(XCIX.)

Der rasende Vater.

[335] Viel achten das Landleben für das glückseligste / weil die Einfalt und Redligkeit eine Befreiung ist von vielen Sünden. Es sind aber die meisten Bauren so lose Gesellen / so grobe viehische und unverständige Leute / und bey bösen Zeiten so verzweiffelt arg / daß ihnen kein Laster zu groß / und weil sie in Einöden und Wildnissen zum theil wohnen / sind sie auch mehrmals wie die reissenden wilden Thiere geartet /wie wir dessen ein jämmerliches Exempel hierbey bringen wollen.

2. In einem Dorff unfern von Brissac / in Elsas wohnte ein Weinhacker / genannt Adam / welcher sich von seiner Handarbeit nehrte / und dem trinken sehr / ergeben war: wie dieser Gesellen so gemeiner Gebrauch ist / daß sie solches für kein / oder ein rühmliches Laster achten. Die Laster hangen alle an einer Ketten / derselben andres Glied machte das fluchē und schweren / das dritte spielen und dopplen. Bey solcher Unart konte er kein guter Haußhalter[335] seyn / und manglete es nicht an allen mangel in seiner Hütten.

3. Zu diesem kam der Kinder Segen / welcher seine Armut so viel empfindlicher machte / und ob wol sein Weib mit ihrer Handarbeit möglichsten Fleiß ankehrte / war doch ihr Verdienst eine gar geringe Beyhülffe / daß sie sich speisten mit schmertzen Brod / und tränkten mit grosser Thränen Maß. Man sagt im Sprichwort / daß die Henne mehr zerscharren kan / als der Han zusammen tragen: wann aber die Henne den Haan ernehren sol / so wird er wol Hungers sterben müssen.

4. Auf eine Zeit gange Adam in die Statt zu seinem Herren / und beredete ihn / daß er ihn seinen Lohn auf drey Monat vor aus bezahlte / weil er seine Noth und Armuth sehr klagte / und versprache / so viel desto fleissiger zu seyn. Er hatte aber kaum das Geld empfangen / sihe / da stürtzt er sich mit demselben in einen Keller / und vertrinckt einen Theil / den andern aber verspielet er mit zweyen leichtfertigen Gesellen; darüber er dann angefangen Gott in dem Himmel zu lästern / daß kein Wunder / wann der Satan / wie in Judam / auch in ihn gefahren / und in folgender Mordthat die Hand geführet.

5. Unter allen Lastern ist fast das fluchen das ärgste / weil Gott dardurch beleidiget wird / der uns Menschen täglich unzähliche Wolthaten erweiset /und was Belustigung hat man doch darvon? Andre Laster haben noch eine Freude in sich / wie wol sie Schmertzen und Reue bringen: dieses aber hat der gleichen nicht zu hoffen; sondern höfelt dem bösen Feinde / klaget Gott der Ungerechtigkeit an / und wil das thätliche Unglück mit Worten unterbrechen. Ist es nur eine Gewonheit / so hat Gott auch die Gewonheit solche Lästerer in die Hölle zuverstossen / und ihnen Heil und Segen zu entziehen.

6. Als nun Adam besagter massen nach Hauß kommet / laufft ihm sein ältstes Kind entgegen und fordert ein Brod / er fragt nach einem Messer / und als das andre Kind eines brachte der Meinung das[336] Brod zu schneiden / ergreifft er das Kind und schneidet ihme die Gurgel ab; deßgleichen thäte er auch mit dem andern und dritten / das noch in der Wiegen lage. Das Weib kommmet nach Haus / der Hoffnung ihr Mann werde Geld mit gebracht haben / der böse Feind aber regiert diesen Mörder ferners seine Hand / daß er das Messer auch in seines Weibs Brust verbarge / und weil niemand mehr überig / als er / stösset er ihm selbest auch durch den Halß / darvon er zwar nicht also bald gestorben; sondern zuvor seine unerhörte Grausamkeit den darzu gekommenen Nachbaren eröffnen müssen.

7. Zu solchen abscheulichen Greuelthaten veranlasst die Trunkenheit und das Gewinnsüchtige Spielen. Hierbey setzen wir folgende (Diras.)


Scheltwort.

Freyart / Spieler / Leutbetrüger /

Gotteslästerer / Galgenbruder /

Trunkenbold / Thor / lieg-im-Luder /

Müssiggänger / Beutelkrieger /

Raben Vater / Kinder Feind /

Weiber Mörder / Teuffels Freund /

Selbsten Tödter / Höllenbrand.

Deine Blut betriefte Hand

Die der Satan selbst regieret

Hat dich in die Qual geführet;

Da du mit deß Cains Pein

Ewig wirst gemartert seyn.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 335-337.
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