget / wie dessen ein Exempel aus folgender Erzehlung zuvernehmen. Wir beobachten keine Zeit der Geschichte / und setzen diese so 1613. und 1614. sich begeben andern nach / wie uns solch unter die Hand kommen. »Die Perlen sagt Balsac / werden nicht in der Ordnung angefassset / in welcher sie aus dem Meer gekommen / sind aber deßwegen nicht minder schetzbar.«

2. Der Freyherr von Lux / war Königlicher Statthalter in Burgund und Ritter deß Königlichen Ordens / welcher deß Marschal Birons getreuer Freund und bey dem König Henrich dem Dritten und Vierten in grossen Ansehen gewesen. Dieser sol sich berühmt haben / daß er / wann er gewolt / den Hertzog von Guisa / der zu Blois ist hingerichtet worden / leichtlich bey dem Leben hette erhalten können. Ein eitler Ruhm / der ihm wenig Nutzen / aber sehr viel Schaden / ja üm Leib und Leben gebracht.

3. Dem jungen Ritter von Guisa wurde diß zu Ohren gebracht / und so verhasst fürgetragen / daß er seines Vatern Ehre zu retten / den alten Freyherrn für die Klingen fordern lassen / welcher sich höflich entschuldiget / daß er solche Wort nicht böß gemeint /sich unwürdig achte / wider einen Hertzog zu fechten / dessen unterthäniger Diener er sey. etc. Zu deme wisse[461] der Hertzog die Königlichen Verbot / und wolte sich nicht gerne vergreiffen etc. Der Gegner aber hielte diese Entschuldigung nicht fůr genugsam / sondern liesse diese Sache biß zu der ersten Begegnis (rencontre) außgestellet seyn.

4. Bald hernach begegnen diese beede einander in der Gassen bey dem Zeughauß / da König Heinrich der Vierte erstochen worden / der Ritter zu Pferd / der Freyherr in der Kutschen / und nach dem sie wenig Wort gewechselt / haben sie von Leder gezogen / der Hertzog seines Vatern Tod zu rächen / der Freyherr sich zu vertheidigen. Als sie nun zusammen gegangen / ist der alte Freyherr von dem jungen starken und erhitzten Hertzogen durchrennt und erstochen worden /deßwegen er eine zeitlang von Paris weichen müssen /bey der alten Königin aber seine Gnade leichtlich erlanget / und hat sich nach vier Wochen in besagter fast weltgrossen Statt wieder sehen lassen.

5. Der abgelebte Freyherr hatte einen einigen Sohn hinterlassen / der seinen Degen meisterlich verstanden / und seines Herrn Vatern Tod rächen wollen: Dieses Vorhabens setzte er folgendes höfliches Fedebrieflein zu Papier.


Gnädiger Herr /


Niemand kan ein besserer Zeuge seyn meines Schmertzens / als E.G. deßwegen sie meiner Empfindligkeit zu verzeihen gnädig geruhen wollen. E.G. ersuche und bitte ich unterthänigst / sie belieben mir die Ehre zuthun / wieder mich den Degen zu entblössen / daß ich Gelegenheit habe meines Vatern Tod zu rächen / oder mein Leben zu verlieren. E. Gnad. Tapferkeit wird nicht zu lassen / daß sie sich mit ihrem höhern Stand entschuldigen / und ihre Ehre beschuldigen machen.[462]

Dieser Edelmann wird E.G. an den Ort geleiten /wo ich derselben warte / mit zweyen guten Degen /deren einen E. Gn. zu wehlen belieben wird. Solte aber dieser Ort nicht gelegen seyn / wil ich mich finden lassen / wo E.G. befehlen werden etc.

6. Du-riol brachte dem Hertzogen dieses Fedebrieflein als er noch zu Bette lage / machte sich aber also bald auf und name mit sich den Ritter Grignan / und kamen also in der Stille an den Ort / wo der junge Freyherr von Lux ihrer wartete. Sie waren alle vier zu Pferde / hatten die Wammser außgezogen / und in dem ersten Zusammen Ritt / hat der Freyherr den Hertzogen verwundet: in dem dritten Ritt aber hat der Hertzog den Freyherren durch gestochen / daß er von seinem Pferd gesunken / und von dem Hertzog ermahnet worden / er solte seine Seele Gott befehlen.

7. Nach diesem ist der Hertzog seinem Beystand zu Hülffe kommen / welcher bereit zween Stiche von dem Du-riol empfangen: als er aber den Hertzog auf ihn zu eilen sehen / hat er die Flucht und seinen Weg gegen Burgund genommen. Der Ritter von Guisa ist hierauf siegend / wie wol mit dreyen Stichen verwundet / nach Paris kommen / und von den vornemsten Herrn besuchet worden / welche ihm mit vielen Glükwünschungen / wegen erlangten Sieges / gehöfelt haben. Hierüber wurden viel Verse unter dem Namen Paris und Lucidors gemachet so in offentlichen Druck noch zu lesen sind.

8. Die Königin hat auch dieses ungestrafft lassen hingehen / und den Hertzog in seinem Dienst / als Meerherrn / und Heerfůhrer der Galeren bestettiget /daß er sich versichert gehalten / und ungezweiffelt verhofft dieser Mord deß Vaters und deß Sohns würde als nicht geschehen vergessen / und unter die Titel seines Lobs zu zehlen seyn. Gott aber hat diesen Hertzogen mit einem schnellen Tod straffen / und wie er andre / ohne Bereuung ihrer Sünden erwürget / auch ihn also sonder Vorbedacht dahin raffen wollen.[463]

9. Auf dem Schloß Baur in Provance / hat oft ermeldter Hertzog anderthalb Jahr hernach ein grosses neues Stück selbsten wollen loßbrennen / das zersprungen und ihn so zerquetscht / daß er zwo stunde hernach den Geist aufgeben můssen. Er ist von seinem gantzen Haus sehr betrauret worden. Viel aber haben solches als eine Straffe seiner blinden Verwegenheit (massen die Tapferkeit allezeit mit Verstand versehret) gedeutet.

10. In vorermeldten Jahre 1613. hat sich auch der Herr Montigny-Halle mit H. von Bethune geraufft /und ist dieser letztbenamte erstochen worden / bevor er seines Feindes Blut gesehen. Welchem eine Grabschrifft folgenden Inhalts aufgerichtet worden.


(ungemässne Reimen)


Wandersmann.

Stehe still und ließ

Was Cyrus von Bethün / der hier begraben liegt gethan.

Der niemals keinen hat gefůrcht ausser Gott /

hat durch die Waffen Ruhm erlanget und den Tod:

In dem er Ehr gesucht /

hat ihn die Ehresucht der Grabcypressen Frucht /

mit Lorbeer untermischt /

hier aufgesteckt /

biß ihn der jüngste Tag von Todten auferweckt.

Nun Wandersmann /

gedenk / daß dir / was ihm / auch wiederfahren kan /

Leb wol / so stirbst du wol!

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 460-464.
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