Erste Szene

[111] EIN HALBWÜCHSIGER JUNGE als Pan kommt von links um das Schloß herumgeschlichen, die Pansflöte in der Hand. Hinter ihm drein huschen Kinder, alle in Gestalt von Schmetterlingen. Sie gruppieren sich geräuschlos unter der Terrassenmauer links, von wo aus sie aber die Terrasse nicht übersehen können. Leise ... ganz leise ... ihr wißt es ... der Meister haßt jeden gemeinen Lärm ... ihr seid jetzt Dämmerungspfauenaugen ... Dämmerungspfauenaugen haben keine Trampelfüße ... ihr müßt schweben ... ganz ohne Geräusch ... so leise wie der Nebel auf der Abendwiese ... so schweben wie Dämmerungsfalter ... der Meister hat es ausdrücklich so befohlen ... flüchtig wie ein Bild in einem jungfräulichen Traume ... nämlich ... es soll ja doch Lionel Manders allergeliebtester Tochter gelten, die heute aus dem Kloster wieder einmal bei ihrem Herrn Vater daheim ist ... ganz zu ihrer Seligkeit soll es geschehen ... in ihr jungfräuliches, frommes Herz sollen wir uns leise hineintanzen ... fort jetzt die Unordnung ... stellt euch um mich ... ich beginne sofort zu flöten ...


Er flötet die süßeste Hirtenweise, wozu die Däumelein einen drolligen Reigen schweben. Es fällt von links Abendsonnenlicht aufs Schloß. So geht der Tanz eine Weile.


Quelle:
Carl Hauptmann: Die goldnen Straßen. Leipzig 1918, S. 111.
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