2. Das Gebet

[181] Aber Gott verschaffte einen grossen

Fisch, der schlang in seines Bauches Höhle

Jona ein. Und Jona war darinnen

während dreier Tag und dreier Nächte,

betete zu Gott und rief zu ihm:


Aus der Tiefe rief ich, Herr, zu dir

und du Grosser hörtest meine Stimme.

Deine Fluthen hatten mich umgeben,

alle Wogen, alle Wellen gingen

über mich – dass ich gedachte: nimmer

würd ich deinen Tempel wieder schauen,

ewig wäre nun von deinen Augen

ich verstossen. Alle deine Wasser

strömten mir ans Leben, mich umragte

schon die Tiefe, Schilf umfloss mein Haupt.

Nieder sank ich zu der Berge Gründen

und verriegelt hatte mich die Erde.

Aber du, mein Herr und Gott, du führtest[181]

wieder mich empor aus dem Verderben,

denn du bist barmherzig, gut und gnädig.


Da die Seele schon bei mir verzagte,

dacht ich deiner Herr, und mein Gebet drang

auf zu dir in deinen heiligen Tempel.

Jene, die vor deinem Grimm verzweifeln,

die sich knechten lassen von dem Leide –

sie, nur sie verwirken deine Gnade!


Und der Herr sprach zu dem Fisch im Meere.

Und der Fisch spie Jona aus ans Land.

Quelle:
Otto Erich Hartleben: Meine Verse. Berlin 1905, S. 181-182.
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