(LIV.)

Die tugendsame Frau.

[546] Die H. Schrifft vergleichet einen unbeständigen mit einem Mann / der sein Angesicht in den Spiegel beschauet / und darvon gehend seiner Gestalt vergisset. Der Spiegel selbst ist eine Bildung der Unbeständigkeit / in dem er (wie die Spiegelkünstler wissen) den Gegenschein bey jedem Augenblick / und der geringsten Bewegung verändert. Weil wir nun hier eine Weibsperson zu einem Spiegel der Beständigkeit aufstellen / wolle der verständige Leser sich mit keinem frühzeitigen Urtheil übereilen / und solches nicht als einen gläsernen / sondern als einen stälern Spiegel zu betrachten geruhen.

2. In der Landschafft in Franckreich / welche Provence genennet wird / und mit Welschland grentzet /hielte sich Guidowald ein grosser Herr / welcher eine fast fürstliche Hofhaltung mit fürstlichen Schulden führte. Er wolte in dem gantzen Land der vornemste /und von dem ältsten Geschlechte seyn / und sein Ansehen durch viel Diener und Kleiderpracht handhaben / ob ihm gleich der Verlag zerrahne.

3. Dieser suchet nun ein reiches Weib / die ihm und seinen Schüldnern genug thun solte / möchte aber unter seines Standspersonen keine finden / die seinen Schüldnern die Hand füllen konte: massen der Edelleute Güter (wie bekant) dem ältsten verbleiben / welcher Wolthätigkeit die andren Geschwistrige erwarten müssen. Dieses Vorsatzes machte er sich an Flaviam /eines sehr reichen Kauffherrens Tochter / welche nur eine Schwester hatte / die gleichfals an einem Edelmann ist verheuratet / und von Benjamin ihrem Vater reichlich ausgesteuret worden.[546]

4. Ob er nun wol nach und nach grosse Summen von seinem Schwervater empfangen / hat er doch alles in einen löcherigten Beutel geleget / und mit sich wieder lassen aufgehen. Viel verzehren nichts erwerben sagt das Sprichwort / ist die Strasse zum Verderben. Der Schwervater hatte ihm mehr hinausgegeben / als er versprochen und zu thun schüldig gewesen / welches doch alles wieder aufgegangen / darzu Flaviana willig und gedültig stillgeschwiegen.

5. Dieser Guidowald war ein stoltzer und übermütiger Mann / daß er sein Weib ohne Verachtung nicht konte anschauen / weil sie nicht seines gleichen der Ankunfft nach. Das / was er liebte hatte er empfangen und bereit durchgebracht: Das / was er nicht liebte /musste er wieder seinen Willen behalten. Die Verachtung und Scheldworte waren unaufhörlich wieder sie ausgestossen / und ihr aufgerucket / daß er sein hohes Herkommen mit solcher Heurat vernachtheilt / daß ihre Freundschafft mit seiner nicht zu vergleichen /daß ihr Vater nur ein Kaufmann / etc. »Wann der Adel von Tugend herkommet / war ausser zweiffel diese Tugendsame Frau / viel ädler als ihr lasterhaffter Mann.«

6. Hie liesse sich auch ihre Tugend und Beständigkeit sehen / in dem sie ihm mit demütiger Bescheidenheit geantwortet / er solte sie nur für seine geringste Magd und Dienerin erkennen / und ihr bedeuten in welchen Stücken sie ihr Gebůhr verabsaumte. Daß sie von schlechten Eltern geboren worden / sey ihr nicht beyzumessen / und ihme / als er sie gefreyet / nicht unwissend gewesen. Je mehr sie sich aber gedemütiget / je übler er sie gehalten / und so gar sich andrer Weibspersonen bedienet ihren Schmuck denselben geschenket / sie in seinem Hauß / in ihrer Gegenwart unterhalten / und ihr alles / was er nur gekönt zu Verdruß gethan.

7. Dieses hat sie mit solcher Sanfftmut erduldet /daß zu zweiffeln / so es dergleichen Weiber noch in der Welt zu finden. Sie war bereit in ein[547] Kloster oder in die Gefängnis zu gehen / und ob wol Flaviana Vater / wieder Guidowald bey dem Ehegericht zu klagen gemeint / und umb die Scheidung zu Tische und Bette in ihren Nahmen anhalten wolte / hat doch Flaviana darein nicht willigen wollen / sondern ihren unartigen Mann entschuldiget / daß er noch jung / von bösen Leuten verführet werde / daß er mit dem Alter sich bessern würde / etc.

8. Das Unglück / sagt die Schrifft / wird von dem Hauß deß undankbaren nicht weichen / wann es auch nicht also balden einkehret. Dieses fande sich auch bey Guidowald dergestalt: Er wolte der vornemste unter den Edelleuten seyn / und in den Zusammenkunfften oben an sitzen. Darwieder setzte sich Suran ein andrer Edler / der den Königlichen Statthalter auf seiner Seiten hatte / daß dieser Stoltze zu rücke treten müsste.

9. Hierüber kamen sie von den Worten zu der Befedung / und hatten breit Ort und Zeit benamet / üm diese Ehren Stelle zu fechten. Suran war nicht weniger willig darzu / als sein Gegner: der Statthalter aber gebote ihnen Fried / und liesse sie mit seinen Soldaten verwachen / daß sie nicht möchten zusammen kommen. Hierdurch wurde nun deß stoltzen Guidowalts Bestraffung aufgeschoben / aber nicht aufgehoben.

10. Er führte auf einem Dolchen diese Wort: Ich schone Niemands / diesen besahe er / und ließ ihn ungefehr aus Unfürsichtigkeit auf den Fuß fallen / daß also dieser Dolche auch seines Herrn selbsten nicht verschonet. Ob es nun wol nicht ohne Schmertzen abgienge / wurde er doch wieder heil / und gedachte sich an seinem Feinde zu rächen. Hette ihm aber solche Verwundung eine Anzeigung ferners Unheils sollen seyn lassen.

11. Als nun auf eine zeit bey voller Zusammenkunfft / Guidowald und Suran wegen deß Vortritts zu streiten kamen / ergrimmte dieser Stoltzling / entblöste den Degen / und durchstache Suran bevor der andre von Leder zoge. Der Königliche Statthalter[548] nahme diesen Frevler also balden gefänglich an / und weil er zuvor wegen seines Hochmuths übel angesehen war /(massen solcher Gott und Menschen ein Greuel ist) wurde ihme ein Rechtstag angesetzet / und das Haubt für die Füsse geleget.

12. Bevor solches geschehen / hat Flaviana bey Hofe allen Fleiß angewendet / ihren Mann bey dem Leben zu erhalten / aber vergeblich / denn Gott sie von diesem Unmenschen / welcher sie täglich / ja stündlich betrübet / erlösen und befreyen wollen. Den Tag nun / als er hingerichtet worden / ist sie in ein Kloster gegangen / und hat zuvor ihren einigen Sohn /welchen sie in ihrem betrübten Ehestand erzeuget /ihrem Vater anbefohlen.


Es sind drey harte W / das Weib' / die Würd' / und Wein /

Doch sind sie wehrt geacht / wann sie ohn Laster rein.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 546-549.
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