Sechste Szene

[31] Gleich dahinter erscheint.


PHILIPP WENDELBORN den leichten Überzieher über einer Art Arbeitsschürze, eine samtene Meistermütze auf dem Kopfe, die er in den Nacken geschoben hat. Er hat einen eleganten, kleinen Handkoffer mit sich. Ebenfalls aus der rechten, vorderen Haupttür. Nun ... wie steht es ... noch nicht ...

DIENER FRANZ. Nein ... noch immer nicht ... seit drei Uhr nachts ...

WENDELBORN setzt sich breit auf einen Sessel, starrt den Diener, dann den Sekretär lustig an. Acht Stunden und neunundfünfzig Minuten ... und auf einem Fleck angepicht ... na ... ich sitze doch wenigstens einmal zur Abwechslung an meinem[31] Bechstein und spiele mir ein Bachsches Präludium vor ... oder schäkere mit meinem Jungen, wenn der aus der Schule kommt, Blaubeeren in der einen Tasche und Heuschrecken in der anderen ... aber bei dem gebrechlichen Leibe obendrein diese ununterbrochene Arbeitskraft ... das ist das Kolossale bei dem Kerle ... schon in der Studentenzeit kriegte er mitten in der Nacht ... und wenns im tieffsten Winter war ... den Denkrappel ... hockte bei der rauchenden Petroleumlampe auf eine alte Holzkiste nieder ... soff zur inneren Illumination die helle Menge eiskalten Kaffee runter ... und saß dann noch am hellen Mittag in Hemd und zerfranstem Havelock und malte seine Zahlen ... Zu dem Sekretär gewandt. schicken Sie nur am besten die wartenden Menschen wieder fort ... Sie wissen ja doch ... jetzt, wo er als graues Gespenst über den dunklen Abgründen der Begriffe taumelt, kommt er doch nur scheu wie eine Eule ans Tageslicht ...

DER SEKRETÄR im Abgehen. Na natürlich ... schicke ich die wartenden Leute einfach wieder weg ...


Ab, wo er gekommen ist.


Quelle:
Carl Hauptmann: Die goldnen Straßen. Leipzig 1918, S. 31-32.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die goldnen Straßen
Die goldnen Straßen