(XXXVIII.)

Der unglückselige Balger.

[127] Das Wort balgen sol von den Bälgen der Thier herkommen / mit welchen sich die alten Teutschen bedecket / und wann sie sich entzweyet / und zu Striechen kommen / hat einer den andern seinen Balg ausgezogen / daher die ihren Namen Belgæ erhalten / wie Cluver von dem Althum Teutschlandes beglaubet. Wir nennen heut zu Tage rauffen und balgen / wann ihrer zween umb Leib und Leben fechten / wie in etlichen Erzehlungen denkwehrte Fügnissen hiervon folgen werden / massen diese Fechter ihre Stelle in diesem Schauplatz billich erheischen.

2. Leonce der jüngste Sohn eines vornehmen Herren altes Geschlechts aus Gasconien / hatte nicht[127] wenig von dem Hispanischen Lusst in dem Kopf /sagte daß sein Gebrechen bestände / in dem seine Tapfferkeit zu übermässig / und die Gelegenheiten solche zu erweisen / gar zu wenig und gering. Das erstmal als er ein Beystand eines andern zu fechten kommen / hatte er guten Kauff / dann sein Begegner mit dem viertägigen Fieber behafftet / schwachen Wiederstand thun mögen / und die Krankheit mit dem Leben verlohren hatte.

3. Hierüber wurde Leonce hochmütig / und suchte Ursach mit einem andern anzubinden / und fügte sich daß er verwundet wurde / jedoch weil seinem Gegentheil der Degen zersprungen / hat er nicht unterlassen / ihn also entwehrt nieder zu stossen. Hierüber fället viel ungleiches Urtheil: etliche entschuldigten / etliche lobten / etliche redeten übel von dieser That. Seine Freunde erlangten bey dem König / daß er ungestrafft verblieben.

4. Er war kaum wiederumb heil / da hielt er sich für unsterblich / und vermeinte sein Haubt were mit dem Siegeskrantz bekrönet / da er mit solchen zu der Schlachtbanck hat sollen geführt werden. GOtt wiederstehet den Hoffärtigen / und wer sich selbst erhöhet / der sol erniedriget werden.

5. Als er einst in dem Louvre auf und abtritt / begegnet er einem von deß Königs Dienern / welchen seine Tapferkeit mehrmals in Schlachten für den Feind erwiesen / Nahmens Thersandre. Dieser sahe Leonce unter das Gesicht / und betrachtete ihn als einen Freund / das konte Leonce nicht leiden / und sagte / mit trotzigen Worten: Was sieht der Herr an mir? Th. Ich sehe an dem Herrn seine Kleider / wie auch er an mir die meinen. Leonce: Warumb schaut er mir unter das Angesicht? Thers. weil ich Augen in dem Kopf habe / und wann ich sie eröffne / muß ich sehen was für denselben schwebet: Ich schaue umb mich biß ich schlaffen gehe / und schlage die Augen für keinem Menschen unter. Leonce: Mich beduncket aber / ihr sehet mich absonderlich. Thers. Wann ich einen ansehe / so sehe ich ihn an / und sihe ich täglich den[128] König / und viel schönes Frauenzimmer: Euch aber sehe ich an / als einen Edelmann / der ein gutes Ansehen hat. Leonc. Ich habe noch ein bessers Ansehen / wann ich den blossen Degen in der Hand habe etc. Thersandre: Das glaube ich / wann ich es nicht sehe / und würde es nicht glauben / wann ich es sehe.

6. Dieses konte Leonce nicht verstehen / ob es wol recht geredet: dann was wir sehen / das wissen wir /und dörffen es nicht glauben / was wir aber nicht sehen das glauben wir. Hierüber lässet Leonce den Thersandre durch ein Fedebriflein auf den Platz fordern / ihn und seinen Beystand für der Klinge zusehen. Thersander kommet allein an den bemelten Ort /und als sich der Beystand beklagte / daß er solcher gestalt / nichts dienen könte / hat ihm Thersander versprochen / er wolle ihm auch zu thun schaffen / wann er mit Leonce fertig / welcher ihn ohn Ursach gefordert / und habe er den zum Beystand / der die gerechten Sachen schütze / und die Frevler straffe. Kurtz.

7. Leonce muß das Leben bitten / als er an dreyen Orten verwundet / den Degen von sich geben. Als solches der Beystand gesehen / hat er sich nicht an Thersandre richten wollen / sondern hat Leonce zu verbinden / auf seinem Pferde weggeführet. Thersandre aber nahm mit dieser Frage Abschied: ob er ein gutes Ansehen wann er den Degen an der Seiten / und deß Gegners seinen ihm abgenommen in der rechten hette?

8. Die Begebenheit gabe Leonce den Namen / daß man ihn den Edelman mit dem guten Ansehen nennte / und als er wieder geheilet worden / schertzt ihn ein junger Graff mit diesen Worten / darüber er mit ihm wiederumb zu Worten / und von den Worten zu Streichen kame / weil der Graff Lust zu solchen Spiele hatte. Sie hatten beede ihre Beystände / und muste Leonce das Leben bitten / und das Gewehr niederlegen / doch verbliebe ihm der Stoltz / nach dieser doppelten Schande.

9. Als er sich einsten auf den Fecht-boden mit einem Soldaten übte / wurde er von ihm etlichmals[129] auf die Brust gestossen / welches er nicht vertragen können / und ihn gefodert / daß er der gleichen in scharff fechten auch thun solte / wann er so viel Hertz als Stärcke hette. Der Soldat gewehret ihn seiner Bitte / und stösset ihn zu Boden / daß er also / sonder anruffen Gottes Barmhertzigkeit dahin gefahren.

10. Dieser Krieg in Friedenszeit ist von allen Geistlichen und Weltlichen Rechten verboten / und kommet daher von den alten Francken / welche in ihren Strittigkeiten / wann der Beweiß ermangelt / zu Bekräfftigung der Warheit zu turniren / oder zu Fuß umb Leib und Leben zu fechten pflegten. Wer sein Leben nicht vertheidiget / ist deß Lebens nicht werth /wer aber ohne Ursach / die Gefahr suchet / wird darinnen umbkommen. Hieher gehöret unsrer alten Teutschen Lehre: »Wegen eines unglückseeligen Tages trägt man den Degen alle Tage: man sol ihn aber nicht ohne genugsame Ursach / aus der Scheiden ziehen /und nicht ohne Ehre wieder einstecken.«


11. Vermessenheit bringt grosses Leid /

Unglück giebt offt / was niemand hofft:

Der Sonnen folgt der Regen.

Wer sucht Gefahr viel lange Jahr /

Hält sich auf bösen Wegen:

Fällt auf der Schwell gar in die Höll.

Gedenk allzeit der Ewigkeit /

So hast du Glück und Segen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 127-130.
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