Zweite Szene

[437] PETROWITSCH.

Wer da?

OSSIP.

Gleich viel!

PETROWITSCH.

Auch mir! Doch sag mir an,

Was soll ich hier?

OSSIP.

Das hört ich gern von dir.

PETROWITSCH.

Dies ist der zehnte nun! – Wer foppt uns denn?[437]

So gehn sie hier zu Hunderten herum

Und lachen sich einander aus. Bei Gott,

Ein schlechter Spaß an einem solchen Abend,

Wo man den Branntewein in allen Straßen

Umsonst bekommt.

OSSIP.

Wie?

PETROWITSCH.

Ja, du trinkst, so viel

Du magst, und wenn du nach der Zeche fragst,

So spricht der Wirt: Dein Freund hat schon bezahlt!

RURIK.

Dein Freund! O, nun versteh ich. Gestern war

Die Krönung, heute gibts ein neues Fest,

Und wir erhalten unsern Teil daran.

Der Zar ist dieser Freund. Es wird vielleicht

Noch einmal Gold und Silber ausgeworfen,

Der Hund jedoch, ders uns verkünden sollte,

Der sogenannte erste, dicht am Tor,

Erinnert ihr euch nicht? Dort stand ein Kerl,

Hoch, wie ein Pfahl, behälts für sich und schweigt.

OSSIP.

So wird es sein. Er hofft, daß wir uns wieder

Verlaufen werden, wenn wir nichts erfahren,

Und wünscht, mit seinen Vettern und Gevattern

Allein zu teilen! Wart, du Schelm! Hebt mich

Empor, so schrei ichs aus.

RURIK.

Wozu denn das?

Wer keinen Witz hat, mag zum Branntwein gehn,

Je wen'ger, um so besser. Bleiben wir.

OSSIP.

Da brennts.

PETROWITSCH.

Und da!

RURIK.

Wie sollt es nicht! Und doch!

Auch dort! Nach allen Himmelsgegenden!

Vielleicht ein Feuerwerk.

OSSIP.

Ein polnisches!

RURIK.

Ich denk das, weil sich keine Glocke rührt.

Dreitausend Türmer gibts. Sie können doch

Unmöglich alle eingeschlafen sein.

OSSIP.

Das nicht, doch wohl gebunden. Gib nur acht,

Dies Feuerwerk wird hundert Straßen kosten,

Und geht ein Dutzend Kirchen mit darein,[438]

So ists den Heiden eben recht.

RURIK.

Da wacht

Sankt Niklas auf.

OSSIP.

Die heilge Anna folgt.

PETROWITSCH.

Zur rechten Zeit! – Schaut, wie die Flammen wachsen!

Der ganze Platz wird hell. Man sieht die Vögel,

Die droben kreisen.

RURIK.

Ei, bist du nicht der,

Mit dem ich kürzlich – Brüderchen, gewiß,

Du bist aus Twer und zitterst für die Ohren. –

Noch hast du sie – Erst jetzt erkenn ich dich!

OSSIP.

Da weiß man doch, wozu die Fackel brennt!

Im Dunkeln wär dies Wiedersehen nicht

Gefeiert worden.

RURIK.

Wie die Glocken heulen!

Die Nacht wird wild, gebt acht, es geht was vor!

OSSIP.

Die Polen sinds, ich sags euch noch einmal.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 437-439.
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