(XLVI.)

Die unbeständige Ehr.

[154] Welche auf diesem Welt-Meer / mit dem Glücks-Wind / nach hohen Ehren ausschiffen / leiden unterwegs / oder in dem Hafen Schiffbruch. Ob sie gleich ein zeitlang gutes Wetter oder Windstille haben / so folget doch bald darauf ein Sturm-Wetter / daß sie in Gefahr aus der Gefahr umb das Leben kommen / und ihre Unbedachtsamkeit zu spat erkennen. Solchen Ehrsüchtigen möchte man sagen / was dort unser Erlöser zu den Kindern Zebedei: Ihr wisset nicht was ihr bittet.

2. Dieses hat auch erfahren die verliebte und von Leopart geliebte Arduina / und mit ihrem Beyspiel gelehrt / daß man durch böse Mittel zu keiner beständigen Ehre gelangen kan / sondern vielmehr in solchen beginnen zu schanden werden muß. Sie ware bürtig aus Westphalen / und liesse in ihrer Kindheit den Auffgang einer vortreflichen Schönheit blicken / dessen Vollkommenheit mit zuwachsenden Jahren nicht ohne Verwunderung erfolget.

3. Leopart einer vom Adel in ihrer Nachbarschafft /betete so bald diese Sonne an / und wurde nicht allein von ihr / sondern auch von der gantzen Freundschafft erhöret / und seine Beständigkeit mit ehlichem versprechen belohnet. Aber es sagt der Poet nicht unrecht:


Wer weiß was noch heut spat der Abend mit sich bringt?


4. Adelart ein vornehmer Herr / verliebet sich in diese Hochzeiterin / und weil er weit eine andre Person / als Leopart / wird er von den Freunden mit grosser Ehrerbietung empfangen / und Arduina jhm versprochen /[154] verhoffend / dieser schlechte Gesell /werde ihre Tochter in einem solchen Glück nicht hindern / sondern sich leichtlich wieder abweisen lassen. Arduina wolte hierinnen ihre Beständigkeit zeigen /weil Leopart imgleichen auch bey ihr zu halten versprochen / und muste also ihre Verheuratung den Fortgang gewinnen / es sagten die Befreunden und Adelart darzu was sie wolten.

5. Wann der Ehestand mit gar zu brünstiger Liebe angefangen wird / ist solches selten lang beständig /und hat man in diesem langen Kauff auf mehr Umstände / als nur die begierige Zuneigung zu sehen. Adelart sahe daß ihm Arduina nicht günstig / und deßwegen ließ er geschehen / daß Leopart die Braut heimführete / welcher er doch zu höffeln und zur ungebühr zu reitzen / nicht unterlassen.

6. Arduina hatte ihres Mannes genug und hebte ihre Augen auf zu den Bergen / welche den Donnerkeulen unterworffen / und von welchen man leichtlich herunter stürtzen kan. Sie betrachtet / daß sie eine grosse Frau seyn hette können / wann sie Adelart genommen / ich / sagte sie bey ihr selbst / were allen meinen Gespielen obgegangen / prächtiger gekleidet worden / und hette mehr Freude bey Adelard / als bey meinen jetzigen Mann haben können: und ich Närrin habe mich in der Wahl wisslich und vorsetzlich betrogen.

7. Mit diesen Gedancken wendet sie ihre Liebe von Leopart / auf Adelart / und wünschte ihres Mannes Tod / und diesen zu einem Mann: doch bezeugte sie sich keusch und züchtig / und wuste wol / daß der Ehebruch sie mehr verhasst / als geliebt machen würde. Kurtz. Diese Undanckbare vergibt Leopart mit Gifft / und liesse die Erden solche Sünde bedecken /welche der gerechte Gott zu rechter Zeit mit verdienter Straffe anzusehen nicht unterlassen.

8. Eh das Trauer-Jahr verfliesset / freyet Adelard diese Wittib / und sie kommet also in den langverlangten Ehrenstand / in welchen sie sich stöltziglich verhalten / und ihrem Mann zu Mißtrauen Ursach[155] gegeben / daß er sich befürchtet / sie möchte ihm auch Gifft beybringen / wie Leopart ihrem ersten Ehgatten. Arduina siehet seine Lieb erkalten / und wil solche durch liebkosen erhitzen / vermehret aber dardurch den Argwahn / »weil Adelard wol wuste / daß diese Art Schlangen nicht gefährlicher / als wann sie sich umb den Leib schlingen.«

9. Adelard wird nach und nach dieser Arduina abhässig / daß er sie nicht mehr für seinen Augen sehen mag / sondern ferne von sich auf seiner Baurenhöfe einen schaffet / da sie Zeit genug ihre mörderische That / so sie aus Ehrgeitz an ihrem frommen Mann begangen / zu bereuen / und zu beweinen. Die Einsamkeit und Traurigkeit giebt dieser Verlassnen allerley Gedancken ein / unter welchen sie den vorträglichsten erwehlet / daß sie Adelbard eifern machen wolle /und dardurch wiederumb an sich bringen.

10. Hierzu gebrauchte sie Melin / einen vom Adel in der Nachbarschafft / welchen sie in ihr Netz locket / und mit vielen hertzbrechenden Worten anätzet / iedoch ohne Unehre / die allein in äusserlichem Schein /und nicht im Wercke selbsten befindlich. Dieses vermehrte Adelards zuvor gefassten Wahn / und hielte für ungezweiffelt / daß seine Frau eine Ehebrecherin /und an ihm untreu worden. Solchen nach lässt er sie /und Melin in das Gefängnis stecken / und wegen ihres verbrechens peinlich abhören.

11. Weil sie nichts böses begangen / wurden sie zwar unschuldig erfunden / Arduina aber führet auch unter andern Klagen wider ihren Ehmann diese / daß er sie beredet / sie solte ihren ersten Mann mit Gifft hinrichten / und nun wolte er sie auch gerne todt wissen. Hierüber wird sie ferners befragt / und findet sich / daß sie ohn einrahten und vorwissen Adelarts / Leopart vergeben und umbs Leben gebracht: deßwegen sie auch von dem Leben zum Tod verurtheilt / Melin aber der verhafft erlassen worden.

12. Der Ehrgeitz ist ein unbeständiges Blat / »welches der Wind leichtlich abreissen / und von den[156] höchsten Bäumen zur Erden werffen kan. Wer durch Sünde sich groß machet / der wird mit Schanden wieder klein werden. Die Ehrgeitzigen sind den Babelbauern gleich / die nach eignem Gutdünckel ihr Werck biß an die Wolcken erheben wollen: werden aber von Gott gestrafft / wann sie am sichersten / und müssen ihre eigene Verrähter seyn / wann sie sonst niemand haben / der sie in Unglück bringet.«


13. Es bleibet wahr /

Ehr hat Gefahr.

Ist böse Waar /

Daurt kurtze Jahr /

Ist wandelbar.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 154-157.
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