Vierte Szene

[300] HANS von rechts, wie Fritz von der Leyen vom Ball kommend. Er tritt hastig ein, bleibt aber in der Tür stehen. Er ist im offenstehenden Domino, mit allerlei karnevalistischen Abzeichen behängt. Höhnisch und ausgelassen. Hurra! Da hätt ich euch ja endlich – endlich! Ihr habt's mir, weiß Gott, nicht leicht gemacht, die ganze Nacht such ich euch schon. Zu Moritz und Benno. Na und ihr beiden munteren Seifensieder? Alleweil fidel – was? Aber nein! Ihr[300] schneidet ja ganz possierliche Gesichter: das soll wohl Ernst sein? – Und der Herr Glahn?

GLAHN formell zu den andern Herren. Also, adieu – auf Wiedersehn.


Er vermeidet es, Hans anzusehen, und geht ab.


HANS sieht ihm nach. Leise. Aha ... also soweit sind wir schon ... Zu den Rambergs. Laut. So! Und nun zu euch! Endlich bin ich so weit, mit euch noch ein letztes Wort im Vertrauen zu wechseln. Wißt ihr, was ihr seid? Ihr –

PETER mit ernster Haltung. Hans! Halt! Nicht so. Bedenke, was du tun willst. Bedenke. Du trittst jetzt aus unseren Kreisen heraus. Du hast es nicht anders gewollt. Damit aber bist du für uns nicht mehr ... nicht mehr ...

HANS starr. Satisfaktionsfähig ... ich verstehe.

PETER. Hans – laß lieber mich noch ein Wort sagen – ohne Haß. Du siehst in uns beiden jetzt Feinde – Leute, die dich um dein Glück, um deine Existenz gebracht haben ... und wir, wir haben uns seit unserer gemeinsamen Kindheit immer bemüht, deine besten Freunde zu sein. So gut wie wir's eben verstanden haben ...

HANS höhnisch. Wie ihr's verstanden habt?

Ja! Und wie auch ich's verstanden habe, solang ich dumpf und blind in eurer Luft dahingelebt habe. Irgend etwas in mir wollte ja immer heraus aus eurer Welt ... heimlich hab ich ja immer gelitten, gelitten unter all dem kleinen Zwang und dem dummen Drangsalieren, doch – ich fand mich ab, recht und schlecht fand ich mich ab. Aber dann kam ein Tag und eine Stunde ... ja, da ... das ... Verächtlich. verstandet ihr dann nicht mehr.

PETER. Wir haben's vielleicht schlecht verstanden. Und dennoch tust du unrecht, wenn du die Schuld an deinem Schicksal auf uns abwälzen willst ...

HANS. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten, mein Junge ...[301]

PETER. Du hast dich von deiner Leidenschaft beherrschen lassen ...

HANS. Und ihr habt gelogen. Gelogen, und daraus ist alles entstanden und geworden ... Aber ihr habt recht – ihr mit eurem armseligen guten Willen ... Ihr habt es ja mit mir nur gut gemeint. Wie sollt ich euch da zum Dank in dieser letzten Stunde eure Vorderzähne ... Nein, nein! Ihr habt recht. Telegraphiert eurer Großmutter, daß ihr recht habt! Ihr habt mich entwaffnet. – Ich kann euch nicht mehr beleidigen. Und ihr – mich auch nicht. Er sieht sie kalt und fremd an. Ja. So – wollen wir scheiden.

PAUL verlegen. Ja, wir ... wollten ja sowieso schon ...

PETER UND PAUL wechseln noch einen Blick mit Hans und gehen ohne Gruß ab.

HANS erwidert ihre Blicke und verfolgt sie mit den Augen, bitter lächelnd.

MORITZ UND BENNO sind beide bewegt und drücken ihm jeder noch einmal stumm die Hand. Dann gehen auch sie und Hans bleibt allein zurück.


Quelle:
Otto Erich Hartleben: Ausgewählte Werke in drei Bänden. Band 3, Berlin 1913, S. 300-302.
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