(XXVI.)

Der Liebs- und Tods-Kampf.

[84] In folgender Geschichte wird zu ersehen seyn / daß der Tod und die Liebe ihre Pfeile verwechselt / wie die gemeine Fabel lehret. Welcher ehrlich liebet sol nicht nur sein Haab und Gut der Liebsten zu Dienst aufsetzen / und willigst anwenden: sondern auch sein Leben lassen / wann der geliebten Leben dardurch kan erhalten werden: dann die Liebe / sagt Salomon /ist stark wie der Tod / welcher sich nicht lasse zu ruke halten.

2. Florian und Scauro waren zween gute Freunde /ehe sie Aureliam / eine Jungfrau zu Palermo angefangen zu loben und zu lieben: gestalt die Liebe und das Regiment keinen Geselschaffter leiden wil. Florian war von Parlemo bürdig / Scauro aber von Catan /und in Diensten deß Königlichen Stadhalters / welcher zu Palermo Hof hält: daß also beede sich daselbst befanden / keiner aber dem andren seine Geheimnis vertraute / nach der Italianer Gebrauch / welche in allen Sachen höchst verschwiegen zu seyn pflegen.

3. Wer den Landsgebrauch weiß / wird leichtlich glauben / daß diese Buler zu Nachts ümb der Aurelia Hauß spatziret. Florian hatte von Aurelia Freundschafft Verlaub ihr auf zu warten / Scauro aber hatte mehr Gunst bey der Jungfer / welchen das fremde allezeit daß gefällt / als das einheimische / daß sie mit ihm zu Nachts zuspechen / belieben[85] trüge / und sich zu brünstiger Gegenliebe bewegen liesse.

4. Florian muste diesen seinen Freund antreffen /und als er einst verborgen / beeder Wort verstehen können / daß er allein Haan im Korb / und daß sie ihren Freunden zu willfahren / ihme Wort / und jenem das Hertz gegeben.

5. Florian wil sich dieses Seitenbulers entladen /und dinget einen Braven / oder Mörderknecht / der Scauro niedermachen solte. Diese Beede treffen Florian Nachts wiederüm an / und eilen auf ihn zu mit emtblösten Gewehr / als er in einem Ecke / entwichen / die Verzweifflung seines Lebens / zum Beystand nehmen musste / vermittelst welcher er Florian durchrennt / daß er starr todt zur Erden gefallen / und seinen Gefehrten / nach dem er von ihm zwischen den Waffen / weil er wol verpantzert gewesen / verletzet worden / in die Flucht gebracht.

6. Scauro wird wegen dieses Ableibs in verdacht gehalten / und nach dem er seine Wunden nicht verbergen können / in verhafft genommen. Als solches Aurelia erfährt / giebt sie sich für die Mordstiffterin deß Florians an / und stellet sich in der Gefängnis ein / mit bitte / man sol Scauro / weil er unschuldig an diesem Tod / loß lassen.

7. Jederman verwundert sich über diese Großmütigkeit / und stunde darauf / daß sie zum Tod hat sollen verurtheilet werden / als Scauro sich selbsten bey der Obrigkeit anklagte / und wie er solchen Ableib aus einer Nothwehr begangen / erzehlt. Der Zeug dieses handels war entloffen / aller Beweiß ermangelte /und weil Scauro auch verwundet / war glaubiger er hette Florian der auf dem Platz todt geblieben / am ersten angegriffen: daß also das Urtheil wieder ihn ergieng.

8. Aurelia schreyet ůber die Ungerechgkeit / welche dem verzweifelten Scauro Glauben zustellte / und seine Klage / wieder sich selbsten für schließlich halten wolte. Sie habe Florian durch eine fremde Hand ermorden lassen. Alle Freunde dieser streitenden[86] Partheyen hielten umb Gnade an / Florians Verwandte hingegen baten umb Gerechtigkeit.

9. Der Königliche Statthalter wil sich keinem Theil zu Feinde machen / und weil Scauro sein bedienter /daß er sich seiner auch hette annehmen sollen: lässet er die gantze Sache nach Madrid an den Spanischen Hof gelangen / und schreibt darbey für Scauro. Wie es nun aldar zugegangen / und ob Florians Verwandte die Sache eiferiger getrieben / und viel kostbare Beschenkungen abgeschicket / kan man nicht wissen. Einmal ist der Bescheid von Hofe kommen / daß Scauro solte das Haubt abgeschlagen werden / wie dann auch erfolgt.

10. Aurelia bliebe die gantze Zeit beständig / daß sie für ihn / oder ja mit ihm sterben wolte / weil ihr aber solches nicht verstattet wurde / ist sie in ein Kloster gegangen / und hat für den natürlichen Tod das weltliche Leben verlassen.

11. Hieher gehört die Frage: Ob ein Freund für den andern das Leben lassen sol / und solches mit gutem Gewissen für Gott verantworten könne? Hiervon ist zu lesen in dem CCLCXIII. Gesprächspiele §. 11. biß 17. Kurtz. Es ist zu unterscheiden die Gefahr in welcher sich zween getreue Freunde finden: betrifft solche sie beede / so kan sich der eine mit gutem Gewissem / nicht entziehen sein Leben zu retten / und den andren im Stiche lassen. So aber einer sonder wichtige Ursache die Gefahr suchet / und sich nicht wil davon abmahnen lassen / so ist der andre nicht schuldig bey ihm aus zuhalten. Aurelia That ist die Bezeugung einer blinden Liebe / zu welcher sie keines weges verbunden / und hat hierinnen nachgeahmt den Moscovitischen Weibern / die sich mit ihren Männern verbrennen lassen / welche es aber nicht thun wollen /die hält man für Ehebrecherinne. Eheleute sind einander zu treuer Liebsleistung verbunden / biß der Tod /mit seiner Sichel solches Band zerschneidet / und dar durch aufflöset ihr Gelübd / welches länger nicht / als beede leben / giltig ist.[87]


12. Die Freundschafft schaffet Freud / an allen Orten /

Mit Werck und Worten.

Wer kan von Jugend auf der Hülffe missen?

Je grösser einer ist in seinem Stand

Je mehr hat er von thun der Freundschafft Band /

Deß Menschen Lebenszeit

in mancher Bitterkeit

Kan nichtes mehr als Freundes Huld versüssen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 84-88.
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