(LXXXVII.)

Der grausame Maxentius.

[290] Ob wir wol nicht gewillt dieses Orts alte Geschichte zuerzehlen / und die verstorbne Wörter wieder von den Todten auf zu erwecken / sondern[290] uns befleissigen solche Sachen anzuführen / welche sich bey unsrer Väter und unsren Zeiten begeben; So wird doch der Name deß Tyrannen Maxentu / welcher die lebendigen Menschen an die todten Leichnam binden / und also verhungern lassen / wegen nachfolgender Geschichte Vergleichung nicht für unanständig befunden werden. Wie alle Gesichter ins gemein einander gleich / absonderlich aber ungleich sind; also haben die alte Geschiebte mit / den neuen eine Vereinbarung / in welcher sie über ein / und auch nicht über eintreffen.

2. Der Ehebruch ist eine abscheuliche Sünde / welche nicht genugsam kan bestraffet werden / deßwegen auch die Gesetze (wieder das fünffte Gebot) zugelassen / daß der Mann / welcher sein Weib in solchem Verbrechen ergreiffet / sie ungestrafft (wie dort Pineas die Moabitin) ermorden darff. Der Ort / wo sich nachfolgende schreckliche That begeben / mindert das Wunder solcher Grausamkeit etlicher massen / weil man glaubt / daß das Meer / und das Gebürg wilde Leute nehret / daher die Römer die jenigen / welche den Tod nicht gar verschuldet / in die Insuln / unter halb wilde Leute geschicket / als Corsica / Sardinien /von welcher ersten der Nam der Corsaren ins gemein für einen Räuber gebrauchet wird.

3. Zu Aquilastre in Sardinien / auf der Calarischen Seiten gelegen / wohnte ein Landherr Dominico genannt / welcher mit seinem Weib drey Töchter und zween Söhne erzeuget. In seinem Wittibstand überliesse er alle Haussorge seiner ältsten Tochter Bamba / welche die Haubt Person in diesem Trauerspiel seyn wird. Dieser Dominico liesse ihme sehr angelegen seyn / daß seine Söhne in dem studiren und allen wolständigen Sitten möchten auf erwachsen. Zu solchem Ende hielte er ihnen einen absonderlichen Lehrmeister / welcher sehr gelehrt / und mit der Zeit ein Geistlicher zu werden hoffte.

4. Adalberon (also nennte sich dieser) verhielte sich erstlich sehr wol / und wann er in seinem Fleiß fort[291] gefahren und nicht von dem Tugend Wege abgetreten / würde nicht erfolgt seyn / was nachgehendes geschehen. »Gleich wie das Saltz in feuchten Orten nicht füglich kan aufgehalten werden / und endlich dumm werden muß: also sollen die Geistlichen / (welche das Saltz der Erden sind / sich nicht aufhalten bey den verderblichen Frauen Volk; weil diese fleischlich gesinnet / und sie geistlich seyn und bleibē sollen. Die Kirchen Väter haben gesagt daß ein solcher neben einer Schlangen auf einem mit bunten Blumen gezierten Feld / schlaffe / und daß er so wenig (ohne Wunderwerk) unverletzt darvon kommen könne / als die drey Männer aus dem Feuerofen Nebucadnezars.«

5. Als nun Adalberon seine Augen nicht aufheben seines Herrn Töchter mit Liebes-neigung anzusehen /hat er erfahren / daß Bamba die ihrigen nieder geschlagen / und mit Liebesflammen erfüllt brünstig auf ihn geworffen. Ohn viel kürtzlich ümstände / welche ich als einen stünkenden Sumpf / schnell überschreite / haben diese beede mit einander vollbracht / was man ohne Verlaub nicht zu nennen pfleget / und zwar so heimlich / daß es in dem gantzen Hauß niemand einträchtig worden / und der Vater / welcher seiner Töchter wachsamer Hüter gewesen / auch den geringsten bösen Argwahn nicht gefasset.

6. In diesem sündlichen Unglück hatten sie auch das Glück / daß Bamba nicht befruchtet wurde / welches ohne Geschrey nicht geschehen mögen / daß man diese Helenam für eine Lucretiam gehalten. Es fügte sich aber / daß sich ein Freyer anmeldete / und weil Daminico seiner Töchter / als gar kostbarer Fahrnis gerne loß worden / wolte er die Gelegenheit nicht aus Händen lassen. Adalberan vermeinte daß diese Ehe ein Deckmantel seiner Liebe seyn / und ihn aus aller Gefahr setzen würde. Also heurateten Rigobert ein Schiffhaubtmann Bambam / welchem zwar der Leib /Adalberon aber das Hertz verblieben.

7. Rigobert musste mit Wind und Wellen[292] fechten /als mittler zeit seine Bamba mit Adalberon den Liebs Krieg führte / der sehr verzagt und sonder Anreitzung dieser Circe wol zu Hause geblieben were: wiewol er bald ihre Brüder zu ihr geführet / bald wegen ihrer Schwester oder Dominico Bottschafften außgerichtet /und also fast täglich in Rigoberts Hause gewesen /und auch nächtlich dahin gekommen / durch eine seidne Leider / welche Bamba von einem Fenster abgelassen.

8. Die Blindheit ist die Eigenschafft der langgetriebnen Sünde / und solche fande sich auch dieses Orts daß es endlich Rigoberts Knechte in acht nahmen / und es ihrem Herrn offenbarten / als sie zuvor Adalberon etlichmals verjagt / damit aber bey Bamba so viel ausgerichtet / daß sie sie bedrauet / alle aus dem Hause zu schaffen. Adalberon aber gleichte den Mucken / welche so viel mehr zufliegen / wann man sie vertreiben wil / daß er endlich von dem blutgierigen Rigobert erdappt wird / eben als er wieder auf der Leiter zu entkommen vermeint.

9. Rigobert wolte eine besondere Rache an diesem Lehrmeister verüben / und schniede ihm erstlich Nasen und Ohren ab / wie auch die Finger an den Händen und die Zeen an den Füssen. Was ihn zu einem Manne machte ließ er in kleine Stücke nach und nach zerhauen / und endlich stösst er ihm den Dolchen in die Brust. Mit was Lust Bamba diesem Trauerspiel zu gesehen ist leichtlich zu erachten. Der Tod war ihr nicht erschröcklich / aber die Art deß Todes das aller erschröcklichste.

10. Rigobert lässet Bamba gantz außziehen / und an den todten Leichnam binden / daß Mund auf Mund zu treffen kommen. Erstlich fiele sie zwar in eine Abkrafft / als sie aber mit vielen Stricken mit Händen und Füssen an den abgeleibten Adalberon gleichsam gefesselt wurde / kame sie wieder zu sich / und bate üm Barmhertzigkeit / welche Rigobert niemals erlernet. Nach deme aber keine Bitte wolte stat finden /und Rigobert ihr alle ihre Untreue mit vielen[293] Schändworten aufgerucket / hat sie die Stimme geändert /durch Gegen Scheltwort ihr Leben abzukürtzen vermeinend.

11. In solchem Zustande lässet Rigobert die Ehebrecherin an ihres Bulers Leichnam gefesselt / in einen Keller tragen / da sie mit vielen růllen und brüllen theils Hunger / theils aus Gestank von dem faulenden Leib / lebendig verwesend elendiglich ihr Leben enden müssen. Als sie nun todt / hat er diese That selbst kund gemacht / den abscheulichen Anblick öffentlich auf dem Markt schau gelegt / und ist von der Obrigkeit ungestrafft verblieben. Dieses Greuelbild hat allen wollüstigen Weibspersonen einen Schrecken eingejagt / und mehr fromm gemacht / als sonsten andre Gebot / und Verwahnungen.

12. Anna Römers mahlte in ihren Sinnpoppen einen Damm / zwischen zweyen Wassern / welcher mit einem Schlagbaum verwahrt: und schreibt darzu (Principiis obsta.) verhüte den Anfang / oder Eingang: verstehend / daß die Sünde zu vermeiden /wann man derselben Gelegenheit aus dem wege gehet.


Du kanst dich der Sünden leid /

meidend die Gelegenheit /

leicht entziehen.

Trittst du auf der Laster Bahn

so gelangst du Höllen an

in dem fliehen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 290-294.
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