(CLXXII.)

Der Diebische Zauberer.

[616] Diese Erzehlung könte mit Fug genennet werden ein Stählerner Zauberspiegel: weil sie handelt von stelen und zaubern. Jener Einfältige hat deß Spiegels Einfassung aufgebrochen / zu sehen / was darhinder für ein Bildnis durch das Glas scheinen möchte / unwissend /daß der Stralen Natur durch den Wiederschein das Vorbild gestalten. Die Diebe und Zauberer sind Spiegel deß Satans / in welchen seine Begierde zu Schaden erscheinet / und werden endlich / durch die Gerechtigkeit Gottes / in den Abgrund der Höllen gestůrtzet.

2. Ein solcher Gesell war Morta / welcher zu unsrer Vätter Zeiten zu Genf sich aufgehalten / und viel übels gestifftet. Er bezauberte die Leute also / daß sich niemand vor ihme hüten / oder ihn zu verdienter Straffe ziehen könte. Ein jeder wuste wol / daß er ein offentlicher Dieb ware / und deßwegen sagte man damals Sprichworts weis: Gott behüte dich für Morta /aber er jagte der Obrigkeit fast selbsten eine Furcht ein / daß sie ihn durch ihre Bediente nicht handfest machen dorffte.

3. Kein Siegel oder Schloß war genugsam ihn zu hindern / doch stellte er sich nur bey denen ein / welche ihn über zwerg ansahen / und sich vor ihm hůteten / suchte auch ein Lob in dem Laster / daß man sagen solte er wer ein künstlicher / kluger und unvergleichlicher[616] Dieb. Deß Gelds achtetet er nicht groß /sparte und samlete auch keinen Schatz zusammen /wie andre / sondern wuste täglich / oder nächtlich / so viel zu stelen / als er von nöhten hatte.

4. Wann er nun einen Streich gethan / hat er fünff oder sechs von seinem Handwerk zusammen geladen /sie gastiret / und auf das köstlichste bewirthet. Dieser Morta (ist ein Savoisches Wort / so viel als mortel oder sterblich) hat die Leute also bezaubern können /daß ihm niemand Wiederstand thun mögen / sondern die jenigen welche er beraubte / wurden als Steine /ohne Stimme und ohne Bewegung.

5. Wann er in eine Behausung gekommen / hat er erstlich ein Liecht angezündet / darnach die Schlüssel zu Kisten und Kästen / auch wol unter deß Herren und der Frauen Haubtküssen / wann sie gleich gewachet / herfür genommen / aufgesperret / Geld und Geldswehrt nach belieben ihm selbst verehret; jedesmals aber aus Kuchen und Keller den gefundenen Vorraht aufgetragen / und sich / in Gegenwart der Haußleute / welche er / wie gesagt / so bezaubert /daß sie ihme nicht wehren können / wol besättiget.

6. Der Schlůssel hat er zwar nicht bedürfft / weil er mit den Fingern alle Schlösser aufsperren können /hat aber selbe genommen / ihme ein hoch diebisches Ansehen zu machen / und jedermann seiner Zauberkunst zu versichern. In den Wirtshäusern wo er zehrte / thäte er keinen Schaden und erfreueten sich die Wirte seiner / und seiner Gesellen / welche an andren Orten / selten aber mit ihme mausen gegangen.

7. Wann er nun die Zeche machen lassen / hat er nie kein Gold bey sich getragen und bezahlt: sondern zu dem Wirt gesagt / gehe hin / in dieser deiner Kammer wirst du das Geld / so viel du gerechnet / und mir noch nicht angesagt / auf dem Tische / oder in dem Bette finden: welches auch bey Heller und Pfenning sich aldar befunden / ob wol dasselbe Zimmer Jahr und Tage verschlossen und nicht bewohnet worden.[617]

8. Er wurde mehrmals in Band und Eisen geschlagen / auch auf der Marterbank peinlich gefraget / daß er seine Bubenstücke bekennen solte: es möchte aber die Warheit aus ihme nicht gezwungen werden. Aller Marter spottete und lachte er: wol wissend / daß man ihme / ohne Bekäntnis / das Leben nicht würde nehmen können.

9. Wann man ihn also in der Frage / mit dem grossen Stein aufgezogen / hat er geschrien und gesagt: noch einmahl wegen aller schönen Weibern / und noch einmahl wegen aller reiffen Jungfrauen etc. hat also sein Gespött getrieben / und keiner Schmertzen empfunden / daß man ihn wieder lauffen lassen / und die Straffe dem höchsten Gott / als Rächer aller Sünden anbefehlen můssen.

10. Als er der Gefängnis entkommen / hat er seine Bubenstücke wieder angefangen / und jedermann einen Schrecken eingejagt: die er anfangs bestolen /haben ihme gute Wort geben müssen / daß ers nicht ärger gemachet. Die Kinder auf der Gassen kennten ihn und schrien ihm nach (Archilarron) Ertzdieb /Ertzdieb / das gefule ihm sehr wol / und hielte solchen waren Namen für seinen Ehrentitel.

11. Sein Tod war nicht so schmählich / als er verdienet / aber wol so grausam / dann die Pestilentz Beulen ihm an dem Halse aufgefahren / daß er noch reden noch schreyen können: seine Mutter fürchtete daß er darvon / und an den Galgen kommen möchte /hat ihn ohne Sarch und Leichtbegängnis halb todt und halb lebendig begraben / wie die Jahrbücher der Statt Genf dieses mit mehrem vermelden.

12. Dieses Ertzbubens Leben giebt eine solche Rähtsel:


Wer war der / der unverholen /

den auch der gewacht bestolen?

Der sich selbsten offt begabt /

und doch nie kein Geld gehabt:

Der die Wirt' an allen Orten

hat für voll bezahlt mit Worten:[618]

Der die Marter hielt für Spott /

wurd begraben vor dem Tod?

Der mir diesen Mann wird sagen /

mag mich / was er wil / auch fragen?

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 616-619.
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