(CLXXI.)

Der Ertzbub.

[612] Es streiten die Meister der Seekunst / ob in dem Spiegel die Veränderung der Bilder also beschehe / daß jedesmals ein neues Bild sich gestalte / oder ob das erste Bild sich nur verkehre / nach deme sich die Person für dem Spiegel beweget. Die meinsten behaubten / daß sich nach jeder Bewegung ein anderes und neues Bild augenblicklich vorweise / und hat der Spiegel gegen dem Gemähl diesen Vorzug / daß jener alle /dieses nur eine Stellung erkennen machet. Die nachgehende Erzehlung wird einen solchen Schalksspiegel weisen / daß ein Ertzbub sich in allerhand Personen verstellet / und nicht nur gemeine Leute / sondern den Pabst / Könige / Fürsten und Herren betrogen / zu letzt aber ein Ende genommen / wie alle falsche Spiegel pflegen.

2. Ein Savoyer / welcher sich Jan Allard[612] genennet /hatte sich eine zeitlang zu Genv aufgehalten / und sich genehret mit allerhand Gartenarbeit / weil er aber darbey fast verhungern müssen / ist er durch Teutschland gezogen / und sich endlich in Schweden begeben / da er deß damals regierenden Königs Gärtner worden. Sein fähiger Verstand / seine Geberden und wolständige Sitten / haben diesen Allard so angenehm gemacht / daß er als ein Königlicher Gesander nach Venetig abgeschicket worden.

3. Von daraus raiset er nach Meiland / und beschwetzet den Hertzog von Sesse / (welcher damals Königlicher Spanischer Statthalter war) daß er ihm 5000. Kronen geliehen. Von dar kehret er wieder nach Venetig / und schläget derselben Herrschafft einen Kauff vor / wegen etlicher Schiffe / und grossen Stücke / daß sie ihm 14000. Kronen darauf bezahlen: darvon bezahlt er dem Hertzog von Sesse seine 5000. Kronen / und in dem er zu Meiland Taffel hält / lässet er etliche Reden wieder den Bapst schiessen / darüber kommt er in Verhafft / und wird von dar nach Rom geschicket / da er mit dem Pabst selbst zu reden kommet / und wird nicht allein frey gelassen / sondern ihm auch deß Pabsts nechste Verwandte zu einer Gemählin versprochen.

4. Mit dieser seiner kůnfftigen Gemählin kommet er in so enge Verwandschafft / daß sie von ihme geschwängert wird / deßwegen er das Reiß aus spielen můssen / und ist auf der Tyber mit einem kleinen Rennschifflein listig durch gekommen / und in Frankreich entronnen: da er dem König Henrich von Navarren / und nachmals Königen in Frankreich angebotten / ihme in kurtzer Zeit 5. Millionen Goldes zu zu eignen. Die alte Königin hatte von diesem Geldmittler hören sagen / und Verlangen getragen seines Reichthums theilhafftig zu werden.

5. Zu Rochelle kamen damals etliche Schwedische Schiffe an / und etliche Kauffleute kennten Allard /deßwegen er sich von dar aus dem Staube gemachet /und nach Hofe geeilet / vorgeben / daß ihm der[613] König von Navarren zwingen wollen / er solte ihm sein Geheimnis von den 5. Millionen offenbaren. Zu Hof wird er sehr wol empfangen / und einem Herrn / Namens Clervan anbefohlen / deme eröffnet er / daß er viel Papier von grosser Wichtigkeit zu Rom hinterlassen / welche er durch die Schweitzer wieder zu bekommen verhoffte / und versprache sechtzig tausend Reichsthaler dem der ihm solche Schrifften wieder zu handen bringen würde.

6. Es sagte auch dieser Betrüger / die Statt Nürnberg were ihm samt der Abzinssung neun und sechtzig tausend Reichsthaler schuldig / und hette er auch ein übergrosses Vermögen in Schweden. Es kamen der Päbstischen Schweitzer Gesanden nach Paris / Allard verspricht ihnen guldene Berge / wann er von dem Pabst seine Schrifften durch ihre Bemitlung erhalten würde. Er giebt ihnen eine falsche Schuld Verschreibung der Herren von Nürnberg zum Unterpfand / und verspricht 6000. Kronen zum Verlag der Raise /darzu Ternauld ein Schweitzerischer Oberster von Lucern solte gebrauchet werden.

7. In dieser Handlung hielten ihn alle redliche Schweitzer für einen redlichen Mann / ausgenommen der oberste Pfeiffer / welcher an diesem Allard sehr zweiffelte / und ihn für einen Landfahrer und Storger ansahe. Er sagte daß er dem König gegen Einraumung der Saltzgruben zu Brügge 2. Millionen Franken zu leihen versprochen / dergestalt / daß 16. tausend Kronen von deß verstorbnen Connestabels Gütern / deßwegen er einen Schuldschein in Händen hatte / und den Rest baar. Er redete gut Frantzösisch / Welsch /Teutsch und ein wenig Latein / daß er seine Sachen selbsten werben / und ihm ein grosses Ansehen zu machen wuste.

8. Nach diesem wird er Bürger zu Lucern / hält nichts an allen was er versprochen hatte / schläffert aber doch die jenigen hie und dar ein die mit ihme zu handlen haben / daß sie seinen güldnen Worten trauen / und ihme mit Raht und That beförderlich[614] sind / ja ihm Geld leihen / gastiren / beschenken und in Ehren halten / weil jeder verhoffte durch diesen Gesanden reich zu werden.

9. Inzwischen wird deß verstorbnen Connestabels hinterlassner Wittib angemeldet / welcher massen sich Allard eines Schuldbriefs von ihrem Herrn berühme /darauf sie also bald an die Herrn Schweitzer schreibet / sie solten sich für diesem Betrüger und frevlen Lůgner hůten: weil ihr Herr seeliger kein so böser Haußhalter gewesen / daß er eine so grosse Schuld solte hinterlassen haben. Es fanden sich auch etlich Freunde welche die Herrn Schweitzer gewarnet / und Allard fůr Aalart / das ist / einen schlupferigen Lügendichter angegeben.

10. Das Geld auf die Raise nach Rom solte nun ausgezahlet werden / und Ternault sich auf den Weg machen. Allard sagte daß er ihm solches baar auszahlen wolte / wann er die Gefahr auf sich nehmen wurde / oder er wolte solches nach Lyon wechseln / damit der Schweitzer auch zu frieden war. Der Pabst höret /daß Allard an dem Frantzösischen Hof / und schreibet wegen seiner nach Paris an den König / welcher ihn also bald lässet in Verhafft setzen: da er sich dann wieder heraus geschwätzet / und seinen weg nach der Schweitz fortgesetzet / da er wieder eine falsche Schuldverschreibung von dem Hertzog von Savoyen vorweiset / und Geld darauf aufzubringen suchet.

11. Weil nun dieser Allard nach und nach je länger verdächtiger wird / auch etlichen von den Obersten viel schuldig worden / lassen sie ihn zu Neucastel in das Gefängnis setzen / seinen Sachen ferners nach zufragen. Zu Nachts wil nun dieser Allard sich an dem Tischtuch aus dem Thurn lassen / und hat sich nicht genugsam beobachtet / daß er herab gefallen / und den Hals gebrochen.

12. Dieses ists was ich Eingangs angemeldet / daß dieser Betrüger ein End genommen / wie ein falscher Spiegel / der ungefehr dem aus der Hand entfällt / der ihn gebrauchen wil. Dieser Verlauff ist zu[615] lesen in den Gerichts Büchern zu Neu Castel / und wird erzehlt von Goulard f. 250. des histoires admirables & memorables.


Es fragt ein verschalkter Narr / wo der klügste Mann zu finden?

Ein Kind saget / dieser ists / der sich hütet für den Sünden.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 612-616.
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