(CLXIII.)

Der vermeinte Ehebrecher.

[581] Von den Papageyen ist bekannt / daß sie grosses belieben an den Spiegeln haben: so gar / daß sie zu ihrer Gestalt in den Spiegel eilen / und ihres gleichen siehen lassen. Fast solcher Arte sind die Ehebrecherin:[581] ihren Ehegatten lassen sie / und lauffen nach einem nichtigen und flüchtigen Schein der eitelen Wolluste /welcher sich mit dem bald gebrechlichen Glaß wol vergleichen lässet. Ob wir nun von solchem Laster unterschiedene Erzehlungen beygebracht / wollen wir doch / weil solches die ümstände ändern / noch ferners davon melden.

2. In Ungern war ein adeliche Jungfrau / welche sich wieder ihrer Eltern Willen mit einem Namens Slonsky heimlich verlobet / jedoch mit ihme in Ungebühr nicht zugehalten / weil sie verlanget ihre Sachen ehrlich und ehlich auszuführen / und wol gewust / daß bey so sündlichen Anfang ein unglůcklicher Ausgang zu befürchten. Wolte Gott alle Verliebte bedächten das End so wol / so würden sie nicht so viel sündigen.

3. Ihre Eltern wolten diese Heurat nicht zulassen /aus Beysorge / daß ein so schlechter Gesell als Slonsky ihre Tochter nicht würde ernehren / und ihrem Stande gemäß unterhalten können / ob er wol ihr an Herkommen / nicht ungleich. Als sie nun auff eine zeit Ceciliam (also wurde diese Jungfrau geheissen) auf ihr Landgut geführet / und sie ernstlich befragt /ob sie sich mit Slonsky verlobt / hat sie / aus Furcht mit Nein geantwortet.

4. Weil man sie nun auf ihr Eid und Gewissen gefragt / hat sie geschworen sie habe ihm so viel verheissen als dem Bettler für dem Hauß / welches eben ihr Liebster in Bettlers Kleidern war. Auf dieses Wort ist sie nun wieder ihren Willen mit Magno einem alten Ungerischen Herren vermählet worden / welches Tod sie ehst verhoffet / und alsdann sich mit Slonsky zu verheuraten erwartet. In dieser Anwartschafft unterhielten sich diese beede mit Gespräche unn Briefwechsel / nicht wehnende / daß solches solte offenbar werden.

5. In den Geistlichen Rechten ist heilsamlich versehen / daß ein Weib den nicht freyen kan / mit welchem sie sündlich zu gehalten / oder welchen sie bey[582] Lebenszeiten ihres Mannes die Ehe versprochen. Dieses Orts aber hette vielleicht das erste Gelübd / welches sie gethan / bevor sie Magno vermählet worden /gelten können. Doch ist es / wie wir hören wollen /sehr übel ausgeschlagen.

6. Magno war mit der Eifersucht behafft / aus dieser einigen Ursache / weil sein junges Weib mit Slonsky in Geschrey / daß sie Heuratsleute mit einander gewesen / und vielleicht nach seinem Tod wieder werden möchten. Daß er in gestalt eines Betlers herum gehe / wurde ihm angesagt / und daß sein Weib mehrmals mit dem Bettler zu reden pflegte / das war ihm verdächtig: trachtete also der Sachen Grund zu erforschen / und stellte sich sehr krank / daß er nicht aus dem Bette weichen konte: seinem Diener befehlend /so offt ein Bettler komme solte man ihm solches ansagen / weil er ein Gelübd gethan / keinen sonder Almosen hinweg zulassen.

7. Es fügte sich nun zu allem Unglücke / daß Slonsky in seinen Bettlerskleidern sich auf Magno Schloß Abents einfindet / von Cecilia zu vernehmen / ob ihm der Alte nicht schier Platz machen würde / weil sie ihn berichtet daß er krank. In deme nun diese zwey mit einander Sprach halten / schleicht der vermeinte Kranke aus seinem Bette / höret alles was sie sagen /und kan daraus nicht anderst schliessen / als daß er von seinem Weibe verachtet wäre / welches ihr doch nicht zu Sinne gekommen. Ergrimmet also ůber sie und haut sie mit seinem Sebel zu Boden / ohne befragen / ob ihr recht oder Unrecht geschehen.

8. Den Slonsky aber / welcher auch die Gelegenheit bösen Verdachts hette meiden sollen / ließ er in die Fußeisen schlagen / und in ein tieffes Gefängnis werffen? entschlossen ihn darinnen mit Hunger und Durst üm das Leben zu bringen. Ob sich nun dieser entschüldigte / daß er nichts böses volbracht / so wurde doch sein schreyen nicht angehört / und das entschlossne Urtheil vollzogen. Damit er aber ja den Tod empfände und ihme seine Hungersnoth schmertzlicher[583] gemachet würde / hat Magno befohlen ihme täglich zu gewissen Stunden / von Fleisch und andern Speisen für die Nasen zuhalten / dessen er doch wie Tantalus nicht geniessen können.

9. Diese Aushungerung hat biß auf den sechsten Tag gedauret / daß er endlich abkommen von Kräfften / und ist den siebenden Tag todt gefunden worden /nach deme er zuvor das Fleisch an seinen Armen gefressen / und noch darvon zwischen den Zähnen gehabt. Magno aber ist über dieser Sache / als er aus den Briefen nicht abnehmen können / daß würckliche Unehr zwischen seinem Weib und Slonsky vorgegangen / in eine Schwermut gefallen / und hat in der Raserey sein Leben aufgegeben.

10. Man liesset auch von einem Edelmann in Thüringen / daß er seinen Ehebrecher biß auf den eilfften Tag von dem Geruch der Speisen unterhalten / biß er endlich nach und nach abgezehret und gar verhungert. Als solches der Obrigkeit kund worden / haben sie den Edelmann mit dem Schwert richten lassen / weil er in ihr Ambt gefallen / sich selbst gerecht / und gar zu tyrannisch mit ihm verfahren.

11. Die Naturkündiger fragen / wie lang der Mensch ohne Speise leben könne / und wie der Leib abzunehmen pflege. Das erste belangen ist ausser allem Zweiffel / daß ein starker und leibiger viel länger der Speise wird entrahten / als ein Dörrer und Magerer / weil er weiniger Feuchte in dem Leib hat. Ist also auf diese Frage nicht wol eine durchgehende Antwort zu finden. Wie aber der Leib abnehme / ist offenbar / daß erstlich der Magen zusammen schnorre /darnach alles Ingeweid und die innerlichen Nahrungsköche / als Lebern / Lungen / etc. nach und nach abzehre / und endlich das Hertz / welches am ersten lebt / und am letzten stirbt / allen Kräfften entnommen /breche.

12. Seneca sagt / daß die Natur hierinnen sehr weißlich gehandelt / in dem sie dem Menschen gar ein geringes zu seines Lebens Unterhalt verordnet / nemlich ein wenig Brod / und ein wenig Wasser. Die[584] Natur / sagt er / heischet wenig / der Wahn aber viel. Mehr sind aus übermässigen essen frühezeitig gestorben / als aus Mangelung Hungers und Durstes. Die Lehre aus obiger Erzehlung kan folgende seyn:


Wer wil fliehen Angst und Leid

meide nicht nur selbst die Sünde /

sondern die Gelegenheit

die aus klugen machet blinde.

Es ist / wie wir täglich schauen /

auch den Frömmsten nicht zu trauen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 581-585.
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