(XCIV.)

Die undankbahre Belohnung.

[320] Deß Feindes Geschenk ist kein Geschenk / sagt der Griechen Sprichwort. Wie das Epheu oder Wintergrün an den Baumen: »Also ist der Undank nechst getreuen Diensten«. Der Epheu sauget allen Safft heraus / daß der Baum / an welchen er aufgewachsen verderben muß: denn Undanck thut böses für gutes. Solche Leute sind mit Fug[320] Eselartig zu nennen; dann der Esel schlägt seine Mutter / welche ihn saugen lässet. Sie sind Scorpionen / welche allen Gifft in dem Schwantz haben und zu letzt weisen / daß sie arges thun können. Daß diesem also / wird unter vielen andern /auch nachgehende Erzehlung beglauben.

2. In Graubinden gegen Welschland hatte ein Bürgermeister einer grossen Statt / bauen wollen / und weil ihme niemand an die Hände gehen können (massen der Vorraht zum Gebäu so reichlich / als arm das Land an Künstlern) wie er wol in Italien / in seiner Jugend gesehen hatte / beschreibt er einen Baumeister / damit er seinen Namen / zum wenigsten in den Steinen / verewigen mögen; dann mit Bücher schreiben haben die meisten Schweitzer so viel zu thun / als die Kühe mit dem Dintenfaß. Der Baumeister war von Meiland / Namens Polydor / und hatte seiner Künste gute Proben gethan.

3. Polydor lässet sich bestellen / mit dem Beding /daß man ihn in seiner Religion unverhindert lasse /weil er eiferig Päbstisch / deßwegen wird ihme ein Paßbrief nach Wunsch ertheilet / und alles versprochen / was er nur begehret. Bevor er nun abgeraiset hat ihm ein alter Mann / Sergio genennet diese Raise wiederrahten / weil er unter groben Leuten / die ihr Leben über Tisch und in den Betten zubringen / und von seinen Glaubensgenossen entfernet leben würde. Ein Schaff / sagte er / kan unter vielen Wölffen nicht sicher seyn.

4. Diese Erinnerung hette Polydorum abgeschrecket / wann sie zeitiger were eingewendet worden. Er hatte sich aber versprochen / Geld auf die Hand empfangen und war nun mit Weib und Kind wegfärtig / und kommet zu Gustav dem Burgermeister / welcher ihn mit vielē grossen Gläsern / nach Schweitzerischer Höfligkeit / willkom geheissen / ihm eine feine Wohnung verschaffet / und nachmals verschreibt / daß er wegen der Religion / wann er nicht ärgernis geben würde /unangefochten bleiben solte.

5. Gustav sahe seinen Bau mit Freuden[321] aufführen /und vermeinte daß desselben Lob ihme zukomme /weil er das Geld darzu gebe; mehr verständige aber sahen daß alles Polydori Werk / und daß er nicht ein Handlanger / sondern ein Geldlanger were / welches Ambt auch wol ein reicher Narr verrichten könte. Gleichte also jenem / der viel schöne Bücher zusammen gekaufft / daß man wehnen solte er were gelehrt. Andre gaben diesem Polydor auch zu bauen / und befande er sich sehr wol / ausser der Religion. Zu seinen freyen Stunden machte er allerhand Bilder / weil er auch zugleich ein trefflicher Bildhauer / und verkauffte sie / weil es keine geistliche Sachen. In seinem ersten Bau hatte er etliche Heidnische Bilder gesetzet /welche so wol gemacht / daß sie gleichsam aus Schamhafftigkeit nicht reden wolten.

6. Die Herrn Schweitzer sehen / daß ihn dieser Mann anstehet und seine Kunst ihrer Statt fast nohtwendig / berahtschlagen deßwegen ihn zu ihrer Religions- und Bürgersgenossen an- und aufzunehmen. Dieses Vorhabens bringen sie ihn bey den Trunk /welches er als ein Italiäner / nicht ohne Mühe / gewohnen können / allerley Fragen für / die über seinen Baumeisters Verstand / und darauf er nicht studiret /deßwegen sie abgewiesen / und allein in seiner Hand Arbeit stand gehalten / als in welcher er genugsam berichtet worden.

7. Sie nennten ihn einen Götzenmacher / der alle Abgötterey befördere / darzu helffe und diene / etc. Polydor sagte: ja / er were ihnen ein Götzenmacher /weil sie nur heidnische Bilder haben wolten / von welchen dorten stehet / der Götz sey nichts / das ist ein Bild das niemals gelebt / sondern aus dem Haubt deß Künstlers / wie Minerva aus Jovis Gehirn entsprungen. Den Catholischen aber / fuhre er fort /mache ich Bilder deß H. Christi / Mariæ / der H. Apostel / etc. Ja / antworteten sie / das machen stünde nun dahin / wenn man sie nicht anbete / und ihnen Göttliche Ehre erwiese / sie üm Schutz anruffte / und vertrauen auf solche Heiligen stellte / deren Leben vielmals mit grossen Fabeln angefüllet. Die Heydnischen Bilder sind[322] zu einer Zier an die Häuser und nicht auf die Altäre gesetzet / daß man ihnen Ehre solte anthun.

8. Polydorus antwortete / daß man den Bildern keine Göttliche Ehre anthut / sondern solche zu Exemplen der Nachfolge / und Erinnerung ihrer Heiligkeit aufstelle / und daß man auch Gott ehre in und durch seine Heiligen. Sie verstehen: daß Gott solches nicht befohlen / daß man ihnen eben die Ehre anthue /wie die Heyden ihren Götzen / daß man den Hut für ihnen abnehme / nieder knie / für ihnen bete / etc. Polydor gestande / daß ein Mißbrauch mit unterlieffe /daß der gemeine Mann mehr thete / als ihre Lehrer zu vertheidigē begehrten / und daß der Mißbrauch den rechten Gebrauch nicht aufheben möchte. Man knie auch in Engelland fůr dem König nieder / er sey darüm kein Götzen Bild / und müsse man auch in sei nem Zimmer / wann er abwesend / das Haubt entblössen / etc. Die Schweitzer sagten daß zu Loreto / zu Hall / Sigheim und ander Orten die Marienbilder absonderlich beschenket und ihnen Gelübde gethan würden. Für den Königen falle man auf ein Knie / für solchen Bildern auf zwey / etc.

9. Polydor versetzte / daß von Anfangs deß Evangelii / die Apostel und ihre Nachfolger geehret / ihr Gedächtnis auch heilig gehalten worden / etc. Sie schrien aber alle / daß es nicht solcher gestalt geschehen / wie von den Papisten / etc. Hierüber nennen sie ihn nun einen Götzen Diener / Götzenmacher / Aberglaubischen Ketzer / und wurffen ihn mit Kannen und Gläsern / daß er durch diese Schweitzerische Bescheidenheit schwerlich mit dem Leben entkommen. Nach diesem wolte Polydor seinen Fuß weiter setzen / und forderte zu solchem Ende seine Schulden ein: sonderlich aber bey Gustav / »welchen / nach Gebrauch fast aller Bauherren reuete / daß er sein Silber in Steine verwandelt«.

10. Abner einer von den jungen Burgemeistern /wird von Gustav angestellt / er sol Polydor / als einen Verführer des Volks / der übel von GOTT[323] und seinem Wort geredet / die Götzen mit Gott verglichen / etc. einziehen lassen / und für Gericht stellen. Polydor beruffet sich auf seinen Schirmbrief / muß aber hören /daß seine Verantwortung für ärgerlich angezogen /und er deßwegen zu dem Schwert verurtheilt worden. Er bittet man sol ihm einen Päbstischen Priester zulassen / es wird ihm aber abgeschlagen: er wil mit seinem Weib und Kindern reden / kan es aber nicht erhalten. In solchem Zustand erinnerte er sich der Weissagung Sergii seines Freundes zu Meiland / dem er nicht folgen wollen.

11. Als er nun auf den Richtplatz / und aller Menschen Hülffe beraubt / ladet er Gustav / als den Stiffter seines Todes in dreyen Tagen für Gottes Richterstul zu erscheinen / und lässet also mit vielen Hertzenseufftzern zu Gott / sein Leben. Ob nun wol Gustav diese Ladung fůr windflůchtige Wort hielte / welche ihme die Todes Angst heraus gepresset / hat er doch die gantze Nacht für Schrecken und Angst nicht schlaffen können: Morgens ist ihn ein Schaur angekommen / daß er Zähnklappert und gezittert / als ob er einen Vorschmack der Höllen fühlte. Bald darauf folgte eine übergrosse Hitz / und ehe der dritte Tag herbey kam / wurde seine Seele von ihm genommen.

12. Abner der junge Bürgemeister / hat sich sechs Monat hernach zu Tod getrunken / und die Richter /welche ihn verurtheilt / sind auch nachgehends bald gestorben. Seine hinterlassne Güter darunter auch die Schulden / wurden den Stattgefällen zugeschlagen /daß also Polydors Weib und Kinder fast mit leerer Hand nach Meiland wiederkommen / und diese undankbare Belohnung aller Orten außgebreitet.


Der Geitz.

Er stielt sein eigen Gut / er nimmt sich selbst gefangen /

er hat sein hartes Hertz an guldnes Blech gehangen /

er ist sein eigner Bul / und macht ihm grosse Pein /

es ist sein Magen leer / und voll der Kisten schrein.[324]

er hütet seines Golds / und denkt an seinen frommen

wie doch auf manchem Rank mehr Pfenning zu bekommen

Die Erben lachen sein / daß er nicht ist so keck

und ihme Gutes thut ô Ertz- und Ober geck!

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 320-325.
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