(XC.)

Die bestraffte Nachahmung.

[305] Die Gesetze werden nicht ohne Ursach mit den Spinnweben verglichen / durch welche die grossen Mucken brechen / und die kleinen hafften müssen. Daher sagt man auch daß der Galgen nur für die Unglückseligen sey gebauet worden / welches auch etlicher massen aus nachgesetzter Geschicht erhellen wird.

2. In Lůtzenburger Land / in der Statt Basiogne /hat vor kurtzen Jahren gelebt ein Freyherr / dessen böses Leben ein böses End genommen. Sein Vater hat sich in hohem Alter verheuratet / und ihn in der Kindheit hinterlassen / als er dieses zeitliche verlassen müssen / welchem auch seine Mutter nach kurtzen Tagen gefolget. Also solte dieser Freyherr unter der Gewalt eines Gerhabers seyn / der wegen seiner hohen Kriegsdienste wenig zu Hauß / und ihn benebens seinen Kindern / mit nachlässiger Freyheit auferziehen lassen.

3. Popiel / so wollen wir diesen jungen Frischling tauffen / hatte kaum seine vogtbare Jahre erlanget /und sich mit spielen / müssig seyn / essen / trincken und Weibervolck so belustiget / daß man leichtlich sehen können / er werde ein ungeratnes Kind werden /und seinen Freunden viel Hertzenleid machen. Er hatte grossen Reichthum ererbet / und also alle[305] Mittel der Wollust / und ob er wol sein Geld nicht unter Handen / so hatte er doch viel Wege solches durch zubringen / in deme er seine Verwalter gezwungen /ihme die Gefälle und Einkunfften außzuhändigen.

4. Unter vielen Anstössen / welche er bey weiblichen Geschlecht suchte / war auch Pisidia eine Jungfrau geringes Herkommens / aber seltener Tugend und Keuschheit / daß auch alle Geschäncke und Verheissungen nicht statt finden wolten. Als er nun seine List zu schwach sahe / wil er den Gewalt gegen ihre Person vornehmen / welches ihm dann mit seinen Dienern werkstellig zu machen / nicht schwer gefallen. Dieser Sichem entführte Pisidiam auf sein Schloß / und ob zwar der Angriff mit Gewalt beschahe / ergabe sich doch endlich Dina / als sie sahe / daß ihren Befreunden der Mund mit Geld gestopfet worden.

5. Sie lebten etliche Jahre solcher gestalt / mit dem Namen der Liebe verbunden und erzeigten Kinder /welche ihrer Eltern Schandmahl an der Stirn tragen mussten. Pisidia konte diesen Popiel und seine Güter / wie eine ehliche Haußfrau / regieren und dem Gesinde mit Verstand vorstehen. Mittlerzeit hat Popiel dieses Anhangs (wie deß besten Weins) genug / als er nemlich seines gleichen zu heuraten gewillet worden.

6. Die Hinternis / welche Adeliche Freundschafft für schützten / waren diese Pisidia und andre dergleichen Weiberlein welche kein Eheweib neben ihr erdulden wolte / und dieses böse Gerücht machte ihn aller Orten stinken / »und wähnen daß ein frecher Hurer kein guter Ehmann seyn wůrde.« Damit er nun diese Hinterung aus dem weg raumen möchte / verheurate er Pisidiam seinem Diener Sylvan / einem wehrhafften Soldaten / welcher sie mit diesem Beding ehlichte / daß Popiel ihr müssig gehen solte / wie er auch zu thun versprochen.

7. Als er nun seine Werbung bey einem seiner Nachbaren / anbringen lassen / und seine Tochter zu[306] freyen begehret / hat derselben Vater nachgefraget /wie sich Popiel von Jugend auf verhalten / und erfahren / daß er ein Spieler / ein Fresser und Sauffer / der in Schulden stecke / der die Frantzösische Müntze bey unterschiedlichen Schleppen eingewechselt / und der gestalt bedankte er sich der Ehre / bittend seine Gedanken auf andre zu richten / etc.

8. Solcher gestalt hat diesen Sichem die Beschneidung seiner Wollust geschmertzet und ihn gereuet /daß er Pisidiam von sich gelassen besuchte deßwegen seinen Verwalter Sylvan / welchem dieser Gast nicht ohn Ursach verdächtig / weil er sonderlich sein Weib fast täglich von Popiel schwätzen hörte. Man sagt /daß der von einem wütendem Thiere gebissen sey /mehr Schmertzen empfinde / wann er das Thier für Augen sehen muß: dergleichen hat sich zwischen Popiel und Pisidia auch zugetragen. Sylvan hörte (also zu reden) durch die Sprache ihrer Augen / daß das alte Feuer wieder auf flammte / fande aber kein Mittel solches außzuleschen.

9. Dieses Ehebrecherische Geschlecht trieben fort und fort die Werke der Finsternis / und trachteten den eifrenden Gauchen üm das Leben zu bringen / die vormals gehabte Freyheit übles zu thun wieder zuerlangen. Sylvan gedachte sein Weib zu bestraffen /weil er sich an seinen Herrn nicht wagen wollen wird aber / wegen folgender Begebenheit in der Nachbarschaff bald andres Rahts.

10. Metrodor ein alter Edelmann hatte ein junges Weib / wegen ihrer Schönheit gefreyet / genamt Lucia / als sie vermeinet Rutilian einen andren / und zwar einen wolgestalten Jüngling zu nehmen. Wie nun der erste Kauffer der beste / und der erste Buler der liebste / als ist die Neigung zwischen Rutilian und Lucia zu einem Ehebruch ausgeschlagen / daß es endlich der Mann einträchtig worden / sein Weib auf handhafften Verbrechen ergriffen / und beede mit seinem Degen jämmerlich ermordet. Die Obrigkeit / welche er selbsten darzu beruffen lassen / hat diese That ungestrafft lassen hingehen / und er[307] mehr ehre / als zuvor Schande darvon getragen.

11. Dieses kame auch / als eine Landkündige Sache dem Sylvan zu Ohren / und machte ihn das thun / welches er zuvor nicht gedenken wollen / unwissend / daß die Richter die lebendige Gesetze sind /einen unterscheid zwischen den Personen machen. Er erhaschet auch seine Ehebrecherin in seinem Ehebett seinem Herren Unzucht treiben / und erwürgt sie beede / bevor sie zeit gehabt / ihre Sünde zu erkennen / und Gottes Barmhertzigkeit anzuflehen. Weil er nun solches aus gerechten Zorn gethan / hat er sich dieser vermeinten Heldenthat gerühmt.

12. Hierüber kommet Sylvan in verhafft / und weil er seinen Herren ermordet / welchen er lange zeit zuvor nachgesehen / wird er zum Strang verurtheilt /die fast ordentliche Erhöhung der Glücks Soldaten. Von diesen hohen Ort hat er andre lehren können /das nicht alles was zulässig ist nutzet / und daß ein unterscheid unter den Personen / welche ein oder das andre verbrechen begehen.


Man strafft den Dieb / wegen Diebstals / an dem Leben /

das er mehrmals kan mit Wucher wieder geben.

Warüm sol der / so mir raubet Treu und Ehr /

nicht bestraffet werden / und noch viel mehr;

Weil die Ehre sich nur einmals lässt verlieren

und der Schatz ist / welcher alle pflegt zu zieren

Die Gott fürchten. Hör in den Geboten bleib

Tödte niemals / halt dich keusch / frey / lieb dein Weib.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 305-308.
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