(CXLI.)

Die tyrannische Eifersucht.

[492] Wann wir dorten in dem Hohen-Lied lesen / daß die Liebe stärcker sey / als der Tod / ist es nach der edlen Grundsprache zuverstehen von dem Eifer / welcher ein Verliebter / wegē böses Argwahns / gegen seinem Ehegatten fasset. Dessen haben wir ein merkwürdiges Exempel / unter vielen andern / in folgender Erzehlung / welches sich auch in Italien / als dem Schauplatz vieler mörderlichen Trauerspiel begeben.

2. Als der Türckische Käyser Bajazet la Morea /und in demselben Modona die Haubtstatt erobert / hat er solche Grausamkeiten und blutstürtzende Mordthaten verüben lassen / daß sich der Himmel darfür entsetzen / und die Erde eröffnen / und die Mahometischen Henkers Buben hette verschlingen sollen. Unter diesen entflohenen Modonesern aber war ein Edelmann / Namens Peter Bartze / welcher nach Mantua entkommen / und hat aldar Krieges-Dienst angenommen / sich auch so tapfer gehalten / daß ihm der Hertzog zu Obersten / über sein Fuß-Volck gemachet.

3. Dieser Barze geheuratet eine Mödoneserin / welche man die Königin genennet / ihr Name war Helena / und hatte ihres gleichen nicht an Schönheit und Tugend. Der Hertzog hatte diesen Obersten[492] mit einem Land-Gut beschencket / welches vom H. Gregorio den Namen hatte / da er sich aufzuhalten pflegte / und eine Tochter erzeuget / die an zuwachsender Schönheit ihrer Mutter Lob gleichsam verkleinerte. Barze ihr Mann bezahlet der Natur die Schuldigkeit / und lässet sein Weib nicht in kleiner Betrübnis / weil sie Fremde und von ihren Land- und Glaubens-Genossen entfernet gewesen. Witben und Weisen sind von den betrübsten Leuten in dieser Welt / die viel Trutz und wenig Schutz erfahren müssen.

4. In noch lauffenden Trauer-Jahre verliebte sich in diese junge Wittib ein Rittersmann / der sich Spada genennet / und dazumal ein Rittmeister unter deß Hertzogens Reuterey war. Helena wolte seine Briefe nicht annehmen / und den gesendeten Mundboten keine Gehör geben / damit ihr Bruder / welcher sich bey ihr anfhielte / nicht Ursach gewinnen solte / sie in bösem Verdacht zu haben / daß endlich der Rittmeister gezwungen worden sie zu freyen / und seine Liebes-Schmertzen also zu heilen. Die schöne Wittib aber wolte nicht darzu verstehen / weil ihr ihr Hertz sagte / daß es ihr unglücklich ergehen würde.

5. Der Bruder / welcher seiner Schwester wol zu rahten vermeinet / hielt diese Gelegenheit für anständig / und erlangte endlich ihre Einwilligung / daß die Hochzeit zu Mantua mit Freuden vollzogen worden /und sich der Rittmeister vernehmen lassen / daß er sich für den Glückseligsten in dieser Welt halte / weil ihm die allerschönste Weibs-Person bescheret sey. Wie aber die Affen aus gar zu grosser Liebe ihre Jungen erdrucken / also ergehet es auch denen / welcher Flammen gar zu hoch steigen / und den Verstand dermassen verzehren / daß sie vermeinen / wer ihre Weiber nur ansehe / der sey so sehr in sie verliebet / als sie / und eifern auch mit den Mucken und Flöhen / die ihnen zu nahe kommen.

6. Dieser Spada begabe sich an einen andern Ort Neu Castel genannt / seinem Herrn / Trivultio zuständig / welches zwar seiner Helena mißfallen / hat[493] sich aber doch nicht vermercken lassen / daß ihr Wille dem seinen zu wider / und ihme also auch in diesem gehorsamt. Es kam aber ein Geschrey aus / der König in Franckreich hette Tribultium enthaubten lassen. Hierüber / ob es wol falsch / hat sich Spada sehr betrübet / daß er fast erkrankt.

7. Helena hat nicht unterlassen ihm zu dienen / die Zeitung außzureden / ihn zu trösten / und zu liebkosen / welches diesem Eiferbock fast verdächtig vorgekommen / daß er gewähnet / sie wůnschte seinen Tod / und hoffte alsdann einen iüngern Mann. etc. Diesen Traum seiner Eifersucht kan er nicht verschweigen /und vermeldete seiner Helena / daß sich diese Krankheit über seinen Tod erstreckte etc. Die keusche Helena antwortet / daß sie ihr nach seinem Absterben /keine Stunde länger zu leben wünsche. Ich weiß /sagte sie / wie schwer und unerträglich verliebten Hertzen ist / wann der Tod die helfft dahin reisset /und hab solches an meinem ersten Mann schmertzlich erfahren etc.

8. Spada ůmfängt und küsset sie / wegen dieser Wort / stehet bald hernach aus dem Bette auf / und nimmet seinen Stillet zu sich / legte sich wiederum nieder / und fängt an von seinem Tod nochmals zu reden / und daß nach demselben sie würde zu der dritten Ehe schreiten / und ein andrer zu Besitz seiner schönen Helena kommen. Als sie sich nun beteurlich erkläret / sich nach seinem Absterben ferners nicht zu verehlichen / giebet er ihr aus tyrannischen Eifer mit dem Judas Kuß etliche Striche in die Brust / und Gurgel / daß sie zu schreyen beginnet: Mein Gott / erbarme dich meiner Seelen. Darauf stösset auch ihm dennoch mit Blutbenetzten Dolchen in das Hertz / daß er also balden todt liegen verbleibet.

9. Die Kammer-Jungfrau / welche das Geschrey ihrer Frauen / und das Gerassel ihres sterbenden Herrn gehöret / ist zugelauffen / und hat den Nachbaren zugeschrien / welche die Wund- Aertzte geholet /und von der Helena noch so viel verstanden / daß man sie zu ihren ersten Mann Barze nach Mantua begraben solte. Spada aber ist auf den Schindacker[494] als ein Selbstmörder geworffen / und von den Raub-Vögeln verzehret worden / als ein ungehorsamer Soldat / den Gott der HErr länger auf der Schildwacht dieses Lebens hette stehen lassen / wann er nur gewolt.

10. Dieser Helena ist folgende Grabschrifft zu Mantua aufgerichtet worden.

Hier liegt in diesem Grab / die man mit Fug verglichen

der schönen Morgenröt'. Es macht ihr Tugend-Schein /

daß sie mit Helden-Muth noch Noth noch Tod entwichen.

Ihr Nam war Helena / doch keusch und Engelrein /

der sich mit gutem Fug gerühmt die alten Griechen.

Ihr Tugend musst ihr Tod und alles Unglük seyn;

Sie hat die Eifersucht getödt mit manchen Stichen

doch lebt ihr wahres Lob auf diesem Leichen-Stein.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 492-495.
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