Fünfte Szene

[244] JACOB tritt mit Eiern ein. Diesmal hätten wir den Marder betrogen. Da sind die Eier, noch warm, ein ganzes Nest voll. Aber, was ist das? Wo blieb der Jude? Frau! Frau!

BARBARA kommt. Was willst du?

JACOB. Ist der Jude draußen in der Küche bei dir?

BARBARA. Dumme Frage! Was sollt er da?

JACOB. Dann – Nein, ich weiß selbst nicht, soll ich fluchen und toben, oder soll ich jubeln und springen?

BARBARA. Bist du verrückt?

JACOB. Wo ist mein Hut? Er setzt ihn auf. Falte die Hände, Weib und danke Gott, ich habe keine Zeit dazu. Wo ist mein Stock? Er nimmt ihn und schwingt ihn. Drei Füchse hab ich schon damit erlegt, der Jude soll der vierte sein! Ich schlag ihn tot, wo ich ihn treffe! Das schwör ich!

BARBARA. Sei nicht törigt, Jacob. Du kannst kein Lamm abstechen, keinen Hammel, du bist mir der rechte Juden-Totschläger. Doch, ich kenne dich ja! Du warst im Schwören immer ein Türk, aber im Halten bist du ein frommer Christ.

JACOB ohne auf sie zu hören. Daß dich! Nun, ich bin noch nicht zu alt fürs Glück. Vierzig Jahre – man kann noch manche gute Mahlzeit halten! Wär ich sechzig, ich würde mir Haare aus dem Kopfe raufen. Zu Barbara. Lämmer! Das ist was anderes. Die Lämmer haben mir bis jetzt noch nichts entwendet. Hämmel! Kennst du Hämmel, die Steine einstecken? Zeig sie mir! Ich würge sie, wie ich den Juden würge. Er sieht den Taler[244] auf dem Tisch. Sieh da! Wart, Halunke! Damit werf ich dir das erste Loch in den Kopf!

BARBARA. Was ists denn mit dem Stein, daß du dich so närrisch hast?

JACOB. Was es mit dem Stein ist? Gib acht! Ich wills dir zeigen! Er setzt sich gravitätisch in einen Lehnstuhl und nimmt eine befehlende Miene an. Paul! – »Was befiehlt Herr Jacob?« – Nichts. Ich wollte nur sehen, ob du heute Baumwolle in den Ohren trägst oder nicht! – »So kann ich wieder gehen?« – Nein, da du einmal hier bist, magst du bleiben. Gib die Karten her und setz dich zu mir an den Tisch. Wir wollen spielen! – »Ich habe kein Geld!« – Nimm dir, du weißt, der Sack steht hinterm Ofen! – »Wie viel?« – Ich wills nicht wissen, du siehst, ich mache die Augen zu. Ich kanns dir ja wieder abgewinnen! –

BARBARA. Hör auf mit deinen Dummheiten!

JACOB. Nun kommst du. Er setzt sich auf einen andern Stuhl. Anna! – »Was soll ich, Frau Barbara?« – Wenn ein Hausierer kommt, laß ihn ja nicht vorüber! – »Ich will schon aufpassen!« – Die Menschen haben nur so selten gute Ware. Ich muß durchaus zur Stadt. Ist das Fleisch aufgesetzt? – »Noch nicht!« – Daß dich das Donnerwetter! Zu zwölf soll die Suppe auf dem Tisch sein. Nun, es ist dein eigner Schade. Ich wollte dir ein neues Kleid schenken, nun bekommst du bloß eine Schürze! –

BARBARA. Es ist wohl auch an der Schürze genug!

JACOB steht auf. Gefällt dir das? Das hättest du für den Stein haben können!

BARBARA. Für den Stein, den ich aus dem Fenster warf?

JACOB. Ja doch, ja, denn es war ein Edelstein, ein solcher, wie ihn der König auf der Krone trägt!

BARBARA. Bild dir nichts ein!

JACOB. Ich dachte es gleich, als ich ihn so blitzen sah, aber nun weiß ich es ganz gewiß. Der Jude hat ihn gestohlen, einen bessern Beweis brauch ich nicht, wenn ich das zu einem Christen sage, so käuft er ihn im Finstern und gibt mir das Geld bei Licht! Und nun halt mich nicht länger auf. In vier Wochen ist dein Geburtstag. Besinne dich auf deinen liebsten Wunsch, während ich fort bin, damit du mir ihn gleich sagen kannst, wenn ich wieder komme. Aber was Ordentliches! Nichts von[245] einem neuen Band auf die Mütze, oder dergleichen! Wir sind jetzt reiche Leute! Ab.

BARBARA. Sind wir das? Nun, dann will ich wahrhaftig nicht bei dem Band stehenbleiben, sondern mir gleich die Mütze selbst wünschen. Und an dem Tag, wo ich sie erhalte, will ich zum ersten Mal wieder in den Spiegel blicken. Solange ich verheiratet bin, hab ich das nicht mehr getan, denn so lange hab ich mir nichts Neues auf den Leib geschafft, und wie ein Faden nach dem andern abreißt, das mag der Teufel ansehen. Ich bin doch neugierig, wie alt ich geworden bin! Ab.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 244-246.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Diamant
Samtliche Werke (1, No. 10); Abt. 1.Bd. Dramen I (1841-1847). Judith. Genoveva. Der Diamant
Samtliche Werke (1, No. 9); Abt. 1.Bd. Dramen I (1841-1847). Judith. Genoveva. Der Diamant
Der Diamant: Eine Komödie in Fünf Acten (German Edition)