(CXLVIII.)

Der gestraffte Zweyzůngler.

[521] Jener sagte / daß ein ehrlicher Mann seyn / das beste Handwerck / welche aber darauf studieren / können bey Hofe nicht einkommen. Ob nun wol die Falschheit ins gemein ihre Freystat hat / so finden sich doch auch solche Fürsten-Höfe / von welchen Tugend und Redligkeit nicht außgeschlossen wird. Die Verleumdung und Affterrede ist fast aller Orten gemein / und wie aller Orten dieses Laster im Schwang gehet / also kan es auch zu Hofe / und von denselben zugethanen /nicht gesondert werden. Weiln aber die Hofleute in viel grössern Ansehen / als sonsten schlechte Leute /werden auch ihre Fehler mehr beobachtet.

2. Dieses beglaubet auch mit seinem Exempel Basilio / (unter diesen Namen wollen wir einen listigen Zweyzüngler bergen) ein bey Hof wolverdienter Herr /dem ein Provintz und Landschafft zu regieren anvertrauet worden. So bald er die Anwaltschafft seines Königs angetretten / hat er unter den Edelleuten und gemeinen / wie auch sonsten den Adel unter sich in Fried und Einigkeit gefunden / welches ihm verdächtig und befahret / das solcher Fried zu seinem Nachtheil außschlagen möchte / damit er nun den Leuten anders zudencken / und seiner zuvergessen Ursach gebe / hat er den Samen der Uneinigkeit Zwist und Zankes alles Orten außgestreuet.[521]

2. Bey diesen wolte er nun fůr einen Fried- und Schiedsmann angesehen seyn / und begierig das Feuer außzuleschen / daß er heimlicher weise aufgeblasen. Dieses hat er meisterlich / und klüglich angebracht zwischen Rosin und Larno zween vornehmen Landherren / welche in grosser Vertreuligkeit und Nachbarschafft mit einander gelebt / und lieber einen andern an Basilii Stelle hetten sitzen sehen / weil sie wusten / daß er mehr mit List / als durch Verdienst zu dieser Hoheit gelanget. Basilio suchte diese bey dem Adel wol angesehene auf mancherley weise zu trennen / weil er erkundschafftet / daß sie etliche harte Wort wider ihn hatten schiessen lassen.

3. Als sie nun beede in der Haubtstatt seines Gebiets / stellet er einen vertrauten Diener an / daß er über der Tafel vermelden solte / wie Rosin deß Larno Freundschafft suchte / dieweil er seiner Gemählin nicht feind war. Als solches beschehen / stellet sich Basilio / als ob er grosses Mißfallen über dieser Rede: sagend / daß Larno Gemählin zu ehrlich /Rosin aber zu verständig / solches Lügengeschrey /(daß er doch Sagern in den Mund geleget) wahr zu machen. Andre Anwesende nahmen daher Gelegenheit von der blindē Liebe / von Unbeständigkeit der Weiber / von der Gelegenheit Böses zuthun etc. also zu reden / daß der Verdacht zu Larno Spott außgeschlagen.

4. Nach dem nun Basilio diesem Gespräch lang zugehört / gebietet er ihnen still zu schweigen. An Basilio Tafel fande sich einer von Larno vertrautsten Freunden / der den Verlauf dieses Gesprächs ümständig angemeldet / und wie Basilio sich seiner eiferig angenommen. Den Urheber aber dieser Affterreden wolte er nicht namhafft machen / weil er ihm selber mit Blutfreundschafft zugethan / und Larno mit Leib und Leben beyzustehen versprochen. Larno war ein zorniger Mann / ergrimmte und gelobte diese Beschmitzung zu rächen / gegen Basilio aber sich danckbarlich zu bezeugen.

5. In dem er nun bey sich betrachtet / was unter ihm und Rosin vorgegangen / beduncket ihn / er sey[522] von seiner Gemahlin betrogen / und lässet den Rosin sagen: er wolle ihn erwürgen / wo er ihn antreffe. Rosin lachet diese Bedrohung / und weilen ihm die Ursachen unbewust / konte er auch keine Entschüldigung dargegen einwenden: Antwortete aber / daß er keine Ursache habe Larno zu fürchten / und müsse der aufsetzen / der spielen wolle: wie man in den Wald schreye / so laute es wieder.

6. Dieses erfreute Basilio in dem Hertzen / und verspricht Rosin mündlich / ihm / als dem beleidigten Theil bey zu stehen: dem Larno aber lässet er fürschwetzen daß die Sache seines Weibs / und seine Ehre betreffe: Rosin werde die außgestosnen Wort wiederruffen můssen / oder er solche Befleckung mit Blut abwaschen etc. Beede Theile machen ihnen einen grossen Anhang / und war fast kein Edelmann / der nicht auf eines / oder deß andern Seiten einen Antheil bey dieser Strittigkeit haben wolte.

7. Basilio setzte ihm ein solche Rechnung auf: welcher unter diesen beeden ům das Leben kommet / dessen Güter bitte ich bey dem König aus / und ich habe einen Feind weniger in dem Leben / den andern in der Flucht / beeder Vermögen in meinen Händen / von welchen ich zum wenigsten einen guten Theil behalten werde. Aber weit / weit gefehlet: Solche Anschläge sind wie die Primier Karten / sie gelten mehr als sie weisen so lang man spielt.

8. Colombin / ein verständiger junger Edelmann /der beeden streitenden Theilen mit Blut und mit Freundsafft war zugethan / und bey ihnen aus und eingienge / hatte in diesem Zwist in acht genommen /daß Basilio bald einem bald dem andern Theil ab- und zugeleget: fügte sich deswegen zu Larno und wolte ihn bereden / er solte sich nicht übereilen / und die Grund-Ursache dieses Hasses mit reiferem Nachdencken erforschen: es werde sich die Sache anderst geredet / oder anderst gemeint befinden. Larno wolte hiervon nicht hören / weil ihme seine Gemählin in den Ohren lage / er solte ihre und seine Ehre retten: Rosin berühme sich (also hatte der[523] Wiederlaut dieses Gerücht verdoppelt) dessen / daß er niemals gekostet: diese Schmach sey bitterer als der Tod etc.

9. Als nun Colombin dieses Orts nichts außrichten kan / findet er sich zu Rosin / und erkündiget / ob die Ursache ihrer Feindschafft Grund und ob ihn Larno Gemählin zu viel begünstiget. Rosin vermeldet hochbeteurlich / daß er von dieser Frauen nichts als Ehre und Tugend zusagen wisse / und sey noch ihr noch ihm dergleichen sündliche Gedancken zu Sinne gekommen / er wolle aber keine Zagheit von ihme sagen lassen / und beruhe die Beleidigung in den Drau-Worten / so ihme Larno zu entbieten lassen. Hierbey erzehlte er / wie Basilio ihm Hůlff und Beystand zu leisten versprochen.

10. Columbin versetzte / daß dieser Zweyzüngler Larno gleichsfals beyzustehen vertröstet / und also geleiteten diese beede auf die Spur / die Anstifftung der Ehrenrürigen Verleumdung komme von Basilio her. In dem fügte sich / sonders Zweiffel aus Gottes Schickung / daß eben der / welcher anfangs bey Basilio / über der Tafel die verdächtige Rede / von Larno Gemählin schiessen lassen / darzu gekommen. Sie hielten ihn deßwegen zu Rede / er laugnet darfůr: als ihm aber Rosin das Pistol an die Brust setzte / bekennet er / daß er solches auf Basilio Geheis sagen müssen: Bittend / man solte solche seine wahre Nachrichtung verschwiegen halten / welches ihme auch versprochen worden.

11. Larno höret diese Hinterlist / von dem Ursacher beederseits erwachsener Feindschafft selbsten an /und hierüber verbinden sich diese beede mit vertreulichster Freundschafft. Dergleichen Hofrenke erfahren sie mehr / lassen darüber glaubwürdige Urkunden fertigen / und bringen bey Hofe zu wegen / daß Basilio der Fried- und Ehren Feind dahin erfordert / und vielleicht von seinem Dienst gesetzet worden were / wann ihn nicht auf der Jagt ein wildes Schwein geschlagen /daß er nach etlichen Wochen zu Grabe getragen worden.[524]


12. Was die falsche Zungen /

zum Betrug gedrungen /

das ist offt mißlungen /

Alten und auch Jungen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 521-525.
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