(XLVIII.)

Der thörigte Ruhm.

[159] Unter allen Eitelkeiten ist falscher Ruhm ohne Tugend Verdienst / der aller eitelste / welcher doch von uns Menschen so eiferig gesuchet wird. Wer sich selbsten rühmt / der schändet sich / und wird von andern für einen Narren gehalten / wann er nicht etwan solches zu Abwendung ihme aufgelegter Schande /und zu steuer der Warheit thut / in welchen fall auch eignes Lob statt findet / wie wir in dem CCXXXIX. Gespräch spiele weitläufftig gehandelt. Was solche Lobwurtz für eine böse Frucht bringet / wird unter andern aus folgender Geschichte zu erlernen seyn.

2. Berard ein Frantzösischer Herr / war von Angesicht schön / von Leib wol gestellet / hatte seine gröste Beschäfftigung seine Haar ordentlich zu krausen /und wolte lieber ein unreines Hertz / als ein befleckte Kleidung haben. Ob er der müssigen Bemüssigung /ich wil sagen der Liebe / und dem Frauenzimmer ab- und aufgewartet / ist leichtlich zu erachten. Wer sich in der Kleidung übermässig außzieret / thut solches dem holdseligen Weibervolck zugefallen: dann bey den Männern ist es unvonnöhten.

3. Sein Sinn war flüchtig und Spiegel art: er hatte so bald keine Gestalt in das Angesicht gebracht / so ware sie wieder vergessen / und erwartete einer andern Bildung. Stratonia war die erste / welche er zu lieben begunte / die schönste Jungfrau in dem alten Königreich Arles / da sich dann dieses alles begeben. Ihre Höfligkeit hielte er für brünstige Liebsneigung und streckte den Kopff weit über alle andre ihre Aufwarter hinaus. Nach dem er aber bey ihr nicht finden mögen / was er gesucht / hat er seine Liebe / welche an einem schwachen Faden gleichsam gehangen / zerreissen lassen / und sich von ihr abgewendet.

4. Dieses were nun etlicher massen hingegangen:[160] er hat es aber darbey nicht verbleiben lassen / sondern dieser ehrlichen Jungfrauen Namen mit schändlicher Verleumbdung und fälschlichen Affterreden beflecket / und sich berühmet / daß er von ihr erlangt / was ihr niemals zu verstatten in den Sinn gekommen. Jungfrauen Ehre ist gleich einer Blume / welche leichtlich durch scharffe Winde verwelcket.

5. Die andre welche Berard geliebet / war Sigismunda / ein verständige Jungfrau / welche die Mängel dieses Edelmanns wol wuste / wegen seines Reichthums aber nicht sehen wolte / weil das Geld / wie bewust / alle Fehler zudecket. Sie getrauete ihr diesem flüchtigen Quecksilber einhalt zu thun / und seine Zunge anderst zu zaumen. Liesse sich deßwegen / auf gutachten ihrer Freunde freundlich findē / und vermeinte ihn unter ihre eheliche Bottmässigkeit zu bringen. Dieses nimmt der stoltze auf für eine schuldige Bezeugung gegen seine hohe Verdienste / vnd wie der Rauch allzeit oben anfähret / also strebet auch die Hoffart aller Orten empor.

6. Endlich kam Sigismunda solchen übermütigen Worten nicht nachwarten / und wil sich ihm nicht mehr unterwürffig machen / sondern giebt ihm / nach langer Gedult Urlaub. Dieser hatte er auch alsobald vergessen / und trachtete andrer Orten / unter dem Namen eines Dieners den Meister zu spielen.

7. Macrina war die dritte Klippen / an welcher seine Freyheit Schiffbruch erlidten. Diese wuste wol daß sein Schwindelhirn hin und her zu schweben aber nirgendwo zu ankern pflegte / wiese ihn deßwegen zu seinen gewesenen Liebsten: damit sie von seinem Laster oder vielmehr Lästern nicht auch beschmützet würde. Accursinus ihr Bruder schickte diesen Freyer für eine anständige Person seiner Schwester weil er Zucker in dem Beutel / welcher alles Unglück zu übersüssen pfleget / und befahl ihr deßwegen / sie solte diesen Vogel nicht aus den Garnen lassen.

8. Als sich nun die Sache verzögert / und dieser[161] Buler keinen Freyer geben wil / sagt ihm Accursius in das Angesicht / er solte sich entschliessen / ob er seine Schwester heuraten wolte oder nicht. Berard erschracke hierüber / als ob man ihn in eine Gefängnis führen wolte / suchet deßwegen bedenckzeit / und weil er deßgleichen auch von Macrina verstanden /nimmt er Urlaub hinter der Thür / und giebt solche Sachen von ihr aus / daß alles was er von Stratonia und Sigismunda gesagt / Rosen gegen diesen Dörnern gewesen. Er beschreitet Macrinam für eine offentliche Dirne / welche Zucht und Ehre umb Gelt verkauffe /und wegen eines Gasts allein (wegen seiner) keinen Schild außgehencket etc.

9. Stratonia wurde von Eufrasio / Sigismunda von Servulo bedient / diese beede werden so wol als Accursius / Berards Verläumdung einträgtig / und lassen ihn mit zweyen Beyständen zu erscheinen fordern /dieser dreyen ehrlichen Jungfrauen guten Namen zu retten. Berard war gewont mehr in den Spiegel / als in streiten und fechten zu erscheinen / kunte aber das Spiel nicht ausschlagen / weil er befürchtet / daß er darüber möchte geprügelt werden / und wehlte also zween böse Buben / die den Ruhm hatten / daß sie den Degen wol verstünden / und verfügen sich diese sechse auf den benamten Platz.

10. Berards zween Beystände wurden von ihren Gegnern niedergestossen / und kamen diese beede Eufrasius und Servulus dem Accursio zu hülffe / welcher Berard bereit sehr verwundet / und weil er nicht bekennen wolte / daß er vorbesagten Jungfrauen fälschlich jhre Ehre abgeschnitten / ist er endlich von ihnen dreyen durchstochen / und umb das Leben gebracht worden. Ich sage von allen dreyen / weil die Seconden deßwegen Beystände genennet werden / weil sie ihrem Principal allen Beystand zu leisten / und nach Erlegung ihres Gegners auch ihm Hülff zuthun schuldig sind.

11. Also wird einem Mann vergolten / darnach sein Mund geredet hat / nach dem Ausspruch Salomons. Der Mund deß Narrens schadet ihm[162] selbst / und seine Lippen fahen seine eigne Seele. Die Wort deß Verleumbders sind Schläge / und gehen einem redlichen Mann durch das Hertz / sind Wort deß ersternanten Königs in seinen Sprüchen am 18. Cap. So lang die Teutschen sich der Redligkeit befliessen / und ein Wort ein Wort / ein Mann ein Mann verblieben / ist es wol gestanden. So bald aber die Falschheit und der Trug zu regieren angefangen / und Hertz und Mund nicht gleichstimmig gewesen / ist alles Unglück erfolget.


12. Wiedertritt.


1.

Was ist doch ein falscher Ruhm?

Eine bald verwelckte Blum.

Eine schnell verdorrte Blum /

Ist der falsch besagte Ruhm.


2.

Was ist doch der schmeuchel Ruhm?

Aller Narren Eigenthum /

Stoltzer Gauchen Eigenthum

Ist der nicht erwiesne Ruhm.


3.

Was ist selbsterhabner Ruhm?

Saltz das faulet und wird tumm.

Sol die Witz nicht werden tumm.

Muß man fliehen Ehr und Ruhm.


4.

Was ist selbst gesuchter Ruhm?

Eine Quelle welche glumm /

Weisend alles trüb und glumm /

Wie der falsch gerühmte Ruhm.


5.

Besser ist fast werden stumm /

Als mit den vernichten Ruhm /

Aller Narren Eigenthum /

Seine Reden machen krumm.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 159-163.
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