Zwölfte Szene

[180] Windfellner von rechts. Gleich dahinter Tiefsee. Dahinter der Herr Juwelier. Der Juwelier ist ein junger, sehr vornehmer, bleich-geistiger Mann von etwa vierunddreißig Jahren. Hat schöne, verhärmte Gesichtszüge. In Gestalt untersetzt. Große Ringe am Finger. Grauer, hoher Seidenhut mit Trauerbinde, den er in der Hand hält. Dandyhaft. Handschuh. Krückstock mit goldener Krücke. Hat einen Klumpfuß.


WINDFELLNER. Ein Nachtfest bei Lionel Mander ... Er wischt sich wieder den Schweiß. und soll gleichsam ein höheres Vereinigungsfest mit dem dauernden, weiblichen Idole sein ... ja ... sagen Sie einmal, verehrter Herr Juwelier ... Sie sind ja doch in allen Lagen des Lebens immer nur der ruhige, kalte Betrachter ... ein Kasteier gewissermaßen, weil Sie Ihren Riesenreichtum schon von Jugend auf besessen haben ... Sie staunen doch nur immer kühl bis ans Herz in einen solchen tollen Reigen hinein ...

DER HERR JUWELIER. Jawohl ... sehr richtig ... übrigens bin ich im Grunde gar nicht Juwelier ... ich verschaffe höchstens einmal mit meinem persönlichen Geschmacke, den Herr Mander immer sehr schätzte, diesem Meister ein paar besonders kostbare Stücke von Juwelen ... das machte mir immer Spaß ... das ehrte mich ... aber den Titel Juwelier halte ich eigentlich nur noch bei ... vielleicht meinen Erblassern noch zu Ehren ... denn ich selber habe alles ja nur geerbt ... Gott ... sehn sie mich nur genauer an ... was erbt man nicht alles ... auch so einen Klumpfuß ... und wenn mein berühmter Laden wirklich noch offensteht ... ich selber komme nur noch in Betracht, wenn es sich gleich um ganz große Vermögensarrangements handelt ... das andere besorgt ja doch mein Büro ...

TIEFSEE. Hahahaha ... großartig ... großartig muß das sein ... wissen Sie ... um diese allerkostbarsten Ringe an Ihren Fingern beneide ich Sie ...[180]

DER HERR JUWELIER. Ja ja ... das sind ziemlich kostspielige Dinger ... auch hier das Armband mit den Rubinen ... aber wenn Sie etwa was Besonderes davon halten ... ich habe nicht die geringste Illusion dabei ... ich kann doch für ein Perlenhalsband unmöglich zärtlich fühlen wie die jungen, fröhlichen Mädchen, die ihre Lebensfreuden im Tanze erhaschen ... und mit Steinzeug und Golde klingeln ... nein ... z.B ... wie ich am Sterbebette meines Vaters stand ... und sah seine Augen endlich brechen ... und konnte nichts tun ... da fuhr es mir sogar plötzlich wie ein Hohn ins Blut ... warum trägt man eigentlich solche Dinger ... tja ... kaltes Steinzeug und Gold ... es befriedigt offenbar das menschliche Rechenbedürfnis, bis auf solche Sicherheiten zurückzurechnen ... weil die nicht vergehen ... deshalb macht es dem Menschen wohl ein Vergnügen ... wie auch die Kinder gern mit Münzen und Steinen spielen ... je mehr durch die Finger rinnen, desto besser ... Sie bleiben alle drei stehen und staunen in die Tiefe. offenbar ziehen jetzt all diese Böte zu der berühmten Rotunde auf das andere Seeufer hinüber ...

TIEFSEE lachend. Hahahaha ... nun natürlich ... jetzt ist doch beinah Mitternacht ... jetzt kommt doch sicher der Schlußeffekt in der Liebesrotunde ... hahahaha ... so steigt doch der Mensch ... Stufe um Stufe ... vom Tod zur Geburt ... von der Geburt zum Schrei ... vom Schrei zum Gold ... vom Gold zum Tand ... vom Tand zur Liebe ... von der Liebe zum Tod ... Indem alle drei in die Tiefe gehen. die alte berühmte Luftschaukelfahrt ... wenn man mit seinem Kahn grade zu oberst ist, denkt man sich einen Augenblick in den Himmel zu fliegen ... hahahaha ... vom Tod zur Geburt ... Die Worte verhallen allmählich. von der Geburt zum Schrei ... vom Schrei zum Gold ... vom Gold zum Tand ...


Alle drei ab.


Quelle:
Carl Hauptmann: Die goldnen Straßen. Leipzig 1918, S. 180-181.
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