Vierzehnte Szene

[163] FRÄULEIN KOPRIVA. Ein schönes, stolzes Mädchen ... warum flackern Sie mit den Augen, Mander ...

MANDER emphatisch. Ottilie Kopriva ... Er versengt sie mit seinem Blick.

FRÄULEIN KOPRIVA. Sie sind verrückt, Mander ...

MANDER wie vorher. Sie sind mein Schicksal ...

FRÄULEIN KOPRIVA. Kommen Sie wenigstens jetzt fort von hier ...

MANDER immer leidenschaftlicher. Hier drin war immer nur Flucht ... ich jagte immer nur Lockbildern nach ... rastlos ... als hörte ich beständig die Umdrehung dieser Erde sausen ... die Zeit flog mit mir ... immer nur heimlich jedes kleinsten Lebensvorteils gewärtig ... eine Jagd ... Dinge und Menschen ... ich nahm sie in meine Arme ... und ließ sie gleichgültig wie die Chausseebäume hinter mich ziehen ... selbst die Mütter der Kinder ... machen Sie die Zeit stille stehen ... geben Sie nicht nur meinem Kinde ... geben Sie auch mir eine dauernde Heimat bei sich ... zum ersten Male ... und für immer und ewig ... machen Sie mich zum trotzigen Felsen ... zum Felsen der Treue ...

FRÄULEIN KOPRIVA. Lionel Mander ... hahahaha ... ein Fels der Treue hahahaha ... und wo liegt wohl das ganze große Menschenland, das auf dem Felsen der Treue aufgebaut wäre ...[164]

MANDER inbrünstig. Hinter all meinen Hüllen habe ich nur ein einziges, wahres Leben, das danach hungert ... und danach dürstet ...

FRÄULEIN KOPRIVA unterbricht ihn hastig. Mander ... lieber Mander ... ich bitte Sie ... ich bin doch kaum ein paar Stunden im Schlosse ... was würden denn Ihre Kinder zu so einer hergelaufenen Mutter sagen ...

MANDER. Ottilie ... Ihre Scheuheit ... Ihre himmlische Keuschheit ... Ihre himmlische Mütterlichkeit ... Ihre Stimme ... Ihre Stimme ...

FRÄULEIN KOPRIVA. Kommen Sie fort ... ich will hier nicht stehen ...

MANDER. Ottilie ... Er ermannt sich plötzlich. ja ... meine Gnädigste ... Er sieht sie wie schlafwandlerisch an. oh ... Sie befehlen ... Er reicht ihr formell den Arm. kommen Sie jetzt in die freie Luft ... es ist mehr wie die sogenannte Leidenschaft Liebe, die in uns zittert ... Ihre Stimme bebte wie tiefste Musik ... Im Verschwinden durch die Glastür in den Park. oooh, diese Stimme ... Ab.

Der Vorhang fällt.


Quelle:
Carl Hauptmann: Die goldnen Straßen. Leipzig 1918, S. 163-165.
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