(CXLIV.)

Der falsche Müntzer.

[507] Der Höchste Gott hat den Menschen erschaffen zu seinem Ebenbild / deßwegen er auch schuldig gewesen GOtt zu geben / was Gottes ist / als sein Zinßgroschen / dessen Bild und überschrifft (Heiligkeit und Gerechtigkeit /) diesem Allgewaltigen Oberherrn zuständig / durch die Sünde aber hat der böse Feind diese Müntze gefälschet / und ein Bild / das ihme gegleichet / darauf geprecht / dessen Uberschrift: Unheiligkeit und Ungerechtigkeit / der heischet nun diesen Zinßgroschen / als ein Gebühr seiner Bottmässigkeit. Hiervon sagt Graf Reinard von Solms / in dem Buch vom Ursprung deß Teutschē Adels am 6. Blatt Die Müntz ist eines Fürsten Glaub / und stehet sein Nam /Wappen / und Siegel darauf / gleich wie auf einem Brief / als eine gerechte und gute Waar. Die Türken haben auf ihrem Geld keine Figuren / sondern es stehet auf einer Seiten / Atajat, Saffiat Sulthaamat Morat Chan. Zu Ehren und Lob der Seelen deß Soldan Mahomets / der das Kaiserthum zu Constantinopel erobert hat. Auf der andern Seiten ist zu lesen der Kaiser und die Jahrzahl / wann die Müntz geschlagen oder gegossen worden.[507]

2. Bey allen wolgeordneten Regimenten / ist nun falsche Waar und falsche Müntze / bey Lebens Straffe verbotten / und wie solche Müntzbrecher mit dem Feuer und schmeltzen sich verschulden: Also sollen sie auch durch das Feuer todt / oder wann sie es lang getrieben / lebendig verbrennet werden. Von einem solchen Gesellen sol nachgehende Geschichte Meldung thun: darbey sonderlich zu beobachten / wie eine Sůnde sich mit der andern verknüpfet / und wie ein unruhiger Gast ein böses Gewissen sey.

3. Johann von Ligoure / ein Frantzösischer Edelmann / hatte in seiner Jugend viel Anzeichen der Tugend verspüren lassen / mit zuwachsenden Jahren aber ein böses Leben gefůhret / und ein erbärmliches Ende genommen. Dieser liesse sich von einem Marktschreyer bereden / daß man Gold machen / und durch diese Kunst reich werden könne. Er kauffte alle Geretschafft und suchte Gold / wo es nicht war: Beredete auch seinen Schwer-Vater / einen alten geitzigen Mann / daß er Unkosten aufwendete / und von dieser Arbeit zu einer andern viel sträflichern / nemlich den Müntzfälschen verleitet wurde.

4. Dieses kunte nicht gar verschwiegen bleiben /weil der Betrug durch vieler Hände gehen musste /daß endlich der Alte in das Gefängnis gestecket / Johann Ligoure aber in die Flucht gejaget wurde / weil er wusste / daß die Schergen auch an ihn Hand zu legen befehlt waren. Als er nun flüchtig gehet / vertrauet er sich einem Meßpfaffen / einem Ertzbuben /dem er auch von seinem Kipper-Geld einen guten Antheil gegeben / und der auf seinem Schlosse die Werkstatt / die Müntzen zu beschneiden / und zu verfälschen anrichten helffen.

5. Als er ihm nun die Gefahr eröffnet / und zu solchem Ende mit ihme hinaus auf das Feld spatzieret /hat ihme der Pfaff erwiesen / daß seine Haußgenossen / Weib und Kinder / welche darum wissen müssen /wider ihn zeugen / und ihn in Gefängnis und ům das Leben bringen möchten: wann aber selbe aus dem Wege geraumt / so könne er von niemand beschuldiget[508] werden. Der Edelmann hatte sein Weib und Kinder lieb / lässt sich aber doch beschwätzen / daß er die eigne Liebe aller andern fürziehet und verwilliget /daß der Ehrwürdige oder vielmehr Galgenwürdige Pfaff / seine Haußgenossen ermorden / und das Schloß mit Feuer anstecken solte.

6. Nach solchem Befehl nimmet der ungeistliche geistliche noch einen Henkers-Buben zu sich / und verfüget sich in das Schloß / da die edle Frau mit ihren Kindern für dem Feuer sasse / und das kleinste von denselben / aus dem Holtzreussig vier Kreutzlein machet / eines der Mutter / das andre ihrer Basen /das dritte seinem Brüderlein / und das vierte für sich behaltend / begehret sie solten solche in den Händen haben / wann sie itzt sterben würden. Wie solches der kleine Junge gesehen / und zu dem Schloß hinaus gehend / den Pfaffen mit seinen Mörders-Buben begegnet. Diesen hiessen sie an dem Thor warten / mit vermelden / daß der Herr unterwegs und also bald hernach kommen werde / wie er auch gethan / nachmals aber / als er das Geschrey vernommen / sich unter einen Scheffel verborgen / und also sein Leben gerettet.

7. Diese unbarmhertzigen Mörder kamen in das Zimmer / durchstochen die Frau / die Jungfrau / welche zu dem Fenster hinaus springen wollen / und die unschuldige Kinder / daß sie auch nicht zeit hatten zu beten / und sich Gott zu befehlen. Nach deme solche erschreckliche That vollbracht / suchten sie auch den kleinen Jungen / konten ihn aber nicht finden / weil er sich / wie gesagt / verkrochen / steckten deßwegen den Brand in das Schloß und verhofften / es solte alles in dem Feuer aufgehen / wie zum Theil geschehen / weil sie die Thüren verschlossen / und auch der Laquay mit dem andern Opfer verbrennen / oder /wenn er entloffen / keine Zeugnis an ihn geben können.

8. Der Edelmann verhoffte / daß man durch dieses Feuer wähnen solte / es were aus Unfürsichtigkeit außgekommen / und sein Hauß also mit den Leuten /und der Müntzstetten verbronnen. Sein Gewissen aber hat ihn getrieben / daß er der Mörder[509] nicht wieder erwartet / sondern die gantze Nacht fortgegangen / und seinen Weg auf Genf zu genommen / von dar sich nach Lousanna begeben / weil er sich fast aller Orten / wie einer der ihme böses bewust ist / gefürchtet /und die Sicherheit in der Flucht gesuchet. Die Thäter aber sind in Frankreich verblieben / wie hernach folgen sol.

9. Als nun gegen Morgens das Feuer und der Rauch in dem Schloß überhand genommen / haben die Benachbarten so viel möglich gerettet / und die todten Leichnam halb verbronnen aus dem Feuer gezogen / ja befunden / daß die edle Frau schwanger gewesen / und an ihr ein doppelter Todtschlag begangen worden. Diese unerhörte That ist landkündig / und wird noch in den Limosinischen Gerichts-Büchern gefunden / wie solche theils der Laquay / theils die jenigen / welche das Feuer geleschet / außgesagt. Es haben auch solches die Thäter bekennet / welche bald hernach gefangen / und lebendig gerädert worden / die der Scribent / selbst gesehen zu haben / vermeldet.

10. Der König in Frankreich wird berichtet / daß Johan von Ligoure nach Genf entflohen / schreibt deßwegen dahin / und bittet ihn gefänglich anzunehmen / er ware aber eben den Tag zuvor / von dar nach Lousanna gewichen / aldar er von den Herren von Bern erkundschafftet / und in Verhafft gebracht wor den. Der König begehrte durch seinen Gesandten inständig / man solte ihm diesen Gesellen lieffern / welcher sich an seiner Majestät freventlich vergrieffen: Die Herren Schweitzer aber haben darzu nicht verstehen wollen / sondern ihn / wiewol sie nur von dem Müntzen gewust / zum Schwert verurtheilt.

11. Als nun dieser böse Mensch sich in dem Gefängnis zu der Calvinischen Religion bekennet / hat man einen Graben zween Schuhe tief gegraben / ihn darein gestellet / und bevor der Henker den Streich vollbracht / hat er bekennet / daß er sein liebes Weib /und seine unschuldige Kinder ermorden lassen / und deßwegen einen viel schmertzlichern Tod verdienet[510] hette / ist also nach verrichten Gebet zu Gott / willig gestorben / und hatte sich mit vermeinter Sicherung seiner Person / in noch viel grössers Unheil gesetzet.

12. Unter allen Satans Stricken /

die der Menschen Seel berücken /

ist der stärckste Geld und Gut:

Welche sonst unsträflich wallen /

machet dieser Fallstrick fallen

in die helle Höllen-Glut.

Besser ist in Armut leben /

als in Sünden Greuel schweben.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 507-511.
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