Neunte Szene

[24] LUISA noch immer vor dem Spiegel. Die Augenlider werde ich ihm küssen dafür ... die Füße werde ich ihm küssen dafür ...

RADIANA. Wem ...

LUISA. Ein Weib darf niemals das letzte sagen ... du bist wohl schon eifersüchtig ... du willst mir wohl schon in die Karten sehen ...

RADIANA. Inwiefern ihm die Augenlider küssen ... ist denn das der Herr, der eben ging ...

LUISA. Quatsch ... Unsinn ... frag nicht so albern ... das weißt du alleine ... das wäre mir so einer ... der ... ist selber nur ein Schmarotzer ... der[24] berühmte Goldschmied Wendelborn bringt doch den Schmuck nur im Auftrage von Herrn Tobias Buntschuh ... der sein Herr ist ...

RADIANA. Und für die kalten Steine und das gelbe Gold willst du dich diesem Herrn Buntschuh zu Füßen werfen ... und seine hingebende Sklavin sein ...

LUISA. Fällt mir nicht ein, Sklavin sein ... Herrin bin ich immer ...

RADIANA. Ist der so mächtig, daß er sich einen solchen Herrn Wendelborn halten kann ... oh, Herrn Wendelborn möcht ich liebkosen ...

LUISA. Hahahaha ... Gott ... ein Mädel wie du ... das möchte manche, jetzt wo er durch Buntschuhs Gnade auch immer Geld hat ...

RADIANA. Ach ... der hat eine Freundseele ... mit dem Herrn Wendelborn möchte ich auch nur einen einzigen Augenblick auf der Blumenwiese der Seligkeit spielen ...

LUISA plötzlich zornig. Gar nichts hast du dich um diese Männer zu kümmern ... um beide nicht ... meinetwegen hat sich dieser Herr Wendelborn den herrlichen Schmuck ausdenken müssen ... nicht deinetwegen ... meinetwegen hat Buntschuh diesen Menschen hierher geschickt ... nicht deinetwegen ... fang nur mit solchen Frechheiten an ...


Eine lustige Stakkatomelodie beginnt hinter der Szene, während Luisa ihren Schmuck erregt in das Kästchen legt und dann in eine Handtasche sorgfältig einschließt.


Der Vorhang fällt.


Quelle:
Carl Hauptmann: Die goldnen Straßen. Leipzig 1918, S. 24-25.
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