(CLXIV.)

Die Verschlinger.

[585] Es sagt jener / daß das helle Wasser der beste Spiegel / als in welchem man nicht nur seine Fehler sehen /sondern auch selbe zugleich abwaschen könne. Hiermit werden gute Freunde verglichen / welche deß Nechsten Fehler bescheidentlich anmelden / und entweder darvon abmahnen / oder ihm mit Raht und That beystehen. Ein solches Spiegelwasser sol auch seyn das Exempel welches uns von Bösem ab / und zu Gutem anmahnet / nach dem gemeinen Sprichwort:


Der ist recht und wolgelehrt /

der sich an andrer Schaden kehrt.


2. Hier wollen wir erzehlen in was Gefahr und jämmerlichen Tod sich die jenigen gestürtzet / welche aus Kurtzweil / Fürwitz oder andern zu gefallen unnatürliche Sachen verschlungen; allen jungen Leuten zu wolgemeinter Erinnerung / daß sie doch in solchen Gesundheit trinken und andern nachahmen / bedachtsam in acht nehmen / und bedencken sollen / daß eine Viertelstund / ja ein Augenblik / sie in lang bereuchliche Schmertzen stürtzen könne.

3. Zu Dusseldorff war ein Kauffmanns Frau / welche ihr Kind wolte anlegen / und hatte zwo Stecknadeln[585] in dem Munde. Das andre Kind gehet nahe zu dem Feuer / als ob es wolte hinein fallen: darüber fängt sie an zu schreyen und dem Kinde zuzulauffen /daß sie die Stecknadel hinein schlucket / und grossen Schmertzen darob empfindet. Man gabe ihr Fleischbrůhe zu trincken / damit schwemte sie die Nadlen biß zu dem Mundloch deß Magens / und vermehrte ihre Schmertzen. Man hat ihr Bier mit zerschmoltzner Butter und geweichten Weitzenbrod eingegeben / dadurch hat sie nach zweyen Tagen die Stecknadel mit dem Wasser von ihr gelassen / ist aber bald hernach gestorben.

4. Zu Rouan in der Nordmandia hat ein Abenteurer gesagt / daß in dem Oxen Fůssen kein Bein wäre /und gewettet er wolle einen verschlingen: als er nun solches laisten wollen / ist ihme der Fuß in den Hals stecken verblieben / daß man solchen nicht heraus /noch hinab bringen können / und hat also neun Tage ohne Rede in überaus grossen Schmertzen zugebracht. Den zehenden Tag ist er gestorben / hatte das Angesicht abscheulich aufgeschwollen / und ist also zu einem Scheusal worden aller die ihn gesehen / und den Finger Gottes über ihn erkannt.

5. Ein Schuster ist alhier zu Nürnberg an einem Hünnerbein / welches ihm in dem Hals stecken ge blieben / jämmerlich ersticket / in dem ihm der Hals verschwollen und man das Bein noch hinter sich /noch vor sich bringen können: daß also sein gesunder Leib nach und nach abzehren / und schmertzlichst verhungern müssen.

6. Ein Rittmeister Namens Spatz / hat auf seines Obersten Gesundheit etliche Stücklein von einem zerbrochnen Glas hineingeschluckt. Von derselben Zeit an aber kein gesunde Stund gehabt / und hat also mit grosser Reue seinen Geist aufgegeben.

7. Zu Noeumegen hat einer zu Osterlicher Zeit ein rotes Ey gantz wollen hineinschlucken / es ist aber das Ey zu groß / und sein Hals zu klein gewesen / daß er also bald daran ersticket. Wierus l. 4. de Præstig. cap. 2.[586]

8. Bernard de Noris ein Mantuanischer Edelmann /seines Alters 77. Jahr / hat auf eine Zeit ein stück Fleisch / das hart und äderig gewesen / eingeschlucket / welches ihm aber in dem Hals stecken blieben / und aldar mit grosser Hinterung deß Odens verfaulet / daß er in sieben Tagen noch Speis noch Getrank zu sich nehmen können. Als nun das Fleisch ab- und in den Magen kommen / hat er zwar eine Leichterung verspüret / weil sich aber der Hals entzündet / und er gantz verhungert / hat er den vierzehenden Tag hernach das Leben einbüssen müssen.

9. Zu Harlem hat ein Fischer drey Fische / welche wir Großhaubt (goujons) nennen lebendig verschlingen wollen / ist aber an dem dritten ersticket.

10. Von den Weibspersonen findet man / daß sie vielmals Nadel und Steckhäfftlein verschlungen / welche theils wieder genesen / theils daran gestorben. Eine Hofjungfrau zu Sultzbach sahe sich in dem Spiegel / und hatte etliche Küffen zwischen den Zähnen: Ein Edelmann wil sich mit ihr vexiren / und stösset sie mit den Fingern in die Seiten / darüber thut sie den Mund auf /und schlucket die Kuffen hinein. Nach etlichen Tagen sind sie unter sich wiederum von ihr gekommen.

11. Zu Chartres hat ein Weib eine Nadel eingeschluckt / und ob man ihr zwar vielerley Mittel gebraucht / hat doch keines anschlagen wollen / sondern hat nach Verlauff etlicher Monaten / mit Schmertzen ihren Geist aufgegeben.

12. Zu Prag ist ein Fresser / der eine Elendshaut /einen Hund / ja ein Pferd lebendig gefressen / und hab ich solches von glaubwürdigen Personen gehört die es also erzehlet. Das Pferd war ein Folle von anderthalb Jahren / darauf setzte er sich ruckwarts / beisset erstlich den Schweif herab und wirfft ihn hinweg: darnach fänget er bey dem Hintern an / und frisset das gantze Pferd mit Haut und Haar / mit allem Ingeweid / ja das Hirn gar aus dem Haubt / die Gebeine aber wirfft er hinweg. Solches thut er gegē Bezahlung 10. oder 12. Ducaten / so oft man wil.[587] In dem er solches oder dergleichen aufgezehret / trinkt er oft darzwischen allerley Getrank. Dieser hat sich auch vermessen einen lebendigen Menschen samt seiner Kleidung zu essen /wann er das Eisen / als Sporn und Degen würde von sich legen. Vermutlich geschiehet solches nicht sonder Verblendung.


Wer vermessen Gott versucht /

und an stat der Nahrungsfrucht /

isset von unreinen Dingen /

wird ob sich die Straffe bringen:

Wie dort Adam ward verflucht /

samt der gantzen Menschen Zucht /

daß er sich nicht können zwingen /

und verbottne Frucht gesucht.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 585-588.
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