(LXXVIII.)

Der verliebte Alte.

[258] Der Krieg und die Liebe sind nicht für alte Leute. Mars und Venus sind der betagten Feinde / und nicht fähig ihrer Dienste. Es finden sich wol viel tapffere alte Soldaten / wann es ihnen aber an den Kräfften mangelt / können sie ihre Tapferkeit nicht erweisen. Also giebt es auch wol verliebte Alte / wann sie aber wie die weissen Schwanen an Venus Wagen ziehen sollen / so lässet man sie nicht gerne umsonst dirnen /leichtlich aber zu Narren werden.

2. In einer namhafften Statt in Franckreich / an der Sohne gelegen / hielte sich ein sechsigjähriger Mann /welchem in die Jahre der Sünden und Liebeslust solten verlassen haben. Er hatte etliche Kinder / von seinem verstorbnen Weib / unter welchen zwo Töchter mannbar / und zween Söhne bereit erwachsen /[258] die ihme auch von der Keuschheit predigen wolten / er gabe ihnen aber kein Gehör. Bey so beschaffenen Sachen unterliesse Sostenes / (also nennet sich der Alte) nicht sich in Euphroniam eine junge Dirne (dieses Wort wird guter und böser Meinung gebrauchet) zu verlieben / welche mit ihren zweyen armen Brüdern /in der Nachbarschafft wonend / seine Töchter in der Nadel-Arbeit unterrichtete.

3. Bey den langen Winternächten sahe er einsten /und hörte diese Euphroniam mit seinen Töchtern reden und singen / bey ihrer Arbeit: alles mit so guter Art / daß sich dieser Apollo / mit seinen silberstralenden Haaren zu dieser Musa setzte / und nach und nach das Eiß von Liebes flammen zerschmeltzen / und zerfliessen lässet. Euphronia war von Jugend auf wol erzogen worden / und so bald sie diesen Alten von junger Leute Arbeit reden hörte / hat sie sein Hauß gemeidet.

4. Ihre Brüder aber / welche diesen Greisen zu einem reichen Schwager gerne gehabt hetten / und vnd verhofft sich seiner auf allen Fall / mit vorlehen zu bedienen / sagten ihrer Schwester sie solte diesen Nabal nicht also balden abweisen / und betrachten worzu das Geld gut sey. Sie folget dem Raht / und machet den alten Narren noch viel närrischer / jedoch sagte sie ihme / daß sie eine ehrliche Jungfrau und keine Metze / welche hierinnen ihren Freunden folgen wolte / wann er seine Werbung ordentlich würde anbringen lassen / wiewol unter ihren Jahren grosse Ungleichheit / etc.

5. Sostene were zwar gerne zu der andern Ehe geschrieten / fürchtete aber die böse Nachrede / und seine erwachsne Kinder / und daß man auf diesen Kleppern in das Grab zu rettē pfleget. Nach langem bedencken entschliesset er einen Mittelweg anzutretten / nemlich Euphroniam heimlich / jedoch in ihrer Brüder Gegenwart / und beywesen eines Geistlichen zu heuraten / und also bey zu schlaffen / wie auch erfolgt. Nach diesem wolte Sostene Euphroniam so Nachts so Tages bey sich haben / daß man warnemen[259] musste / sie were sein Weib / oder unehlicher Anhang.

6. Endlich bricht Sostene gegen seine Kinder heraus / daß diese sein Weib / und jhre Stiefmutter. So grosse Freude nun bey Euphronia Brüder / so grosser Neid ist bey Sostene Söhnen Tadee und Androg entstanden / aus ungezweiffeltem Wahn / ihr Vater nehme ihnen das Brod und theile es seinen armen Schwägern mit: ja sie scheuten sich nicht zu sagen /daß sie ihren alten kindischen Vater betrogen / und mit ihme recht verrähterisch gehandelt hetten / etc. Der gestalt wolten sie sich wieder rächen / und gesellten sich zu etlichen leichtfertigen Buben / welche diese beede / als sie nach Hause gehen / angefallen /und ob sie sich zwar tapfer gewehret / und Tadee tödlich verwundet / jedoch auch getroffen / und genöhtiget worden / wieder diese Meuchelmörder üm Hülffe zu schreyen.

7. Die Nachbarschafft laufft herbey / und wird Tadee in seines Vaters Hauß getragen / da er zwo Stunden hernach verstirbt / bevor aber bekennet / daß er mit seinem Bruder und andern Gehülffen seiner Stiffmutter Brüdere angegriffen und ermorden wollen. Androg gehet flüchtig / kommet aber / nach verlauf etlicher Monat / heimlich wieder in die Statt / und trachtet seines Bruhern Tod zu rächen / wie auch beschehen / als er einsten dem ältsten allein begegnet /und durch einen Pistol schuß / ohn einige Gegenwehr / die Schuld der Natur zahlen machen sich aber so bald wieder auf flüchtigen Fuß begeben / und der Straffe zu entrinnen vermeint.

8. Hierüber traurte Euphronia / und zu gleich Sostene / daß er seines Sohns muffte beraubet seyn / und zu dessen Feind seinen eigenen Schwager wissen. Euphronia bemühet sich ihren ergrimmten Bruder / der auf Androg geklagt / und sein Bildnis an den Galgen bringen wollen / zu besänftigen / und zu solchem Ende giebt sie ihm ihre Stiefftochter mit einer ehrlichen Außsteure / daß also das Urtheil wieder Androg nicht vollzogen / und er sich wieder nach Hause finden dörffen.[260]

9. Diese nun erneurte Freundschafft verhüllte eine verborgene Feindschafft / die einsten mit Gelegenheit außgebrochen / daß Androg darüber auf dem Platz geblieben. Sostene betrachtet seine Thorheit / welche so viel unschuldiges Blut vergiessen machen. Solches quälte ihn auf seinem Todbette / in dem er bedachte /daß seine Söhne todt / seine Tochter mit derselben Mörder verehlichet / und noch zwo Töchter unverheuratet / hat also in den Sorgen der Welt sein Leben mit all zu spater Reu geendiget.

10. Hieher gehöret was Sirach c. 25 v. 3 sagt: Drey Stücke sind / welchen ich von Hertzen feind bin: wenn ein Armer hoffertig / ein Reicher gerne leuget /und ein alter Narr ein Ehebrecher ist.


Der Pantoffel Jahre Zeit / pflegt der Kindheit gleich zu seyn /

deren Unverstand der Geitz / deren Milch der Freuden Wein.

Wie kein Kind nicht ist gerüstet mit den starken Liebes Waffen:

Also wird ein schwacher Hacht / nichts als ihme selbst Rache schaffen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 258-261.
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