(XLII.)

Der doppelte Brudermord.

[140] Wie in vorhergehender Erzehlung der Geitz einen Todschlag angerichtet / also wird in folgenden zu ersehen seyn / wie die Lustseuche dergleichen übel stifftet. Augenlust an Gelt und Gut / fleischeslust in unziemlicher Vermischung / und ein hoffertiges Leben /in grossem Ehrenstand machet daß die Welt im argen lieget / und deß Satans Schand-Braut heist.

2. Die Witweiber sind viel verführerische Lockvögel / weil sie mehr in diß Garn fallen machen / als die einfältigen Jungfrauen / so das erstemal richten. Dieses sage ich / wegen Parmena einer jungen Wittib von 20. Jahren / welcher ein alter Mann grossen Reichthum hinterlassen / daher sie der Buler und Freyer nicht ermangelte / die solches Honig als die Immen herbey lockte.

3. Unter vielen war Prilidian / ein Edelmann von 30. Jahren / der das seine zu Gewalt / und so wol seine Schwester / als seinen Bruder weggerichtet hatte. Dieser wolte der Haan in dem Korb seyn / und bey Parmena die andren abstechen. Diese Wittib /hatte bey ihrer ersten Verheuratung ihren Freunden gefolget / und wolte nun ihren Augennach hangen /und selben die Wahl lassen / welche unter so vielen fast schwer fallen wolte. Was ihr morgens beliebte[140] mißfiele ihr abends / und was ihr heute schetzbar war / achtete sie deß andern Tages für verwerfflich / und war ihr Hertz so wandelbar als der Mondschein.

4. Prilidian wuste ihr zu Gemüthe zu führen / daß über alle maß an Ehr und Reichthum unbeständig /und wuste dardurch so wol höhere / als geringere aus dem Sattel zu heben / sich aber hingegen / weil er einen Mittelstand führte / hinein zu schwingen. Er wurde von Parmena angehört und fast erhöret / daß er die Hoffnung schöpffte / diese Wittib darvon zu bringen / in dem Babylas sein jüngerer Bruder / aus dem Krieg wiederkommet / und dieser bald künfftigen Hochzeiterin / als seiner Schwägerin / aus Höfligkeit zuspricht / und ihr aufwartet.

5. Parmena lässet ihr den jüngern Bruder besser gefallen / als den ältern / und giebt ihm ihre Neigung erstlich mit verblümten / nachmals mit gantz deutlichen Worten zu verstehen. Babylas entschuldigte sich / daß er ihr / seinem leiblichen Brüdern zu Nachtheil /hierinnen nicht gehorsamen könne: ohne selben aber würde er solches Glück / wiewol unwürdig / mit danckbarlicher Dienstleistung annehmen.

6. Parmena schaffet so bald Prilidian mit ungehaltnen Worten ab / daß er aus Traurigkeit in ein Kloster gehet / und darinnen sein Leben zu enden gedencket. Babylas setzet seine Gegenliebe auf Parmenam / und verhoffet durch diese Heurat ein reicher Herr zu werden / iedoch fähret er bedachtsam.

7. Nach dem nun Prilidian in dem Probjahr seines Ordens lebet / spielte Babylas in den hinterlassenen Gütern den Meister / wil sich aber mit Parmena nicht versprechen / biß sein Bruder das Kloster-Gelübd gethan / und geistlich zu bleiben versichert. Parmena nimmet diesen Verzug Babylas für eine Verachtung auf / und schreibet an Prilidian ein so freundliches Brieflein / daß er wieder in die Welt kehret / und das strenge Leben / welches ihm verdrießlich vorkommen / verlässt: ungeachtet er von seinen Mitbrüdern zu der Beharrligkeit vermahnet wurde.

8. Die unbeständige Parmena hatte nun[141] wider die Wahl unter dem gewesnen Mönche / und Soldaten /nach genommenen Bedacht erkieset sie den Jungen vor den Alten. Hierüber eiferte nun Prilidian billich /und beklagt seinen Bruder der Untreue und Falschheit. Babylas verantwortet sich / daß er unschuldig /sich bißanhero mit Parmena zu verloben geweigert /und sey er darüber aus dem Kloster beruffen worden: nun aber könne er dieser Wittib Sinn nicht ändern /noch sein Glück mit Füssen wegstossen: Er aber hette doppelt Unrecht / daß er ihm verbieten wolte / was er nicht erlangen könte / und daß er ihn / als einen leibeignen Knecht / tyrannisiren wolte.

9. Mit diesem allen wolte sich Prilidian nicht vergnügen / weil ihn der Eifer verblendet / daß er so wol gegründte Ursach nicht ersehen möchte: sondern befihlt seinem jüngern Bruder nochmals / er solte wieder in den Krieg ziehen / und dieser Wittib müssig stehen / würde er ihn aber noch einmal bey ihr antreffen / so wolte er ihm weisen / was ein jüngerer Bruder dem ältern für Gehorsam zuleisten schuldig.

10. Babylas antwortet der gestalt / daß Prilidian leichtlich konte abnehmen / er fürchte sich noch für seinen Worten / noch für seinen Wercken / so lang er einen Degen an der Seiten. Hierüber scheiden sie /und Babylas gehet bey einem seiner Freunde zu wohnen / und spricht bey Parmena täglichs ein / welche ihm auch die Ehe gelobt / daß sie niemand als der Tod / scheiden solte: Prilidian wird hingegen Parmena Hauß verbotten / bey und umb welches er mehrmals Schildwacht zu halten pflegte.

11. Als nun diese beede Brüder / auf einen Abend /einander bey Parmena Hause begegnen / ergrimmet Prilidian in erkrankter Liebe / ich wil sagen aus rasendem Eifer / und ziehet von Leder / welches imgleichen auch Babylas that / gehen also feindlich zusammen /und stossen einander dergestalt / daß Prilidan alsobald / Babylas aber den folgenden morgen verschieden.[142]

12. Jederman gabe der Wanckelsinnigen Parmena die Schuld dieses Brudermords / und weil sie Gott eine Seele durch ihren Bulbrief entführet / hat sie solche mit der ihren erstatten wollen / und sich in ein Kloster begeben / darinnen sie ihr Leben verschlossen.

13. Die Lehre ist von der Weibspersonen Unbeständigkeit / und hat deßwegen jener recht gesagt /»wann alles bey verliebtē Hochzeiterin nach Wunsch bestellet / so könne doch niemand Bürgschafft leisten / daß alles beederseits also verbleiben werde. Der Männer Sinn ist mit dem Alter gleich so wandelbar /und im Ende ist nichts beständig in der Welt: Alle Menschen sind Rohre / die der Wind hin und her wehet.«


14. Es ist die runde Welt eim Glückstopf zuvergleichen

Ob dessen Dockenkram sich freut der Povel-Hauff /

Und waget ihre Seel / lässt manche Zettel reichen /

Find aber nur ein o / und lauter nichts darauf /

So weiset die Figur

Der schnöden Welt Natur.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 140-143.
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