Die V. Abhandlung.

[60] Der Geist Heinrichs Grafen von Arley / der Königin Maria anders Gemahls / und Maria auff dem Bette.


DER GEIST.

Wer auff die Liebe traut / auff eines Weibes glattes schweren /

Fällt / leider / gleich als ich / und wird mit seinem Schaden lehren /

Wie ein so gar betrieglich Ding es sey

Umb aller Weiber Treu /

Die sich mit Mund und Hand verschreiben /

Und doch gar kurtze Zeit deß ersten Sinns verbleiben.

Ich / den Mariens Gunst71 und ihrer Schönheit Glantz

Mehr als zuviel verführt / sammt Schottlands Königs Crantz /

Besaß ein grosses Reich / und wurd' durch sie gekröhnt;

Doch leider mehr durch Sie in solchem Reich verhöhnt /72

Ein König und ein Mann;

Doch wieder alles Recht ein Schlav und Unterthan.

Biß daß mein albrer Geist durch leichtbeglaubte Jugend

Und selbst der Königin fast zweiffelhaffte Tugend

Bey tieffer Mitternacht

Durch Mörderische Faust von dieser Welt und unglückhafften Reiche bracht.

Doch zweiffl' ich nicht durchaus / Princeß! an deiner Treu:

Die vorgesetzte Flucht nach Franckreich macht dich frey.73

Ich weiß / daß dein zwar scharff Verbitten

Nichts halff vor dieser Mörder Wüten.

Ich klag nur über die /

Die mich so früh

Und fast im Frühling meiner Jahre

Gebracht durch unerhörten Mord / auff diese Todten-Baare.[61]

Doch wohl! ich bin nun loß von dem / was mich gequält.

Der meine Zeit gezehlt /

Hat Rache schon geübt

An den' / die mich betrübt:

Der ärgste unter allen

Ist sonder Witz gefallen;74

Die andern werden den verdienten Lohn schon kriegen /75

Wann wird vereinigt seyn / nach vieler Wunsch bestiegen /

Zugleich der Schott- und Britten Thron76

Von meinem annoch jungen Sohn.

Auff! auff! bestürtzt' Gemahl! die Zeit ist auch verhanden /

Die dich wird durch den Tod erlösen von den Banden.

Hier wird dir nicht gewehrt die Freyheit / die du suchst:

Der Kercker / den du fort und fort verfluchst /

Und achtst vor deine Pein /

Bricht / nicht wie du gewünschet / ein;

Doch ob du dich gleich wirst / wie ich durchs Schwerdt / verbluten;

So braucht der Himmel doch bey dir gelinde Ruthen:

Mich würgt man in der Nacht / alleine gantz bestürtzt /

Dir wird das Leben ja noch öffentlich verkürtzt.

Drumb was bemühstu dich mit rasender Begier

Zureissen deine Bänder /

Zuherrschen über Brittens Würge-Länder;

Herrsch vielmehr über dir /

Und flieh die eitle Zier;

Und dring aus aller Noth

Durch einen tapffern Tod

Ins ewige Reich zu mir.


Der Geist verschwindet; das Frauen-Zimmer tritt ein.


Maria auff dem Bette / das Frauen-Zimmer so sie ankleidet.


MARIA.

Halt! halt! betrübter Geist! wie? ist er schon verschwunde?

Wie? hab ich mein Gemahl nun einmahl wiederfunden?[62]

Bleib! bleib! mein Liebster / bleib! ach bleib doch meine Zier!

Wie? eylstu? fliehstu schon? ja / ja! wir folgen dir.

Hat uns ein Traum erschreckt? wie? oder das Gewissen?

Nein / nein! Maria ist behertzt bald zuvergiessen

Ihr gantz unschuldig Blut. Es brause Wind und Meer /

Der Himmel schicke fort die schwangern Blitzen her /

Es zittre Mast und Tau / last Seiten-Breter krachen /

Reiß Segel / reiß entzwey / sperrt auff der tieffe Rachen /

Ja selbst der Höllen Schlund; Ein kluger Schiffer lacht

Doch aller der Gefahr. Ein Geist / der allzeit wacht /

Findt Hafen / Port und Land im höchsten Unglücks-Wetter /

Und wann er fällt / so ist der Todt auch sein Erretter.

Brich an gewünschtes Licht! wir sind deß Lebens satt /

Die Erde stinckt uns an / wir wünschen nach der Stadt /

Die uns voll lauter Ruh' der Heyland hat erworben /

So gleich wie wir verhönt und sonder Schuld gestorben.

JUNGFRAU.

Princeß es ist noch früh.

MARIA.

Uns nicht / die wir die Nacht

Stets an den Tag / der uns befreyen soll / gedacht.

JUNGFRAU.

Der Himmel wende doch den uns verhasten Morgen!

MARIA.

Der Himmel wird vor euch nach meinem Tode sorgen.

Reicht uns den rothen Sammt / und dies geblümte Kleid77

Und schwartzen-Atlaß / daß man / was den Sinn erfreut /

Und was den Leib betrübt / kan auff den Kleidern lesen /

Und sehet wer wir sind in diesem Spiel gewesen /

Indem der blasse Tod den letzten Auffzug macht.

Ziert das verdammte Haupt / mit dieser Schleyer Tracht /

So uns auff unsern Thron der schwartzen Trauer-Bühnen

Statt einer Crone soll und Königs-Crantze dienen;

Dieß Buch und Crucifix von weissen Elffenbein78

Soll mir stadt Königs-Stabs und göldnen Scepters seyn /

Und daß der schwache Hals sich unters Beil kan wagen /

Soll er diß göldne Creutz zu seiner Stärckung tragen.[63]

JUNGFRAU.

Ach daß in dieser Noth der Priester ihr versagt!

MARIA.

Weil England auch so gar nichts nach der Seele fragt;79

Doch mag es wieder Leib und wieder Seele wüten /

So kan es mir doch nicht das Himmelreich verbieten /

Das mich in dieser Noth mit reichem Trost beschenckt /

Und mir die Freudigkeit zusterben eingesenckt:

So daß ich auch gantz willig scheide /

Den Tod / noch eh' er ankommt / leide /

Weil dies die Blut betreuffte Spur /

Die auch den Märtrern wiederfuhr /

Man mag mich zu den Thieren schmeissen /

Ein Tiger-Thier mag mich zureissen /

Ich wil auch in deß Löwens Rachen

Mit Daniel den Tod verlachen;

Es mag mich lichter Schwefel brennen /

Und Fleisch und Bein von Adern trennen /

Saß doch auch sonder der Gefahr

Im Ofen die gedrehte Schaar;

Man mag mich nur ins Elend jagen;

Ich wil auch das geduldig tragen.

Kurtz: Ich kan alle Marter höhnen

Bloß mit Erinnrung meines Schönen /

Der mir durch seine Pein / hat meine Pein gelindert /

Deß Todes Bitterkeit vermindert.

Drumb folg ich meinem Heyland nach /

Und leyde allen Hohn und Schmach /

Die mir die böse Welt anthut /

Weil meines Jesu theures Blut

Verstärcket meinen schwachen Muth.


[64] Ritter Thomas Andreas mit etlichen Dienern / der Graff von Schrasburi, und die andern zur Execution gesandte Engländische Herren / Maria kniend /Melvin ihr Hofemeister / ihr Artzt / Apotheker /Wund-Artzt und zwo Dienerinnen.

Maria erscheinet in der innern Scena kniend und

betend / zu welcher der Ritter Thomas mit den Seinigen von aussen zu Ihr tritt / und sie aufffordert.


THOMAS.

Durchläuchtige Princeß! Die Zeit ist nun verhanden /

Die Sie durch den Befehl deß Todes von den Banden

Und von dem Kercker löst.

MARIA.

Wohl! Ich bin schon bereit.

SCHRASBURI.

Madam! wir sind allhier / was Brieff und Schluß gebeut /

Ihr so mit Wort' als That jetzt zuverstehn zugeben.

MARIA.

Der süsse Tod ist mir weit lieber als das Leben.

MELVIN.

Durchläuchtige Princeß! ach / was vor eine Pein!

Daß ich an derer Sohn soll Unglücks-Bothe seyn.

MARIA.

Melvin! euch soll durchaus nicht vor der Bothschafft grauen;80

Ihr werdet Mariam nun bald sonder Sorgen schauen /

Bezeuget jederzeit / daß ich gestorben sey

Im Glauben unbewegt und Schott und Franckreich treu.

Der Höchste wolle nur den'n ihre Schuld vergeben /

Die wie ein duzend Hirsch nach meinem Blute streben.

Herr! der du selber nichts als lauter Warheit bist /

Der du das innerste in meinem Hertzen siehst /[65]

Weist / wie ich stets gewünscht mein Land in dies' zuschliessen.

Ihr könnt nur meinen Sohn von meinetwegen grüssen /

Und bringet ihm von mir noch diese Meinung bey:

Daß ich nie was gethan / so Schottland schädlich sey.

Vermahnt ihn / daß er nie zu Argwohn Ursach gebe /

Und mit der Königen von England friedlich lebe:

Und macht / daß er euch vor den treusten Diener schätzt.

MELVIN.

Genädigste Princeß! die mir von Gott gesetzt /

Wie ich ihr treu zuseyn mich jederzeit befliessen;

Als werd' ich meine Treu mit dieser Botschafft schliessen.

MARIA.

Gehab di wohl Melvin! Zu guter Nacht! ach weh!

Behüt' dich Gott! Melvin! gesegnet! ach! ade!81

MELVIN.

Gott wird / Princeß! Ihr bald die ewge Crone zeigen.

MARIA.

Ja! ja! ich werde bald den Himmels-Thron besteigen.

Ihr Herren! kan es seyn / daß in der letzten Noth82

Mich einger Diener Hauff begleite biß in Tod.

KENT.

Man kan ihr diesen Dienst83 / soll anders Aberglauben

Nicht bey dem Tode seyn / wo nicht / doch schwer erlauben.

MARIA.

Es darff bey meiner Bitt' der falschen Sorge nicht /84

Man wünschet nur ümb mich zuseyn mit letzter Pflicht.

Ich weiß / die Königin selbst würd' mir zu Stand und Ehren

Deß Fräulichen Geschlechts nicht einge Wiener wehren.

Ich bin der Köngin ja mit Freundschafft nah' verwandt

Von Heinrichs Blute her / und vormahl ihr an Stand

Und Würd' und Hoheit gleich.

KENT.

Es sey ihr zugelassen.


[66] Maria mit den Ihrigen / die Richter mit den Dienern / Flether der Thum-Dechant von Petersburg und die Hencker.


DIE I. JUNGFRAU.

Soll unsre Königin auff diesem Block erblassen?

DIE II. JUNGFRAU.

Hat Sie Elisabeth gleichwohl so hoch erhöht?

DIE III. JUNGFRAU.

Ein trefflich schöner Thron für eine Majestät!

DIE IV. JUNGFRAU.

Ach hätte / werthe Frau! dich der Levin85 verschlungen /

Eh' du zu deinem Tod' in dieses Reich gedrungen /

In dieses Reich / das dir die Freyheit erst versprach /

So wäre doch dein Tod frey von so herber Schmach.

DIE I. JUNGFRAU.

Der Tod hat keine Schmach; die Schmach liegt auff dem Richter /

Von dem das Urtheil kömmt. Ihr' Unschult scheint hier lichter /

Als auff dem Throne selbst / ihr' Unschuld / die der Geist /

Der Geist / der frohe Geist / auch jetzund sterbend weist.

BEAL.

Seid still' / damit ich kan das letzte Urtheil sprechen:

Nach dem das Parlament Marien ihr Verbrechen

Bedachtsam überlegt / die Zeugen abgehört /

Und alles wohl durchsucht / was ihre Schrifft uns lehrt:

So hat das Oberhaus und Unterhaus gesprochen:

Weil Sie das Recht / auff das sie sich berufft / gebrochen /

Der Britten Ruh' gestöhrt / die Majestät verletzt /

Der Köngin Tod gesucht / den Feind auff Sie verhetzt /

Verrätherey gestifft; daß Sie den Tod erleide /

Und zwar daß man durch Beyl den Kopff vom Leibe scheide;[67]

Doch giebt die Königin zulindern diese Schmach /

Daß auff dem Schloß die Straff erfolge gnädig nach.

FLETH.

Durchläuchtige Princeß!86 nach demdurch Gottes Willen

Sie soll den Urtheil-Spruch / den Sie gehört / erfüllen /

So geh' Sie nur behertzt in den beschlossnen Tod /

Und denck' daß Sie dadurch entgeht noch grössre Noth.

Es bracht' der erste Mensch im Paradis den Morgen

In lauter Wollust zu / das übrige in Sorgen /

Als Adam aufferlegt sein Tagelöhners Brodt /

Und Even der Gebuhrt / so Schmertzenreiche Noth /

Die auff die Welt gebracht den ersten Gotts Verrächter.

Wir folgen fleissig nach als Adams Söhn und Töchter.

Der kurtze Lebens-Tag entstehet aus der Nacht /

In der uns die Natur gantz im Verborgnen macht.

Erblicken wir die Welt das kummerreiche Leben /

So können wir noch kaum die schwachen Augen heben /

Man windt uns in Scharlach und rothen Purpur ein /

Die von der Mutter doch noch pflegen roth zuseyn /

Wann dann das Lallen aus / der Kinder Schuh' vertreten /

Da sind wir erst bemüht den Götzen anzubeten /

Der Reichthumb / Ehr' und Pracht und andre Güter streut /

Biß daß uns unversehns der blasse Todt abmeyt.

Und zwar / es kan auch der / so vielen zugebieten /

Sich dieser schweren Last am wenigsten entschütten.

Der / den der Purpur ziehrt / der Cron und Scepter trägt /

Weiß weniger als der / den man in Fessel schlägt /

Ob er auff dieser Welt kan steter Ruh' geniessen /

Sein Leben durch Gewalt / wie oder sanffte schliessen?

Was ists dann Wunder / daß sich ein Durchläucht'ger Geist

Offt nach dem Tode / wie er soll / von Hertzen reißt /

Weil er die Cron auffsetzt Der / die allhier gelitten

Und unter Jesus Fahn recht ritterlich gestritten /

Weil er den Gnaden-Preis / und den Gewinn verspricht

Der / die auff dieser Welt den schweren Lauff verricht /

Weil er nach langer Last und unerhörten Mühen /

Läst lauter Fried' und Ruh' und ewge Wollust blühen.[68]

Ihr Leben war / Princeß! nicht anders als ein Tag /

In dem man durch und durch nicht einmahl ruhen mag.

Sie kam in diese Welt mit Thränen-Thau benetzet /

Und ob sie die Natur zwar auff den Thron gesetzet /

Und von der Wiegen an zog andern Menschen für;

So wuchs sie dennoch auff gleich wie der Rosen Zier

Bald unter Dörnern muß / bald von der Sonnen hitzen /

Bald von deß Wetters Sturm und Wind und Regen schwitzen.

Sie sproste kaum / ja kaum / auff diese Welt hervor /

Als Sie die Wurtzel schon / aus der Sie kam / verlohr.

Und ob man Sie gleich in den Ehegarten setzte /

Und sich mit ihrer Zier der Gröste Printz ergetzte /

So brach ihr doch der Todt87 die Knospe zeitig ab /

Und legt ihr gantzes Glück und Hoffen in das Grab /

So daß Sie selbst das Ihr vertraute Reich verliesse /

Und sich ins Vaterland zu ihrem Unglück risse /

Ins Vaterland / in dem sie Creutz auff Creutz geplagt /

Ihr eigen Volck verhöhnt / und endlich gar verjagt.

Ich rühre nicht den Fall / der Sie vom Thron gestürtzet /

Und ins Gefängnüß bracht; nicht den / der jetzt verkürtzet

Die Jahre ihrer Zeit, Der Höchste / der Gedult

Mit allen Sünden trägt / verzeih' Ihr ihre Schuld /

Mit der Sie sich an uns und unserm Häupt vergangen.

Und zwar der Höchste hat schon ihr und mein Verlangen

Mehr als zuviel erfüllt. Denn Sie stirbt wohl bereit /

Und geht durch diesen Todt in jene Ewigkeit.

Ich sehe schon mit Lust der waren Reue Früchte /

Denn wer an Christum glaubt / kömmt nicht in das Gerichte /

Dringt durch Gericht und Tod ins ewge Leben ein.

So sey sie dann getrost / bricht gleich der Abend ein /

In dem sich wird die Last deß müden Lebens legen;

Es freut sich ja der Mann / der Hitze / Frost und Regen

In seiner schweren Müh' den gantzen Tag aussteht /

Wann nun das güldne Rad der Sonnen niedergeht:

Es freut sich ja der Mann / der seines Feindes Wüten

In Staub in Rauch und Blut gewaffnet hat bestritten /

Wann sich Latona thut an ihrer Burg herfür /

Und zeigt dem müden Arm sein längst gewünscht Qvartier:[69]

Es freut sich ja der Mann / der durch den Tag gegangen /

Bey eingebrochner Nacht den Orth bald zuerlangen /

Auff den er hat bißher mit grosser Müh' geeilt.

Was nöthig / daß man dann noch lange viel verweilt

Im Kercker dieser Welt / in dieser Glieder Ketten /

Als ob wir gantz und gar hier stets zubleiben hätten.

Es ist ja / wie man sieht / auch nicht der höchste Stand

Vom Ungelück befreyt. Wer wünscht sich wohl ein Land /

Das voller Feinde steckt? Wer wünscht sich stetes sehnen?

Wer wünscht ein Folter-Haus? wer wünschet Müh' und Thränen?

Wer wünscht sich Eitelkeit? Wer wünscht sich stete Pein?

Da man doch alles deß kan überhoben seyn.

Der Himmel selbst entzieht uns öffters seinen Seegen /

Macht / daß die Erde nicht kan ihre Schuld ablegen

Durch ihre Fruchtbarkeit: Es sindt grimme Pest /

Die wen'ger offt als Schwerdt von Menschen übrig läst.

Es schüttert sich der Grund / auff dem wir feste stehen /

Macht Städte / Berg' und Meer und Menschen untergehen:

Der dürre Hunger lehrt offt Länder / Städt' und Haus /

Und reist den Menschen gar deß Hertzens Neigung aus.

Ach! arme Sterbliche! drumb selig sind die Stunden /

In der Sie hat / Princeß! die Thür nunmehr gefunden /

Durch die Sie sich entreist / (zwar durch gezwungnen Todt /

Und durch das Falle-Beyl) der jetzt erzehlten Noth.

Sie wird bald dieses sehn / Sie wird bald das erkennen /

Was wir noch nicht verstehn / und was wir sta ilend nennen.

Ihr Jesus lad't Sie schon zu seiner Tafel ein /

Wischt ihre Thränen ab / entnimmt Sie aller Pein /

Die Sie auff dieser Welt als Märterin gelitten /

Bekrönt den Helden-Muth / der hier so wohl gestritten.

Sie sehe dieses Beyl durch das Sie welckt und blüht /

Durch das – – –

MARIA.

Es ist unnoth / daß Er sich mehr bemüh't.88

Ich werde dennoch wohl im Römschen Glauben bleiben /

Und mich durch meinen Tod nicht lassen rückwärts treiben.[70]

Ich bin zuwohl gegründt. Mein Leben ist mir feyl

Vor Römschen Gottes-Dienst und derer Kirchen Heil.

DECAN.

So wil Sie sich dann nicht durch ware Reu bekehren?

Wil Sie dann nicht von dem / und ihrer Busse / hören?

Sie stell doch ihr Vertraun auff Christi sein Verdienst /

Und hoffe bloß von Ihm den Himmlischen Gewinst /

So fern Sie anders nicht wil rechter Bahn verfehlen.

MARIA.

Ich weiß schon selbst / was ich soll lassen oder wehlen /

Ich habe jederzeit von meiner Jugend auff /

Was Römisch ist / geglaubt / und wil nun meinen Lauff

In eben dieser Lehr und solchem Glauben schliessen /

Und vor dieselbe jetzt mein reines Blut vergiessen.

KENT.

Princeß! es ist mir leyd / daß ich in ihrer Hand /

Und Halse sehen muß den abergläubschen Tand.

MARIA.

Ich trage Christi Bild ümb seiner zugedencken.

KENT.

Viel besser ist es Ihn in euer Hertz zusencken.

MARIA.

Den Christen soll dies Bild / wann sie nur nicht zum Schein /

Und bloß dem Namen nach / in Hertz und Händen seyn.

DIE ANDERN GRAFEN.

Princeß! wir wollen selbst für ihre Seele beten.

MARIA.

Ich darff vor Gott nicht mit vermischter Andacht treten /

Es würde mir mit euch zubeten Sünde seyn /

Die ihr mit meiner Lehr und Glauben nicht stimmt ein.

Genug! Ich werde nur die enge Zeit verlieren.

DECAN.

Es wil Princesse! mir / Ihr beyzustehn gebühren /

Und Ihr mit dem Gebet und Troste vorzugehn.

MARIA.

Ich werde ohne ihn und seinen Beystand stehn.


[71] Betet.


Herr Christe! steh mir bey in diesen letzten Nöthen.

Du siehst / wie sie mir auch die Seele wollen tödten.

Ach! nimm mich bald zu dir in deine Wohnung ein /

Und laß den müden Leib indessen ruhig seyn.

Ich hoff durch deinen Tod / den du vor mich gelitten /

Und durch der Heilgen vor mich eingelegtes Bitten /

Die vor mir diesen Weeg gegangen /

Den Himmel jetzund zuerlangen.

Nun Reiche! Kirch! und Sohn! und Köngin! gute Nacht!

Ich steh' den Höchsten an / daß er stets vor euch wacht /

Und daß er seinen Zorn von dieser Insul wende /

Und ihr statt Straffe nichts als lauter Segen sende.

DIE HENCKER.

Durchläuchtige Princeß! wir bitten / Sie verzeih

Uns den verhaßten Dienst / und dencke / daß es sey

Ein höher Schluß / so uns auffbringet dies bemühen.

MARIA.

Ich habe schon vorlängst dem / was uns feind / verziehen /

Weil unser Heyland uns auch unser Schuld verzeiht /

Und von der schweren Last / die uns gedrückt / befreyt.

Nehmt Schmuck und Kleider weg! Ich mag nicht mehr verweilen

Im Kercker dieser Welt; ich muß von hinnen eilen.

Mein Heyland beut mir schon die zuckersüsse Hand /

Und führt mich zu sich ein in sein gewünschtes Land.

DIE HENCKER.

Man soll Sie bald / Princeß! durch uns entkleidet schauen /

So fern es eilens gilt.

MARIA.

Ich brauche solcher Frauen

Zu meinem Dienste nicht.

DIE I. JUNGFRAU.

Princessin! ach!

DIE II. JUNGFRAU.

Ach Gott!

DIE III. JUNGFRAU.

Ach Himmel! Himmel ach! kan Sie dann diesem Tod /[72]

Kan Sie dann dieser Schmach durch nichts / durch nichts / entfliehn?

Ist alle Rettung aus?

DIE I. JUNGFRAU.

Ach Herr! zeug das Vollziehn

Von diesem Urtheil auff!

DIE II. JUNGFRAU.

Ach! wie wird mir geschehn /

Wenn ich / Princessin! Sie soll sterbend vor mir sehn?

DIE III. JUNGFRAU.

Ich wil / ach wertheste Princessin! für Sie leiden.

DIE I. JUNGFRAU.

Ich wil / ach wertheste Princessin! mit Ihr scheiden.

DIE II. JUNGFRAU.

Ach! hat der Höchste dann so gar sein Ohr verstopfft

Vor uns / die wir bißher doch täglich angeklopfft?

MARIA.

Weint nicht umb meinen Tod /

Nicht umb der Güter Koth /

Nicht umb Creutz / Verlust und Leiden;

Sondern umb das Himmel meiden.

Last das edle Tränen fliessen.

Nicht umb zeitliches Vergiessen;

Entschütt' Sie mehr vor Gott / der zehlt der Sünder Thränen /

Und wird ihr mit der Zeit mit Lob und Lohn erwehnen.

Ihr wisst / wie ich für euch und eurem lauten schreyen

Den Richtern verbürgt. Ihr sollt euch mehr erfreuen /

Indem ihr meiner Angst gewünschtes Ende seht.

Setzt uns nicht weiter zu / und weicht von hier / geht! geht!

Ihr andern / die ich euch seh' / Hertz und Knie beugen

Vor mich und meine Seel / seyd dermahleines Zeugen /

Daß ich Catholisch sterb'. Bet't vor mich / wie ihr thut /

Daß Gott mir kämpffen helff' / und Stärck' und Trost und Muth

Und Todes Freudigkeit in dieser Angst verleihe /

Daß Er begangne Schuld / die uns befleckt / verzeihe.[73]

Und uns im Tod' erqvick' / und rett' aus diesem Leid.

Ade! mit diesem Creutz biß in die Ewigkeit!

Ade! Zu guter Nacht! Ade seyd Gott befohlen!

Mein Jesus wird mich bald / ja bald / ach balde! holen.

Langt uns die letzte Cron / was so die Augen deckt.

Du! wann nach dem Gebeth wir uns recht ausgestreckt /

Verrichte deinen Streich – – – – – – – – – –


Nun Erde gute Nacht!

Du unerschöpffte Macht!

Auff die ich jederzeit /

Wann Unglück mich betroffen /

Gestellt mein gantzes Hoffen /

Damit in Ewigkeit /

Man mich nicht kan beschämen /

Du wolst nun meinen Geist /

Der aus dem Cörper reist /

In deine Wohnung nehmen /

Den Geist / den ich biß an mein Ende

Befehl in deine Hände.

DECAN.

– – – – – – – – – – – – nun ruffe die Gemeinde

Von England mit mir aus: So stürtz' Gott alle Feinde

Von unser Königin: So müsse / der uns hasst /

Und wieder unser Haupt / verdeckten Rathschlag fasst /

Wie die / zu Grunde gehn. Es ruffe die Gemeinde

Von England mit mir aus: So stürtz' Gott alle Feinde

Von Englands Königin – – – – – – – – – – – –


Elisabeth, Davidson, die Königlichen Engl. Räthe /die Trabanten der Königin.


ELISABETH.

Was hör ich! was bedeut das ungewohnte singen?

Was giebt der Pöfel an? was soll das Glockenklingen?89[74]

DER I. RATH.

Es weist der Unterthan / wie lieb ihm sey sein Haupt.

ELISABETH.

Was ists / das Ihn jetzund zu solchem Dancke treibt?

Uns ist kein Sieg bewust / mit dem man könne prangen?

DER II. RATH.

Die grosse Noth / der Sie und wir zugleich entgangen.

ELISABETH.

Ich halt ihr traumt; was meint ihr dann vor eine Noth?

DER III. RATH.

Die / derer wir befreyt durch der Marien Tod.

ELISABETH.

Wie ist Maria nicht / was hör ich! mehr bey Leben?

DER IV. RATH.

So ists: Sie hat durchs Beyl den Geist schon auffgegeben.

ELISABETH.

Treulose! habt ihr so vor meinen Thron gewacht /

Und unsern guten Ruff und Namen nicht bedacht?

Ist das der treue Dienst / den ich von euch zuhoffen?

Ach Schwester! hat dich denn ein solcher Todt betroffen /

Den deine Treffligkeit bey weiten nicht verdient.

Vertrauter! was hat dich zu diesem Werck erkühnt?

Dich / den wir den Verzug so offtmahls anbefohlen?

Ach daß ich dir das Hertz solt' aus dem Busen holen!

Dein unbedachtsam Hertz / das gantz nicht überlegt

Das / was die Eyfersucht offt zubefehlen pflegt /

Nicht jeden Augenblick so blind sey auszurichten.

DAVIDSON.

Durchläuchtige Princeß! Ich kam ja meinen Pflichten

In diesen stücke nach / so fern mans recht erwegt.

Sie hat mirs nimahls nicht ausdrücklich aufferlegt /

Sonst würde ich soweit mich nimmermehr vergessen.

Und daß ich letzt gewagt / ist nicht so beyzumessen.

Mir / als den Räthen selbst. Denn als ich ihn' entdeckt /

Was ihre Majestät bißhero abgeschreckt /

Schloß der gesammte Rath / (den laß ichs nun verwalten /)

Man sollte ja den Schluß nicht länger hinterhalten /[75]

So ferne Englands Haupt umd Reich noch solten ruhn

Von allem Unfall frey / was kunt' ich anders thun.

ELISABETH.

Schweig / Ehrvergeßner Mensch! Die Worte sind verlohren;

Du hast ja Mir den Eyd und nicht dem Rath geschwohren.

DIE RÄTHE.

Durchläuchtige Princeß! wir bitten.

ELISABETH.

nicht ein Wort;

Trotz! daß ihr wieder Uns – – – – von hier! stracks packt euch fort /90

Und kommt Uns ohn Urlaub nicht wieder zu Gesichte /

Und du erscheine stracks noch heute vor Gerichte!

Nach diesem macht ihn fest.


Elisabeth tritt ab; die andern bleiben.


DAVIDSON.

Ist das nun der Gewinn

Vor meine Dienst'? ist das / worauff ihr Doppel-Sinn

Und Wanckelmuth bißher so tückisch abgeziehlet.

Jetzt seh ich erst zuspät / worauff man es gespielet /

Warumb (ach daß mich doch der falsche Hof verführt!

Man mich mit diesem Schmuck und Würde außgeziert /

In der ich leider! ach! gar kurtze Zeit geschienen.

DER I. RATH.

Gedult! Den Fürsten kan man auch in Ketten dienen.

Es kan wohl dieser Fall noch dein groß Glücke seyn:

Du weist was Franckreich sucht. Sie thut es nur zum Schein.


Ende.
[76]

71

Diese beschreibet unser Autor am 258. seq. Blat sehr hitzig und eisrich / also / daß Sie sich auch nicht der Königin Elisabeth wohlbedächtiges, warnen hat die geringste Frist auffhalten lassen / etc.

72

Ja seine sc. Deß Königs (schreibt unser Autor) Reputation verwelckte bey Ihr dermassen / daß Sie unter dem Vorwandt / der König bemühe sich mit der Jagt /und sey selten bey Hofe gegenwärtig / unter alle Schrifften und Befehle ihren Namen setzte / an statt daß sonst ihrer beyder Namen mit völliger Macht und Gültigkeit dastehen solten; und über das war unter den Ihrigen deß Secretarii Riccii seiner Gestalt. Von der Müntze ward deß Königs Name gantz ausgelassen / und Er selbst endlich gar von Hofe weggeschickt / und also von allen Reichshändeln und Regiments-Sachen entblösset. pagina 161.

73

Besiehe / was der Autor hievon aus deß Cambdeni Bericht absonderlich gedenckt am 291. Blate.

74

Der Graff Botwel, so sein Leben zu Drockholm /nach erlebtem grossen Kummer und Elend / sinnenlos geendiget. Pagina 310.

75

Unter welchen der von Morton / bey Regierung Königs Jacobi erstlich gefangen / und hernach / als einer / den man überführt / daß er umb diesen mörderischen Anschlag gewust / getödtet. pag. 293.

76

Thuanus ad Annum 1604. prolixe hanc unionem exponit. Conf. & Schildius de Coalitione Regnorum. Item Boxhornius in Hist. Univers. ubi pag. 734. unionem horum Regg. etiam fusius tractat.

77

Solche Kleidung / und das Nachfolgende / wird nach der Länge beschrieben am 396. Blate / & seqq. unserer Trauer-Geschichte.

78

Solches Buch soll / wie unser Autor aus dem Cambdeno erwehnt / das Officium B. Mariæ gewesen seyn. Vid. pag. 397.

79

Am 372. Blate stehet: Nach diesem expostulirte Sie / daß man ausgesprengt / Sie frage nichts nach der Religion. Ich erinnere mich / sagte Sie / der Zeit / da ich begehrte / man solle mich in der reformirten Religion unterrichten: Aber Sie haben mich nicht unterrichten wollen; gleich / als wäre ihnen an meiner Seelen nichts gelegen.

80

Diese gantze Rede der Königin zu ihrem Hofemeister / wie auch dessen Antwort / ist von Wort zu Wort aus dem Cambdeno übersetzt / wie der Autor bekennet / p. 398. Andere setzen an derer statt eine andere. id ibid.

81

Hiemit behütete Sie (scil. die Königin) ihn etliche mah! / (sagt unser Autor pag. 399) nach einander mit thränenden Augen / etc.

82

Folgends / (fährt unser Autor in seiner Relation fort / pag. seq.) wandte Sie sich zu den Englischen Herren / und ersuchte dieselbe / daß ihre Dienerinnen möchten bey Ihr seyn / biß in ihren Tod.

83

Welches der Graf von Kent / (sind gleichfals unsers Autoris verdolmetschte Worte / loc. cit.) ungern verstattete / besorgend / es möchten darüber einige abergläubische Händel vorgehen.

84

Sie aber sprach zu ihnen: Sorget nicht / diese arme Hertzen wolten mir gerne die leitzte Begleitung und Abschied geben. Ich weiß / meine Schwester die Königin würde mir eine so geringe Sache nicht versagen / daß zu Ehren deß Fräulichen Geschlechts mir einige Diener mögen zu Dienste stehen. Ich bin von Ihrem nähsten Blute von Heinrich dem VII. herspriessend / eine mit Königlichem Frantzösischen Leibgedinge versehene Wittib (Dotaria) und gesalbte Königin von Schottland. Id. ibid.

85

Ist das Meer oder die See / so das Castel / in welchem Sie die Stände von Schottland gefänglich gehalten / umbflossen.

86

Unser Ubersetzer nennet dieses Priesters Trost-Rede ein langes Gespräch etc. pag. 401. Ob wir nun dieses nicht allzulang gemacht haben / steht zubefürchten.

87

Als nehmlich Franciscus der zweyte Douphin oder Königliche Erb-Printz in Franckreich Ihr Gemahl mit Tode abgieng.

88

Deme (nehmlich dem Priester) sagt unser Dolmetsch / fiel sie etliche mahl in die Rede / sagte: Er dörffte sich Ihrent wegen so sehr nicht bemühen; sintemahl Sie in dem alten Römischen Gottesdienste gegründet / auch das Leben darinnen auffzugeben bereit wäre. etc. Ut & reliqva qvæ omnia ad sinem usqve ex eadem desumpta sunt Autore.

89

Zu Londen frolockte man nach ihrem Tode: Man ließ vor Freuden die Glocken lauten / und wurden von 21. Bürgern in den Gassen hin und wieder stattliche Feurwercke geworffen / daß Gott durch dieser Gefangenin Tod Engeland der Gefahr befreyet hätte. Unser Francisci pag. 407.

90

Am 385. Blate steht / Sie habe den Räthen einen harten Verweiß gegeben / sie Ihr heissen aus den Augen gehen / und den Secret. Davidson in den Stern kommen zuerscheinen. De hac Camera, qvam Stellatam vocant, qvæ eas Causas tractat, qvæ vel exemplo vel conseqventiâ Regni statum publicum oppugnare vel convellere possunt. Vid. Verulamium in Histor. Regn. Henrici VII.

Quelle:
August Adolf von Haugwitz: Schuldige Unschuld oder Maria Stuarda. Bern und Frankfurt a.M. 1974, S. 60-77.
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