(XXXIX.)

Der verzagte Fechter

[130] »Wie grosser Herrn Wercke die fittigen verkündigen /also können auch ihre Wort nicht verschwiegen bleiben« / und hat solche Diego Saavedra wol verglichen mit einer grossen Glocken / deren[130] Klang / er sey recht oder mißlautend / so müssen es die Leute in und ausser der Statt wissen und hören. Deßwegen ist der Könige Gebrauch / daß sie wenig / aber alles mit gutem Bedacht reden / wie solches Lob König Heinrich der Vierte dieses Namens in Franckreich gehabt /doch hat er zu Zeiten / aus unbedacht ein Wort schiessen lassen / das er gerne wieder zu rück genommen /wann es möglich gewesen / wie dessen ein Exempel in folgender Geschichte.

2. An dem Hofe erstbesagten Königs / hielte sich auf ein Schottländer / Namens Erich / welcher unter andern Ritterübung / auch seinen Degen meisterlich verstanden / und für der trefflichsten Fechter einen so zu derselben Zeit gelebet / gehalten worden. Dieser war dem König wol bekant / und truge S.M. gnädiges belieben ob seinen Diensten / so gar / daß er von vielen Frantzosen geneidet wurde: massen der Neid zu Hofe täglich in der Ritterstuben auf und ab spatzieret.

3. Nach dem nun Erich von dem König Urlaub erlangt / auf eine zeitlang nach Hause zu reisen / trifft er zu Londen einen berühmtē Fechter an / gegen welchen er Ehre einzulegen verhoffet / und ihm durch seine Bekanten anbietē lässet / ob er sich mit ihm wolte wagen / zu sehen / welcher deß andern Meister seyn möchte.

4. Der Fechter nimmet das erbieten an / und wird der Zeit und Ort bestimmet / daß sie beede in Gegenwart eines grossen Adels erscheinen / die Wames außziehen / und dem Gebranch nach / pallen der Fechtdegen / welche von Eisen waren / mit Kolen schwertzen / auf daß man leichtlich sehen könte / welcher den andern getroffen. Wol / sie gehen zusammen / und der Fechter führet einen starcken Stoß / daß er Erich das rechte Aug aus dem Kopff stösset.

5. Ob er sich nun hierüber erzörnet / musste er es doch darbey bleiben / und sich verbinden lassen. Als er nun den Wundartzt fragte / ob er das Aug verlieren würd / sagte er / nein / dann er es in der Hand / und ihm solches zustellen wolte. Diesen unzeitigen[131] Schertz hat er mit einem par Backenstreichen belohnet / als er wieder heil worden. Der Fechter aber entschuldigte sich daß es nicht mit willen geschehen /daß er auch dergleichen hätte erwarten müssen / und darzu von ihm sey ausgefordert worden.

6. Erich war übel zu frieden / musste doch die Sache / auf zusprechen seiner Freunde / ersitzen lassen / und also einäugig nach Hause kehren / und seine Sachen verrichten: hette auch diesen kleinen schaden /ohne Rache verschmertzet / wann er nicht darzu angereitzet worden / wie zu vernehmen folgen wird.

7. Nach geraumet Zeit kommt Erich wiederumb an den Königlichen Hof in Franckreich / und küsset ihr Königliche Maiestät die Hand. Als ihn der König anschauet / daß er nur ein Aug / fraget er welcher gestalt er umb das Aug kommen? Er antwortet daß er im fechten darumb kommen. Der König fragte: und ihr habt den Fechter nicht erwürget? Erich antwortet mit nein: Der König versetzet: were es mir geschehen / er hette mir sterben müssen.

8. Ob nun dieses Wort nicht böß gemeinet / und keinen Befehl in sich gehabt / so ist es doch ein Wort deß Todes gewesen / und von dem König nachmals bereuet worden / dann Erich so bald die Post genommen / nach Cales und von dar nach Dovern über gefahren / nach dem Fechtmeister gefragt / aber doch das Hertz nicht gehabt / daß er ihn heraus gefordert und vor der Faust seine Sache mit ihm außgetragen hätte. Vielleicht hat ihn sein Gewissen zag gemacht /in dem er ihm einmal verziehen / und seine Entschuldigung für giltig angenommen.

9. Damit er sich aber rächen möchte sonder Gefahr / erkaufft er seinen Diener mit etlich Pfund Sterlin / er solte den Fechter zu Nacht ermorden. Der Diener setzt es in das Werck / nimmt ein Pistol / steigt auf eine Leiter in die Kammer / und erschiesset den Fechter. Als er aber wieder zurucke herab wil / verfehlt er eines Sprissels / oder es weichet die[132] Leiter / daß er herab fällt und einen Schenckel bricht darüber er in das Gefängnis kommet / und den Stiffter solcher Mordthat aussaget. Erich wird so bald ergriffen / und mit seinem Knecht zum Strang verurtheilt / allermassen solcher Tod bey den Engelländern gar gemein ist /und mehr für eine Schand / als für eine Straff / gehalten wird.

10. Etliche wollen behaubten / daß hertzhafft seyn /eine sondre Gabe Gottes sey / und lieset man in Geistlichen und Weltlichen Geschichten / daß offt ein gantzes Heer / ohne Ursach / geflohen / und daß die allertapffersten zu Zeiten zaghafft und furchtsam / welche doch zu andern Zeiten in vieler Gefahr den Tod nicht gescheuet. Wer eine gute Sache und ein gutes Gewissen hat / wird thun was er sol: Wer solches nicht hat /dem kan leichtlich zu Sinne kommen: »jetzt ist die Stund daß dich Gott straffen wird.«


11. Der es vielmal blind gewagt /

Ist verzagt.

Feige Memme trau auf Gott-

Der dich mehrmals aus der Noth

Hat gerissen.

Du weichst weil auch weicht in dir

Dein Gewissen.

Daß du kränkest für und für.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 130-133.
Lizenz:
Kategorien: