Vierte Szene

[119] Unterdessen haben sich im Parke rechts hinter Buschwerk eine nach der andern junge Tänzerinnen in Probenkostüm und Mantel, mit großen Schäferhüten gesammelt. Noch verborgen.


LUNICA. Dort steht sie ... die Stolze ...

SCHWÄNCHEN. Gehen wir los ... Sie laufen auf Astarte zu und rufen schon von der Ferne.

LUNICA. Fräulein Astarte ...

SCHWÄNCHEN. Gnädiges Fräulein ...

LUNICA indem beide an der Treppe zögern. Wir zwölf kommen heute nicht etwa nur, um unsere achtzehn alten Zephyrtanten zu besuchen ...

HELIE hinterdrein. Es ist jetzt so ledern auf dem Schlosse ...


Astarte steht und lächelt.
[119]

KITZ genau in demselben Kostüm hinterdrein. Wir wollen bei Ihnen seufzen und stöhnen ...

LACERTA ebenso. Ich mag das Tanzen gar nicht mehr leiden ... der Teufel ist ja rein ausgetrieben ...

LUCINDE ebenso. Dieser Attendorn ist doch ein trauriger Stümper ...

MUSE ebenso. Soll uns denn dieser Baron jetzt ad infinitum dressieren ...

MÜCKE ebenso. Wir haben wenigstens am Nachmittag auf dem Lilienplatze im Freien geübt ...

ELFI. Mir sind bei dem Tanze Arme und Beine eingeschlafen ...

SCHWALBE ebenso. Und solche lederne, harte, langweilige Musik dazu ...

ANJELKA. Wenn des Meisters Feueratem nicht hineinbläst ...

MUSE. Wir tanzen beständig Totentänze ...

ASTARTE. Macht mich nicht wirr ... ihr lieben Kinder ...

ANJELKA. Wenn der Meister nicht kommt, lasse ich mich morgen begraben ...[120]

MÜCKE. War denn der Meister wirklich hier ...

MUSE. Alle behaupten, sie wüßten etwas ...

LUCINDE. Jawohl ... ich weiß es ganz gewiß ... der Meister ist am vorigen Abend im Schlosse eingefahren ... und nachts um zwei habe ich Herrn Mander mit eigenen Augen wieder in zwei Automobilen hinaussausen sehen ...

ASTARTE. Sehr richtig, Lucinde ... der Meister war gestern auf einige Stunden im Schlosse ...

ELFI. Ist Herr Lionel Mander zum Fürsten von Monaco eingeladen, um ein großes Jubiläumsfest in der Spielhölle aufzubauen ...

ASTARTE. Hahahaha ... ihr werdet euch zu Herrn Manders Ehren noch gleich die schönsten Legen den erfinden ...

LIDDI. Henry sagt, es hätte nachts schon einmal geheißen: Fort übers Meer ... und um zwölf Uhr mittags hätte Herr Mander mit großem Gefolge im Luxuszug Hamburg-Kuxhaven gesessen ... das wäre dann das einträglichste Geschäft, wenn Herr Mander seine Gaukelkünste vor so einem Milliardär oder Krösus betriebe ...

ASTARTE. Nun haltet gefälligst eure geehrten Schnäbel ... ihr Mädels ... ich werde euch etwas sehr Wichtiges sagen ... hier muß es ganz still sein, obgleich der Meister nicht im Schlosse ist ... aber Fräulein Lisiska Mander ist heute im Schlosse ... und ihr wißt es ja doch, daß Herrn Manders Tochter gottesfürchtig und fromm ist ... also bitte ... geht und kleidet euch um ... Die Mädchen sehen plötzlich nach dem Schloß, wo hinter den Scheiben Baron Attendorn erscheint, von zwei Dienern umgeben, Telegramme lesend. dann könnt ihr meinetwegen im Parke und hier herumspazieren ... aber durchaus nicht[121] in diesen Lotterkleidchen ... denn das könnte einen frommen Sinn doch verletzen ...


Im Augenblick, wo Attendorn die Tür öffnet und heraustreten will, fliehen die Tänzerinnen lachend die Freitreppe herab und eilen denselben Weg, den sie gekommen waren, zurück. Ab.


Quelle:
Carl Hauptmann: Die goldnen Straßen. Leipzig 1918, S. 119-122.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die goldnen Straßen
Die goldnen Straßen